"Ferrari zwei Sekunden vor allen anderen"

Von Alexander Mey
Felipe Massa fuhr bei den Testfahrten in Barcelona Wochenbestzeit
© Getty

Nach der Absage des Rennens und der Testfahrten in Bahrain ruht die Arbeit der Formel-1-Teams auf der Rennstrecke vorerst. Zeit genug für eine neue Standortbestimmung. Wer profitiert von der Bahrain-Absage und warum erstarrt Jenson Button in Ehrfurcht vor Ferrari?

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Nach der dritten von vier Testwochen geht die Formel 1 wegen der Absage des Rennens und der Tests in Bahrain erst einmal in eine zweiwöchige Pause. Vom 8. bis zum 11. März bekommen die Autos in Barcelona den letzten Feinschliff für den neuen Saisonstart am letzten März-Wochenende in Australien.

Für die Teams heißt das, dass sie sowohl bis zum letzten Test als auch bis zum ersten Rennen etwas mehr Entwicklungszeit haben. Die Testtage bleiben aber die gleichen.

Wer hat für die kommenden Wochen die beste Ausgangsposition und wer profitiert vielleicht sogar vom verschobenen Saisonstart, weil er jeden Tag zum Aufholen eines Rückstands braucht? SPOX schätzt zum zweiten Mal nach dem Jerez-Test das grobe Kräfteverhältnis - mehr ist wegen völlig unterschiedlicher Testprogramme, Reifen und Benzinmengen nicht möglich - der Teams ein.

Platz 1: Ferrari, 1183 Runden

Die Konstanz und Zuverlässigkeit der Roten macht die Konkurrenten langsam nervös. Das Auto hat so gut wie keine technischen Probleme, dreht mit riesigem Abstand die meisten Runden und zeigte in Person von Felipe Massa mit der Wochenbestzeit auch noch, dass schnelle Runden ebenfalls kein Problem sind.

"Auf den Long-Runs scheint der Ferrari zwei Sekunden vor allen anderen zu sein", sagte Jenson Button in Barcelona. "Auch Red Bull sieht konstant aus, aber nicht so konstant wie Ferrari." Fazit: Die Roten wären genauso wie Red Bull ohne Probleme bereit für einen Saisonstart in Bahrain gewesen.

Platz 2: Red Bull, 985 Runden

Fast 200 Runden weniger als Ferrari, aber in Sachen Konstanz und Zuverlässigkeit trotzdem klar die Nummer zwei. Bei den Bullen besteht immer noch der Verdacht des Bluffens, denn auf eine Runde scheint das Auto wie im vergangenen Jahr extrem schnell zu sein, wenn es mal wirklich darauf ankommen sollte. Bei den Long-Runs und den Rennsimulationen in Barcelona sah das Auto ebenfalls stark aus, aber der subjektive Eindruck spricht im direkten Vergleich eher für Ferrari.

"Ferrari wird wieder vorne dabei sein", gab sich Sebastian Vettel zurückhaltend. Auf der anderen Seite übte sich auch Fernando Alonso in Understatement und sagte: "Red Bull ist auch 2011 das Team, dass es zu schlagen gilt." Die Aussagen beider WM-Rivalen deuten schon an, dass sich Ferrari und Red Bull auf Augenhöhe sehen und sich dort wohl auch begegnen werden. Nach momentanem Stand mit einigem Vorsprung auf den Rest des Feldes.

Platz 3: Mercedes, 959 Runden

Mercedes bleibt eine der größten Wundertüten im Feld, zeigte aber in Barcelona einen klaren Aufwärtstrend und übernimmt damit Platz drei von Lotus-Renault. Die Zuverlässigkeit des Silberpfeils hat sich deutlich verbessert, ebenfalls die Konstanz auf den Long-Runs.

Was trotz der Sonntags-Bestzeit von Nico Rosberg noch fehlt, ist der Speed. Auf langen Stints war der Red Bull mehr als eine Sekunde pro Runde schneller. Dabei muss man aber bedenken, dass Mercedes bis zum ersten Rennen noch wesentliche Verbesserungen wie zum Beispiel ein völlig neues Auspuffsystem plant, die nach eigener Aussage einen großen Schritt nach vorne bedeuten werden.

Dank der Verlegung der letzten Tests sind einige Komponenten des neuen Autos vielleicht sogar schon in Barcelona einsatzbereit. Den Silbernen kommt der Ausfall des Bahrain-GP also auf jeden Fall entgegen. Sogar Rosberg gab zu: "Wir wären in Bahrain wahrscheinlich nicht siegfähig gewesen."

Platz 4: Lotus-Renault, 840 Runden

Die Plätze zwei, vier und fünf in Barcelona zeigen, dass das Auto weiterhin den Speed hat, um Podestplätze anpeilen zu können. Gegenüber Jerez waren die Tests in Barcelona trotzdem ein kleiner Rückschritt, wie Nick Heidfeld verriet. Die Abstimmung auf den Circuit de Catalunya stimmte überhaupt nicht und dazu gab es am letzten Tag noch erhebliche technische Probleme mit KERS.

