Warum kann Vettel keine Fehler zugeben?

Von Alexander Mey
Sebastian Vettel (l.) drückte sich nach dem Ungarn-GP um ein klares Schuldbekenntnis
© Getty

Sebastian Vettel hat sich in Ungarn selbst um den Sieg gebracht und bezieht dafür Prügel. Ist er nicht fähig zur Selbstkritik? Kosten ihn seine Fehler den WM-Titel? Eine Bestandsaufnahme.

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Stereotype gibt es über Sebastian Vettel jede Menge - und bei weitem nicht nur positive. Er macht zu viele Fehler. Er gibt seine Fehler nicht zu. Er kann nicht starten.

Geschimpft wird immer schnell, wenn bei dem großen deutschen Hoffnungsträger auf den Gewinn des WM-Titels wieder mal etwas nicht nach Plan läuft. Aber wann wird zu Recht geschimpft, wann möglicherweise zu Unrecht? SPOX stellt die Stereotype auf die Probe.

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These 1: Vettel macht zu viele Fehler

Das stimmt im Gegensatz zur Saison 2009, als Vettel rund ein halbes Dutzend eigene Fehler nachzuweisen waren, nur noch bedingt. In dieser Saison muss man Vettel natürlich den verpennten Restart am Wochenende in Ungarn vorwerfen. Dazu kommt der Crash mit Mark Webber in der Türkei, an dem er mindestens genauso viel Schuld trägt wie sein Teamkollege.

Die übrigen Punktverluste haben neben schlechten Starts, die später noch thematisiert werden, hauptsächlich mit Pech oder Fehlern des Teams zu tun.

Beispiele: Ein gebrochener Auspuff in Bahrain kostete den Sieg. Eine lose Radmutter in Melbourne kostete den Sieg. Defekte Bremsen warfen ihn in Barcelona auf Platz drei zurück. In Silverstone schlitzte ihm Hamilton einen Hinterreifen auf. Allein diese vier Zwischenfälle haben Vettel im Titelkampf 56 Punkte gekostet.

Vettel macht nach wie vor Fehler, aber er ist in dieser Beziehung deutlich auf dem Weg der Besserung. Möglicherweise ist er auf einem ähnlichen Weg wie Lewis Hamilton, der ein Jahr mehr Formel-1-Erfahrung aufzuweisen hat. Er ist in den ersten Saisons auch einige Male übers Ziel hinausgeschossen. Mittlerweile hat er seine Fehlerquote aber extrem reduziert.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

These 2: Vettel gibt keine Fehler zu

Der Vorwurf ist brandaktuell. Nach dem Ungarn-GP sagte Ex-Weltmeister Niki Lauda bei RTL: "Wenn solche Fehler passieren, dann sollte man zu sich selbst oder in der Pressekonferenz sagen: 'Ich habe Mist gebaut'. Ende der Durchsage."

Das hat Vettel nicht getan. Er hat zwar letztlich eingeräumt, den Restart verpennt zu haben. Nebenher hat er aber immer wieder nach Entschuldigungen wie dem defekten Funk, der fehlenden Ansage des Teams oder dem merkwürdigen Verhalten Webbers hinter dem Safety-Car gesucht.

Das kam bei seinem Teamchef Christian Horner nicht gut an. Der stellte klar: "Die Fahrer kennen die Regeln. Da brauchte es keine Anweisung des Teams. Vielleicht hat er unseren Funkspruch am Ende der Safety-Car-Phase wirklich nicht hören können. Aber die Lichter am Safety-Car zeigen den Fahrern ja deutlich, dass es hereinkommen wird."

Zum guten Schluss kritisierte Vettel auch noch das Strafmaß im Vergleich zu Ferraris Teamorder in Hockenheim. Damals habe man nur einen Scheck ausgestellt, er bekomme stattdessen eine Durchfahrtsstrafe. Schon nach dem Crash mit Webber in der Türkei zeigte Vettel seinem Teamkollegen einen Vogel, obwohl er seinen eigenen Beitrag zu der Kollision geleistet hatte.

In solchen Situationen erinnert Vettel in seinen Reaktionen an Michael Schumacher. Der hat sich auch Zeit seiner Karriere extrem schwer getan, eigene Fehler zuzugeben. Es gibt andere Talente, die sich Vettel an Schumi zum Beispiel nehmen sollte, nicht dieses. Denn damit macht er sich in der Öffentlichkeit und bei seinen Kollegen unbeliebt.

These 3: Vettel kann nicht starten

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Vettel stand in dieser Saison siebenmal auf der Pole-Position. Gewonnen hat er von ganz vorne nur ein einziges Mal. Nicht immer waren schlechte Starts daran schuld, aber doch einige Male.

Im Regen von China verlor Vettel zwei Plätze an Webber und Alonso, wobei der Spanier einen Frühstart hinlegte. In Silverstone verlor Vettel den Start gegen Webber und in Hockenheim gingen beide Ferrari an ihm vorbei.

Das sieht nicht gut aus, ist aber zu erklären. Vettel nutzt wie alle anderen Fahrer am Start zwei Kupplungshebel. Einen hält er am Schleifpunkt, den anderen zieht er voll nach hinten. Wenn die Ampeln ausgehen, lässt er die voll gezogene Kupplung schnalzen. Was dann auf den ersten Metern passiert, mit welcher Drehzahl er also anfährt, sollte eigentlich die Elektronik regeln. Das hat sie in Silverstone und Hockenheim nicht richtig getan.

Also vordergründig nicht Vettels Fehler. Aber trotzdem fällt auf, dass ein Fahrer wie Michael Schumacher konstant bessere Starts hinlegt. Dessen Erklärung: "Da ist sehr viel Mensch dabei, weil es keine Automatik gibt. Man muss sensibel mit der Kupplung umgehen und das Gas selbst regulieren." Damit widerspricht er Vettels Elektronik-Erklärung und scherzt: "Wenn er eine Frage hat, kann er anrufen."

Darauf wird Vettel wohl verzichten. Denn bei Rennen wie denen in Bahrain, Australien, Valencia oder aktuell in Ungarn hat sein Start sehr gut funktioniert. Die These, dass Vettel generell Probleme damit hat, ist also nicht haltbar.

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