Raging Bulls gegen Bully-Boys

Von Alexander Mey
Zwischen Mark Webber, Lewis Hamilton und Sebastian Vettel (v.l.) wurde es in Silverstone eng
© Getty

Nach dem Großbritannien-GP in Silverstone spitzt sich der Titelkampf auf ein Duell zweier Teams zu. Red Bull gegen McLaren. Das heißt auch: Streitsüchtige gegen Gute-Laune-Truppe. Nur dass die Gute-Laune-Truppe nicht den roten Bullen auf dem Overall trägt. Bei Red Bull brennt es lichterloh, während man sich bei McLaren ins Fäustchen lacht.

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145 Punkte für Lewis Hamilton, 133 Punkte für Jenson Button, 128 Punkte für Mark Webber, 121 Punkte für Sebastian Vettel. Nach dem Großbritannien-GP in Silverstone spitzt sich der Titelkampf auf diese vier Fahrer zu. Die Pechsträhne von Fernando Alonso hat dazu geführt, dass sein Rückstand mit 47 Punkten schon riesig ist.

Zweimal Red Bull gegen zweimal McLaren - könnte man meinen. Aber nach den Eindrücken der letzten Rennen sieht es eher danach aus, als hätte das Red-Bull-Duo viel mehr mit sich selbst zu tun als mit den Gegnern Hamilton und Button.

Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM

Webber macht ein Fass auf

Es brennt lichterloh bei Red Bull. Vom einstigen Gute-Laune-Team ist nicht mehr viel übrig. Mark Webber fühlt sich ungerecht behandelt, und das spricht er nach seinem dritten Saisonsieg überdeutlich aus.

"Nicht schlecht für einen Nummer-zwei-Fahrer", stichelte er schon auf der Ehrenrunde via Boxenfunk gegen seinen Teamchef Christian Horner. Später legte er nach: "Ich hätte niemals einen Vertrag für nächstes Jahr unterschrieben, wenn ich gewusst hätte, dass dies die Art ist, wie sich die Dinge entwickeln."

Der Stachel des Qualifyings sitzt bei Webber immer noch tief. Er musste seinen verbesserten Frontflügel an Vettel abtreten, weil der in der WM-Wertung vorne lag. Eine diskutable Politik von Red Bull, die der Teamchef aber verteidigte: "Wir können den Frontflügel ja nicht in der Mitte durchschneiden. Wir geben wirklich unser Bestes, beide Fahrer gleich zu behandeln."

Heidfeld: "Da ist sehr viel Pfeffer drin"

Genau daran zweifeln einige Beobachter. "Da braucht man kein großer Psychologe zu sein, um zu sehen, was da gerade abgeht. Bei den letzten Rennen gab es schon Diskussionen und gestern die Aktion mit dem Frontflügel. Da ist sehr viel Pfeffer drin", sagte Mercedes-Testfahrer Nick Heidfeld im Gespräch mit Sky.

Schon beim Crash der beiden Teamkollegen in der Türkei deutete einiges auf eine Bevorzugung Vettels gegenüber Webber hin. Webber hatte angeblich den Funkspruch bekommen, Vettel passieren zu lassen. Er tat es nicht, es krachte.

"Sonst werden sie medial geschlachtet..."

Vielleicht nicht zum letzten Mal, denn Webber denkt überhaupt nicht daran, sich unterbuttern zu lassen. "Ich werde hier weiter alles geben, was ich kann. Mal sehen, wie es in Zukunft läuft", sagte Webber.

Heidfeld malt sich schon einmal die nächste prekäre Situation aus: "Nach der Kritik und dem Aufsehen, was es in den letzten Rennen gab, ist Red Bull verpflichtet, das nächste neue Teil Webber zu geben. Sonst werden sie medial geschlachtet."

Um eine weitere Wiederholung des teaminternen Hickhacks zu vermeiden, fordert Webber schon am Montag ein klärendes Gespräch mit den Verantwortlichen des Teams. Kaum anzunehmen allerdings, dass das Thema damit erledigt sein wird.

Vettel vs. Hamilton, Sutil vs. Vettel

Denn auch Vettel ist niemand, der zurücksteckt, wenn es hart auf hart geht. In Silverstone erwischte er erst einen schlechten Start, hatte dann einen Reifenschaden, weil ihn Lewis Hamilton leicht berührte, und arbeitete sich aus aussichtsloser Position mit großem Kampfgeist noch auf Rang sieben nach vorne. Unter anderem durch ein beinhartes Manöver gegen Adrian Sutil in der letzten Runde.

Vettel hatte das Messer zwischen den Zähnen und ließ es seine Gegner spüren. "Er hat mich angeschoben und ist dann vorbei gegangen. Hätte er es fair versucht, wäre er nicht vorbei gekommen", beschwerte sich Sutil über Vettel.

Der stichelte in der ersten Emotion nach dem Rennen seinerseits gegen Hamilton, der ihn schon in Valencia nach dem Start berührt hatte. "Jetzt hat er ja geschafft, was ihm in Valencia nicht gelungen ist", giftete Vettel. Zu den geretteten sechs WM-Punkten sagte er: "Wenn man gewinnen kann, ist ein siebter Platz kein Trost."

Egal ob bei Webber oder Vettel. Die Stimmung im Hause Red Bull ist gereizt und stellt damit das genaue Gegenteil zur Gute-Laune-Truppe anno 2010 dar - McLaren.

McLaren mausert sich zum Gute-Laune-Team

Die Metamorphose vom bierernsten engstirnigen Rennstall unter Ron Dennis hin zum Wohlfühlverein unter Martin Whitmarsh ist erstaunlich. Und eventuell der entscheidende Trumpf im Titelkampf.

"Es kommt immer mal wieder vor, dass sich ein Teamkollege gegenüber dem anderen benachteiligt fühlt. So etwas ist immer schädlich für das Team", sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. Er spricht aus Erfahrung, denn 2007 hatte er das Problem mit Lewis Hamilton und Fernando Alonso.

Heidfeld setzt auf Weltmeister Hamilton

Mit Jenson Button kommt Hamilton dagegen augenscheinlich ausgezeichnet klar. Vor dem Heimrennen in Silverstone tingelten beide in einem Bully durch England und verteilten Eintrittskarten für das Wochenende. Eine PR-Aktion, bei der beide einen riesigen Spaß hatten.

Den haben sie auch durch das schwierige Training und das zumindest für Button enttäuschende Qualifying nicht verloren. Im Rennen fuhren beide am oberen Limit und machten mit den Plätzen zwei und vier das Optimum aus ihrer Situation.

Ein Spiegelbild der Saison, denn während die Red-Bull-Piloten fast in jedem Rennen Punkte verschenken, holen Hamilton und Button oft das Maximum aus ihren Möglichkeiten heraus.

Schlägt gute Laune am Ende wirklich Zoff? Heidfeld glaubt daran: "Ich denke, dass Lewis über das Jahr gesehen in der WM die Nase vorne haben wird."

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