Sutil: "Dann wäre Schumi Gott gewesen"

Von Interview: Alexander Mey
Adrian Sutil sitzt seit 2008 in einem Force-India-Boliden
© Getty

Seit 2007 fährt Adrian Sutil in der Formel 1 und will endlich ganz vorne mitmischen. Mit dem Force-India-Team stehen die Chancen nicht schlecht, liegt Sutil nach vier Rennen doch auf einem neunten Platz in der Fahrerwertung. Bei SPOX spricht er über seine Prognosen für Barcelona, die eigenen Ambitionen im Kampf gegen die Großen der Zunft und über Michael Schumacher, der doch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut ist.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Schön, dass Sie es trotz Aschewolke und Flugchaos zurück nach Europa geschafft haben!

Adrian Sutil: (lacht) Da hatte ich wirklich eine Menge Glück. Ich habe gleich am Dienstag nach dem Rennen einen Direktflug von Shanghai nach Zürich bekommen - also nur einen Tag verloren. Wenn ich mir dagegen die Geschichten von anderen anhöre...

SPOX: Welche denn zum Beispiel?

Sutil: Am wildesten ist wohl die von meinem Trainer. Er ist erst nach Dubai und von dort aus nach Jordanien geflogen. Später ging es wieder zurück nach Dubai und weiter nach Istanbul. Erst von dort aus ist er dann irgendwie nach Frankfurt gekommen. Er war drei, vier Tage unterwegs - unglaublich!

SPOX: Genug davon, kommen wir zu einem erfreulicheren Thema. Glückwunsch zum Cockpit in einem Top-Team!

Sutil: Vielen Dank! Das kann man absolut so formulieren. Wir wussten bei Force India schon im Winter, dass wir ein gutes Auto haben, brauchten aber erst einmal eine Bestätigung. Nach den ersten vier Rennen haben wir die nun, und es macht richtig Spaß, jetzt ganz vorne mitzumischen. Wir sind konstant in den Top Ten, das ist ein ganz anderes Gefühl als bei den vergangenen Saisonstarts.

SPOX: Im Moment kämpft Force India mit Renault um Platz fünf in der Teamwertung. Ist in Zukunft sogar der Angriff auf Mercedes drin?

Sutil: Sie waren in den ersten Rennen in der Tat nicht sehr weit weg, sind aber trotzdem noch ein Stück vor uns. Wir müssen uns an Renault orientieren, die sind in Schlagdistanz.

SPOX: Also doch kein richtiges Top-Team.

Sutil: Es ist sehr schwierig, die vier Teams da vorne einzuholen, weil deren Ressourcen einfach sehr groß sind. Wir sind ein kleines Team. Wenn wir einen von denen einholen würden, würde bei denen etwas ganz falsch laufen. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo man sich nicht mehr so leicht verbessern kann. Große Sprünge kann man machen, wenn man ganz hinten ist. Aber im Mittelfeld ist das viel schwieriger.

SPOX: Trotzdem sind die Fortschritte erstaunlich, wenn man bedenkt, dass vor der Saison schon über die mögliche Pleite des Teams spekuliert wurde.

Sutil: Ich kann verstehen, dass die Leute diesen Eindruck hatten. Aber das ist in der Presse falsch dargestellt worden. Wir hatten noch eine Frist von zwei Wochen, um unsere Finanzen vor der Saison in Ordnung zu bringen, und trotzdem wurden wir schon aus der Formel 1 raus geschrieben. Manchmal muss man solche Sachen auf den letzten Drücker regeln, weil es nicht anders geht. Ich war während dieser Zeit relativ entspannt.

SPOX: In wenigen Tagen ist es erst einmal wieder vorbei mit der Entspannung. Wie lautet die Prognose für den Europa-Auftakt in Barcelona? Wird sich an der Hackordnung viel ändern?