Bei einem Rennen und einem vorherigen Test in Bahrain wäre die Abstimmung des Autos kein großes Problem gewesen. Jetzt hat das Team zwar etwas mehr Zeit, aber kommt in Melbourne wie alle anderen auf eine Strecke, auf der nicht getestet worden ist. Also kein nennenswerter Vorteil aus der Verzögerung.

Platz 5: McLaren, 564 Runden

Es geht ein bisschen aufwärts mit der Zuverlässigkeit des neuen McLaren, der seit Jerez im Einsatz ist. Lewis Hamilton schaffte an seinen beiden Testtagen in Barcelona 200 Runden und konnte wichtige Abstimmungsarbeit leisten.

Bei Button läuft es nach wie vor nicht ganz so gut und er sagt: "Wir brauchen noch einige Tage mit vielen Testkilometern, um dieses Auto zu verstehen. Ich weiß immer noch nicht, wo wir stehen, aber es wäre unfair, McLaren abzuschreiben." Eben weil noch nicht genug getestet wurde. Ob McLaren der verspätete Saisonstart aber hilft, ist ähnlich fraglich wie bei Lotus-Renault. Die neuen Teile sind im Gegensatz zu Mercedes schon am Auto dran und die Zahl der Testtage bleibt gleich.

Platz 6: Toro Rosso, 716 Runden

Die Italiener haben in Barcelona Sauber als heißesten Geheimtipp der Saison überholt. Die Zuverlässigkeit hat gestimmt, aber vor allem waren die Rundenzeiten konstant stark. Jaime Alguersuari und Sebastien Buemi belegten zweimal Platz drei und einmal Platz zwei. Angeblich nicht mit leerem Tank und trotzdem nicht allzu weit weg von Red Bull.

Neben den schwer einzuordnenden Zeiten macht die Tatsache Mut, dass trotz der mutigen Konstruktion des Autos KERS und verstellbarer Heckflügel einwandfrei funktionieren. Toro Rosso wäre für Bahrain bereit gewesen.

Platz 7: Sauber, 928 Runden

Die Zuverlässigkeit des neuen Sauber ist sein großer Trumpf. Nach den Testeindrücken ist nicht zu erwarten, dass das Auto auch nur annähernd so oft ausfallen wird wie im Vorjahr. Im Gegenteil. Der Speed bewegte sich auch in Barcelona kontinuierlich im vorderen Mittelfeld, konnte aber nicht ganz mit dem des Toro Rosso mithalten. Zudem bleibt Neuling Sergio Perez ein Unsicherheitsfaktor. Abgesehen davon ist Sauber aber jederzeit bereit für das erste Rennen.

Platz 8: Williams, 812 Runden

Es wird langsam besser. So verheerend wie nach dem Jerez-Test sind die Eindrücke von der Zuverlässigkeit des Autos bei weitem nicht mehr. Die großen Probleme mit KERS und dem Heckflügel scheinen gelöst, in Barcelona brachten beide Fahrer wichtige Kilometer zustande.

Williams hat noch vier Testtage, um weiter an der Standfestigkeit zu arbeiten, Bahrain-Absage hin oder her. Das Zittern um die Zielankunft wird das Team also auch in Australien sicher begleiten.

 

Platz 9: Force India, 536 Runden

Adrian Sutil ist zwar mit der Entwicklung des Autos zufrieden und spult auch eine anständige Zahl an Testrunden ab. Aber im Vergleich zum noch zuverlässigeren Sauber und den mutiger konstruierten Autos von Toro Rosso und Williams sieht es im Kampf um den sechsten Platz bei den Teams im Moment nicht gut aus.

Da für das Auto keine wesentlichen technischen Neuerungen mehr geplant sind, wird Force India auch die Verlegung des ersten Rennens nicht helfen.

Platz 10: Lotus, 447 Runden

Ungeachtet des heftigen Unfalls von Jarno Trulli und dem damit verbundenen frühzeitigen Testende lief es in Barcelona für Lotus gar nicht so schlecht. Natürlich gab es beim noch jungen Team einige technische Probleme, aber die sechstbeste Zeit von Trulli am dritten Testtag war ein positives Ausrufezeichen.  Ihm fehlten nur 2,2 Sekunden auf die Bestzeit von Nico Rosberg

Platz 11: Virgin, 552 Runden

Wichtigste Nachricht: Die Zuverlässigkeit passt. Das kann im Kampf gegen Lotus und HRT, deren neues Auto erst beim letzten Test zum Einsatz kommen wird, um Platz neun bei den Teams ein Schlüssel zum Erfolg sein. Zudem werden bis zum ersten Rennen noch einige neue Teile kommen. Für Virgin war die Bahrain-Absage also eine gute Nachricht. Ob die Zeit jedoch reicht, um in Sachen Speed zu Lotus aufzuschließen, ist fraglich.

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