McLaren dominiert Reifenpoker gegen Red Bull

Von Alexander Mey
Lewis Hamilton (r.) und Jenson Button sind die Weltmeister der vergangenen beiden Jahre
© Getty

McLaren ist das Team der Stunde in der Formel 1. Lewis Hamilton und Jenson Button haben in einem turbulenten Kanada-GP den zweiten Doppelsieg in Folge gefeiert. Sebastian Vettel fiel im Reifenchaos zurück und wurde Vierter. Michael Schumacher belegte Rang elf.

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Lewis Hamilton ist neuer Spitzenreiter in der Fahrer-WM. Mit seinem zweiten Sieg in Folge hat der McLaren-Pilot seinen Teamkollegen Jenson Button überholt. Wie in der Türkei war auch in Kanada gegen das britische Duo kein Kraut gewachsen.

In einem von unzähligen Boxenstopps und stark abbauenden Reifen geprägten Rennen traf McLaren zu jedem Zeitpunkt die richtigen taktischen Entscheidungen. In Verbindung mit den gewohnt starken fahrerischen Leistungen von Hamilton und Button reichte es zum verdienten zweiten Doppelsieg in Serie.

Whitmarsh: "Haben die besten Fahrer der Welt"

"Das war ein unglaubliches Wochenende, es ist einfach alles klasse gelaufen. Vor allem das Team hat einen tollen Job gemacht", sagte Hamilton. Button ergänzte "Das war kein Rennen, in dem man in jeder Runde einfach nur Vollgas gibt. Man muss sich jede Aktion ganz genau überlegen."

Nüchterne Analyse von Button, der mit 106 WM-Punkten nun drei Zähler hinter Hamilton auf Platz zwei liegt. Sein Teamchef Martin Whitmarsh war da im SKY-Interview deutlich emotionaler: "Wir haben wirklich die beiden besten Fahrer der Welt und die leisten tolle Arbeit. Dieser Doppelsieg ist fantastisch."

Vettel wundert sich über Rennverlauf

Red Bull konnte den vermeintlichen Vorteil, mit den harten Reifen starten zu dürfen, nicht nutzen. Zwar lagen Vettel und der um fünf Startplätze nach hinten strafversetzte Mark Webber nach den frühen ersten Boxenstopps der Spitze in Führung, doch danach fielen beide wegen unglücklichen Timings der Reifenwechsel auf die Plätze vier und fünf hinter Fernando Alonso im Ferrari zurück. Zu allem Überfluss bremste Vettel ein kleines Getriebeproblem etwas ein.

"Es ist schon komisch, wenn man sich den Nippel abfährt, als Erster zum Boxenstopp kommt und bei der Ausfahrt plötzlich nur noch Vierter ist. Ich habe bis jetzt noch nicht verstanden, wie das passieren konnte", wunderte sich Vettel. "Als ich dann die Getriebeprobleme bekommen habe, ging es nur noch darum, das Auto zu retten."

Schumi schnell, aber im Pech

Ein rabenschwarzes Rennen erlebte Michael Schumacher. Nach sehr gutem Start und tollen ersten Runden lag er auf Platz drei, doch dann warf ihn eine leichte Kollision mit Robert Kubica weit zurück. Am Ende bauten auch noch die Reifen an seinem Mercedes so stark ab, dass er in der letzten Runde von beiden Force India überholt wurde und ohne Punkte blieb. Zudem wurde ein Duell zwischen ihm und Felipe Massa noch von den Rennkommissaren untersucht. Strafe gab es aber keine. Nico Rosberg rettete als Sechster die Mercedes-Ehre zumindest ein wenig.

"Ohne meinen zusätzlichen Reifenwechsel nach der Kollision mit Kubica wäre ich irgendwo in dessen Region angekommen. Aber nach diesem Notstopp habe ich immer im Verkehr festgesteckt und bin nicht vorbei gekommen. Wir waren heute insgesamt schneller unterwegs, weil wir über Nacht noch die Bremsscheiben gewechselt haben. Das hat einiges ausgemacht", sagte Schumacher.

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug resümierte: "Vom Speed her sah es am Anfang sehr gut aus. Der Notstopp hat Michael dann aber aus dem Rennen geworfen. Er musste fast das halbe Rennen auf den weichen Reifen fahren und war am Ende wehrlos. Nico ist immerhin noch Sechster geworden, nachdem er am Start hinter einem Unfall fest gehangen hat. Mehr war einfach nicht drin."

Die Schlüsselszenen des Rennens:

Vor dem Start: An Webbers Red Bull muss das Getriebe gewechselt werden, daher wird der WM-Leader auf Startplatz sieben strafversetzt. Vettel rückt dadurch auf Rang zwei nach vorne.

Start: Vorne geht alles glatt, Hamilton behauptet die Führung vor Vettel und Alonso. Im Mittelfeld kracht es mehrfach zwischen Massa und Liuzzi. Liuzzi dreht sich, beide müssen an die Box. Weiter hinten kommt Petrow auf die Wiese und zischt quer über die Piste. Dabei nimmt er de la Rosa mit. Schumacher kommt ausgezeichnet weg und ist nach den ersten Kurven schon Achter. Rosberg ist dafür bis auf Rang 13 zurückgefallen.

Runde 8: Hamilton und Alonso kommen schon in die Box, um die weichen Reifen loszuwerden, die schon extrem abgebaut haben. Bei der Ausfahrt wird es ganz eng. Beide nebeneinander, doch Alonso setzt sich knapp durch. Es führen nun Vettel und Webber. Schumacher ist hinter Kubica schon sagenhafter Vierter, nachdem er an Sutil vorbeigegangen ist.

