"Irgendwann kriegst du ein negatives Image"

Von Alexander Mey
Nico Rosberg hat in seiner Karriere noch nie ein Formel-1-Rennen gewonnen
© Getty

Nico Rosberg hat es nicht leicht. Vor der Formel-1-Saison 2010 redeten alle über Michael Schumacher, danach reden alle über Weltmeister Sebastian Vettel. Über Rosberg redet kaum jemand. Zu Unrecht, denn er ist vielleicht sogar der Beste von allen.

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Nico Rosberg hat in diesem Jahr viel gelernt. Twittern zum Beispiel. Seit nicht allzu langer Zeit hat er einen eigenen Twitter-Account, den er auch fleißig bedient.

So hat man dadurch erfahren, dass er sich in Südkorea tierisch über den Unfall mit Mark Webber geärgert hat. "Das suckt", waren seine Worte. Außerdem weiß man durch Twitter, dass Rosberg in Abu Dhabi nach einer Pool-Party von Mercedes von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde und dass ihm sein Renningenieur Jock Clear ein Bild von Britney Spears in den Reisepass geklebt hat.

Britney ist Rosbergs Spitzname. "Das liegt an meinen Haaren und vielleicht auch daran, dass ich ein wenig eitler als die anderen Fahrer bin", erklärte Rosberg vor der Saison 2010 in einem "GQ"-Interview.

Bilanz: Klarer Sieg gegen Schumacher

Damals rechnete Rosberg noch damit, Twitter nicht zu brauchen, um das Jahr über in aller Munde zu sein. "Ich wollte gewinnen, mindestens ein Rennen", sagte Rosberg nach dem Saisonfinale. Wenn er ehrlich ist, wollte er sogar Weltmeister werden. Aber: "Davon waren wir weit entfernt."

Rosbergs Bilanz: Dreimal kam er aufs Podium, in der Fahrer-WM wurde er Siebter. Seinen großen Teamkollegen Michael Schumacher hatte er im Griff, 14:5 gewann er das Qualifying-Duell. WM-Punkte holte er 142, Schumacher nur 72.

Rosberg keinen Deut schlechter als Vettel und Co.

Der 25-Jährige wurde während der Saison in einem "Bild"-Interview einmal gefragt, was er gerne von Sebastian Vettel hätte. Seine Antwort: "Ich hätte gerne den Speed von seinem Auto in meinem Silberpfeil. Mehr bräuchte ich nicht, um ganz vorne mitzufahren."

Da hat er Recht. Analysiert man die Leistungen von Rosberg während der Saison in Relation zum Potenzial seines Autos, ist es nicht verwegen zu sagen, dass Vettel, Fernando Alonso oder Lewis Hamilton keinen Deut besser waren. Im Gegenteil: Sie haben alle mehr Fahrfehler begangen als Rosberg.

Haug: "Nico der Schnellste von allen"

"Nico fährt auf sehr hohem Niveau", lobte Schumi den stärksten Teamkollegen, den er je hatte. Formel-1-Experte Marc Surer zeigte sich vom 25-Jährigen "sehr, sehr beeindruckt".

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug ging im Interview mit den "Stuttgarter Nachrichten" sogar noch weiter und behauptete: "Nico gehört zu den Allerbesten im Feld, und - wer weiß - vielleicht ist er sogar der Beste und Schnellste von allen." Weltmeister Rosberg? Im richtigen Auto ein wahrscheinliches Szenario.

Rosberg befürchtet Image-Schaden

Doch genau das ist das Problem. Rosberg hatte noch nie das richtige Auto. Bei Williams war er deshalb zwangläufig nur Mittelmaß. Das sollte sich bei Mercedes schlagartig ändern, Rosberg wollte endlich durchstarten. Was daraus geworden ist: Mittelmaß - wieder einmal.

"Ich bin jetzt vier Jahre dabei. Und ich hatte noch keinen wirklich großen Erfolg", sagte Rosberg vor der Saison. "Irgendwann kriegst du ja auch so ein negatives Image aufgedrückt. Die Leute sagen: 'Ach, der fährt ja nur immer irgendwo mit, der ist nicht der Beste.' Das bleibt an einem hängen."

Zwar betonte Rosberg zu diesem Zeitpunkt noch, keine Angst vor dem Stempel des ewigen Talents zu haben. Im Laufe der Saison merkte man ihm aber den Frust darüber, dass ihn Kollegen wie Hamilton oder Vettel rechts und links überholen, einige Male deutlich an.

Rosberg ehrlich und kritisch

Nach dem Qualifying zum Kanada-GP brach es am heftigsten aus ihm heraus. Er bezeichnete Platz zehn als "reine Katastrophe" und warf dem Team vor, trotz offensichtlicher Reifenprobleme untätig herumgesessen und auf Selbstheilung durch mehr Grip auf der Strecke gehofft zu haben. "Vielleicht haben wir einfach keinen guten Job gemacht", waren seine Worte.

Überhaupt war Rosberg in der Bewertung der Situation immer erfrischend ehrlich. "Platz 13 ist natürlich Quatsch", sagte er zum Beispiel nach dem enttäuschenden Qualifying in Brasilien. Nach dem letzten Rennen gab er offen zu: "Ich bin froh, dass es vorbei ist."

Neues Auto soll endlich Siege bringen

Nicht jedes Team würde derart offene Kritik eines Fahrers dulden, aber Rosberg hat Glück, bei Mercedes angestellt zu sein. Die Silbernen pflegen von jeher einen sehr offenen Umgang mit ihren Piloten.

Statt eines Maulkorbs und jeder Menge Ärger für Rosberg gibt es bei Mercedes daher Selbstkritik. "Sobald wir Nico ein Siegerauto geben, wird er genauso gewinnen wie Michael Schumacher", sagte Haug. Das soll 2011 endlich klappen. Genug Vorbereitungszeit hatten die Silberpfeile ja, nachdem sie sich schon nach gut der Hälfte der Saison aufs kommende Jahr konzentriert haben.

"Es würden sich viele wundern, wie weit wir schon sind. Es geht voran, das neue Auto sieht gut aus", sagte Rosberg bereits Ende Juli. Mittlerweile dürfte der Bolide schon fast fertig sein.

Wie er allerdings mit den neuen Pirelli-Reifen harmoniert und wie stark sich Red Bull, Ferrari und McLaren verbessern, kann jetzt noch niemand wissen. Auch Rosberg nicht. Optimistisch ist er trotzdem: "Nächstes Jahr werde ich das absolute Siegerauto haben (lacht). Nein, im Ernst: Wirklich die Chance zu haben, regelmäßig auf das Podium zu fahren oder Rennen zu gewinnen, wäre langsam mal angesagt."

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