Hat McLaren Red Bull schon überholt?

Von Alexander Mey
Lewis Hamilton gewann in Kanada sein zweites Rennen in dieser Saison
© xpb

Nach den Kanada-GP ist McLaren genau da, wo der große Bruder Mercedes gerne wäre - an der Spitze beider WM-Wertungen. Dennoch gibt es noch keinen Neid. Ist McLaren mittlerweile sogar schon besser als Red Bull?

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Norbert Haug ist ein fairer Sportsmann. War er schon immer. Ganz besonders, wenn es um das Team geht, mit dem er 15 Jahre lang zusammen gearbeitet hat und für das sein Mercedes-Konzern immer noch die Motoren liefert.

Kein Wunder also, dass er sich über den zweiten McLaren-Doppelsieg in Folge und den zweiten Triumph von Lewis Hamilton in Serie ehrlich freute. "Lewis gehört immer noch zu unserer Familie. Und wenn wir nicht gewinnen können, dann ist mir der liebste Sieg, wenn McLaren-Mercedes gewinnt", sagte Haug im SKY-Interview.

"Falscher" Mercedes kämpft um den Titel

Während sich Mercedes mit einem guten Start von Michael Schumacher und guten Rundenzeiten gegen Ende von Nico Rosberg trösten musste und den WM-Kampf für die Saison 2010 so langsam aber sicher abschreibt, ist McLaren ganz oben.

Ausgerechnet das Team, dem Mercedes vor dieser Saison die Werksunterstützung entzogen hatte, um mit Ross Brawn unter eigenem Label Weltmeister zu werden, fährt nun schon seit zwei Rennen der Konkurrenz davon.

Red Bull erstmals nicht am schnellsten

In Kanada sogar Red Bull, dem Team von Sebastian Vettel, das die WM nur deshalb nicht souverän anführt, weil es sich in den ersten sieben Rennen immer wieder selbst Knüppel zwischen die Beine geworfen hat.

In der Türkei haben Lewis Hamilton und Jenson Button noch vom Crash zwischen Vettel und Mark Webber profitiert. Diesmal wurde der Doppelsieg aus eigener Kraft verdient. McLaren war auf dem Kurs in Montreal am schnellsten. Zum ersten Mal in dieser Saison war es nicht Red Bull.

"Wir haben wirklich die beiden besten Fahrer der Welt und die leisten tolle Arbeit. Dieser Doppelsieg ist fantastisch. Wer vor ein paar Wochen noch gedacht hat, dass uns die WM durch die Finger rinnt - der lag absolut falsch", jubelte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh.

Beweise gefällig? In der Fahrer-WM führt nach dem achten Rennen Hamilton mit 109 Punkten vor Button mit 106. Bei den Herstellern liegt McLaren (215 Punkte) mit 22 Punkten Vorsprung vor Red Bull.

Hamilton: "Red Bull hat noch einen Vorteil"

Aber was sagt das wirklich aus? Schließlich ändert sich wegen der neuen Punktevergabe das Bild in der WM nach jedem Rennen komplett. Ist McLaren wirklich schon an Red Bull vorbeigezogen?

Nein, die Bullen haben immer noch einen Vorteil, auch wenn der bei weitem nicht mehr so groß ist wie noch vor einigen Wochen. Das gibt sogar Doppelsieger Hamilton zu: "Auf anderen Kursen als dem in Montreal, auf denen mehr Abtrieb gefragt ist, hat Red Bull vielleicht noch einen Vorteil." Aber: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir auch diese Lücke noch schließen werden."

Red Bull mit Schadensbegrenzung nicht unzufrieden

In der Tat war der Stop-and-Go-Kurs in Kanada das perfekte Terrain für den McLaren, der dank des F-Schacht-Systems von seinem enormen Topspeed lebt. Gerade im Vergleich zum Red Bull, der auf den Geraden eines der langsamsten Autos im ganzen Feld ist.

"Wir wussten, dass das eine Strecke ist, die den McLaren entgegenkommt", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Von daher sollten wir über die Plätze vier und fünf nicht enttäuscht sein. Das sind wichtige Punkte in der Meisterschaft für uns."

McLaren mit goldenem Taktik-Händchen

Red Bull hatte in Kanada alles versucht, um vielleicht doch vor McLaren zu landen, aber auch die Strategie, das Qualifying mit den harten Reifen zu fahren und somit in den ersten Runden des Rennens einen Vorteil zu haben, führte nicht zum gewünschten Ergebnis. "Uns ist es zwar gelungen, beide Autos auf die Plätze eins und zwei zu bringen, aber wir hatten einfach nicht genug Speed, um einen ausreichend großen Vorsprung herauszufahren", erklärte Horner.

McLaren bestach dagegen wieder einmal durch das Talent, in taktisch schwierigen Rennen genau die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wann immer es regnet, ein Safety-Car auf die Strecke kommt oder sonst etwas Unvorhergesehenes passiert, hat McLaren in dieser Saison bei mindestens einem Fahrer ein goldenes Händchen. Genau das fehlt Red Bull oft.

Valencia noch, dann kommen Red-Bull-Strecken

Und wie wird es beim nächsten Rennen in Valencia laufen? Nun ja, schnelle Kurven gibt es auch dort wenige. Der Kurs erinnert in seinem Charakter sogar entfernt an Montreal. Dort sollte also McLaren noch einmal gute Karten gegen Red Bull haben. "Aber dann kommen wieder unsere Strecken, Silverstone und Hockenheim zum Beispiel", sagte Horner.

Es steht also ein ständiges Auf und Ab im Titelkampf bevor, der schon vor der Halbzeit der Saison immer mehr in den Mittelpunkt rückt.

Auch bei McLaren - und deren Standpunkt ist klar: "Ich kann ganz sicher sagen, dass jeder einzelne Mitarbeiter bei McLaren so hart wie möglich arbeiten wird, damit wir den ersten Platz in Fahrer- und Konstrukteurs-WM bis zum letzten Rennen in Abu Dhabi nicht mehr hergeben", sagte Whitmarsh.

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