Runde 12: Schumacher kommt auf Platz drei liegend an die Box. Bei der Ausfahrt liegt er genau neben Kubica, beide geraten aneinander und berühren sich leicht. Bei Schumi hat offenbar ein Reifen etwas abbekommen, denn er muss zum zweiten Mal zum Reifenwechsel. Dadurch fällt er weit zurück.

Runde 14: Vettel kommt zu seinem ersten Reifenwechsel. Er zockt und geht auf die weichen Pneus! Allerdings hat er auf der Strecke an Boden verloren und ist nur noch Vierter hinter Hamilton, Alonso und Button.

Runde 26: Früh kommen fast alle Spitzenpiloten zum zweiten Boxenstopp. Sie setzen alle auf Mehrstopprennen, weil auch die harten Reifen nicht lange genug halten. Nur Webber spart sich den zweiten Reifenwechsel und führt damit das Rennen an.

Runde 50: Webbers Reifen sind am Ende, er hat in den Runden zuvor viel Zeit auf Hamilton und Alonso verloren. Hamilton greift den Australier an, der sich nicht wehren kann und die Führung herschenken muss. Kurz danach kommt er zum überfälligen zweiten Stopp an die Box - nur noch Platz fünf.

Runde 56: Button geht im Kampf um Platz zwei an Alonso vorbei, weil der Ferrari-Pilot bei Überrundungen aufgehalten wird. Alonso verliert Schwung, Button setzt sich daneben, das war's.

Ziel: Hamilton und Button machen den zweiten McLaren-Doppelsieg in Folge perfekt. Ein cleveres Rennen von beiden, die damit gemeinsam an der Spitze der Fahrer-WM liegen. Schumacher verliert in der letzten Runde noch zwei Plätze gegen Liuzzi und Sutil, nur Platz elf!

Der Mann des Rennens:

Sebastien Buemi: Mal nicht Lewis Hamilton, der es aufgrund seines zweiten Sieges in Folge natürlich auch verdient hätte. Aber Buemi ist ein tolles Rennen gefahren. Dank des langen Herauszögerns des ersten Boxenstopps sammelte er sogar die ersten Führungskilometer seiner Formel-1-Karriere. Dazu noch sein starkes Überholmanöver gegen Ende gegen den großen Michael Schumacher. Platz acht und vier WM-Punkte zur Krönung. Was will man mehr?

Der Flop des Rennens:

Reifenstrategie von Red Bull: Der vermeintliche Vorteil, im Qualifying mit den harten Reifen gefahren zu sein, hat sich nicht bewahrheitet. Am Anfang lief noch alles optimal, aber mit freier Fahrt nach den Boxenstopps von Hamilton und Co. konnten Vettel und Webber keine Zeit gutmachen. Im Gegenteil, sie haben sogar an Boden verloren und sind nach ihren ersten Stopps zurückgefallen. Danach hat sich weder bei Vettel die Taktik, früh mit den weichen Reifen zu fahren, als sinnvoll erwiesen, noch die bei Webber, sehr lange mit dem zweiten Stopp zu warten. Am Ende waren beide Bullen gegen Hamilton, Button und Alonso chancenlos.

Die Szene des Rennens:

Runde 27, Kubica mit gefährlichem Manöver gegen Sutil: Das hätte verdammt noch mal ins Auge gehen können. Sutil setzt sich ausgangs der Haarnadel außen neben Kubica, beide sind gleichauf. Kubica lässt sich in Sutils Windschatten zurückfallen, schert dann aber noch einmal nach innen aus. Ohne zu bremsen kreuzt er Sutils Fahrspur und schießt in die Boxengasse. Sutil hat großes Glück, dass er beim einlenken in die Schikane nicht voll in Kubica hineinrauscht. Ein viel zu riskantes Manöver von Kubica, für das Kubica zurecht von der Rennleitung verwarnt wurde.

Die Lehren des Rennens:

Ein hoch spannendes Rennen mit einigen Angriffen und Überholmanövern. Aber vor allem ein taktischer Leckerbissen, dank der unterschiedlichen Reifenstrategien. Für den Zuschauer ist es eine Wohltat, wenn die Reifen nicht ein halbes Rennen lang halten und die Teams somit zu mehr Stopps zwingen. Vielleicht eine Inspiration für Bridgestone, in Zukunft tendenziell immer die weichsten Reifen zu nehmen.

McLaren ist seiner Favoritenrolle auf dem Stop-and-Go-Kurs gerecht geworden und mausert sich zum Top-Favoriten auf den WM-Titel. Nicht unbedingt wegen des reinen Speeds, sondern wegen der Erkenntnis, dass das Team in Sachen Strategie der Konkurrenz überlegen ist. Beeindruckend, wie clever McLaren im Reifenchaos den Überblick behalten hat.

Genau da liegt es bei Red Bull im Argen. Es war nicht das erste Mal, dass das Team von Vettel bei taktisch schwierigen Rennen mit der Strategie daneben gelegen hat. Vielleicht macht sich in solchen Grands Prix die noch nicht allzu große Erfahrung beim jungen Team bemerkbar.

Bei Mercedes bleibt die Erkenntnis, dass mal wieder die Hoffnung auf den Anschluss an die Spitze vergebens war. Langsam aber sicher kann man die Saison abhaken. Bitter für Schumacher, dass er sich von der Spitze überrunden und von Sebastien Buemi und beiden Force India auf der Strecke überholen lassen musste.

LIVE-TICKER: Das Rennen in Kanada zum Nachlesen