Sutil: Ich gehe nicht davon aus, dass sich das Kräfteverhältnis wesentlich verändern wird. Ich glaube, Red Bull wird auch in Barcelona sehr stark sein. Das ist eine absolute Aerodynamik-Strecke, und das Auto von Red Bull ist fast schon ein Aerodynamik-Wunder. Dahinter werden Ferrari und McLaren die härtesten Verfolger sein.

SPOX: Und Mercedes? Glaubt man dem Hype in einigen Medien, dann stehen die Silberpfeile nahezu vor einem Quantensprung.

Sutil: Es würde mich sehr wundern, wenn Mercedes plötzlich in Barcelona gewinnen würde. Dann würde ich einige Dinge in der Formel-1-Welt nicht mehr verstehen. Ganz ausschließen kann ich es aber natürlich auch nicht.

SPOX: In Shanghai hatten Sie einen sehenswerten Zweikampf mit Michael Schumacher. Ein besonderer Moment für einen jungen deutschen Rennfahrer, oder?

Sutil: Im Nachhinein denkt man schon einmal darüber nach, dass man gerade gegen den siebenmaligen Weltmeister gefahren ist. Man wird ja auch von der Presse ständig darauf hingewiesen. Er hat in meiner Anfangszeit im Kart für mich in der Tat eine große Rolle gespielt und ist heute noch ein kleines Vorbild. Im Rennen macht es aber keinen Unterschied, wer da in dem Auto sitzt, gegen das man gerade kämpft.

SPOX: Gibt es die klassische Frage von Freunden oder Verwandten: Wie war es gegen Schumi?

Sutil: Solche Kommentare kommen ständig, aber ich kann nur immer das gleiche darauf antworten. Er ist auch nur ein Mensch. Generell freue ich mich, dass ich gegen Fahrer wie ihn kämpfen kann, weil es zeigt, dass ich selbst vorne dabei bin.

SPOX: Haben Sie mehr von Schumachers Comeback erwartet?

Sutil: Nein. Ich habe schon geahnt, dass es für ihn schwierig werden wird. Die Formel 1 ist gerade in den letzten Jahren so eng zusammengerückt, dass man ganz schnell eine halbe Sekunde verlieren kann, ohne genau zu wissen, warum. In Bereichen wie Reifen oder Set-Up der Autos bewegen wir uns extrem am Limit. Da wäre es sehr komisch gewesen, wenn Schumacher nach drei Jahren sofort allen um die Ohren fährt. Dann wäre er wirklich der Gott der Formel 1 gewesen. Aber so war es nicht. Das heißt aber nicht, dass es schlecht ist, was er macht. Im Gegenteil: Er macht seine Sache gut, ist konstant in den Top Ten dabei. Das ist alles im Rahmen. Er braucht nur Zeit.

SPOX: Wird er im Laufe der Saison noch zu seinem Teamkollegen Nico Rosberg aufschließen?

Sutil: Ich glaube schon, dass er sehr nah ran kommen wird. Auf manchen Strecken kann er ihn vielleicht auch schlagen. Aber Nico ist sehr stark und vor allem auf die moderne Formel 1 sehr gut eingestellt.

SPOX: Der Rummel um Schumacher überstrahlt in Deutschland vieles. Wie sieht es mit dem Rummel um Adrian Sutil aus?

Sutil: Ich merke, dass ich in der Öffentlichkeit mehr stattfinde als noch vor ein, zwei Jahren. Die Leute sehen viel mehr von mir und von Force India, weil wir vorne dabei sind. Das ist ganz wichtig und freut mich sehr.

SPOX: Wie konnte aus den Hinterbänklern Spyker/Sutil in wenigen Jahren ein ambitioniertes Mittelklasse-Team Force India/Sutil werden?

Sutil: Es ist ein großer Vorteil, dass ich schon so lange in diesem Team bin. Wir haben uns im Laufe der Jahre immer besser aufeinander abgestimmt. Ich als Fahrer kann den Leuten im Team vertrauen, dass sie das Auto auf meine Bedürfnisse zuschneiden. Das ist ein Prozess, der nicht von einem Jahr auf das andere funktioniert. Daher bin ich im Nachhinein froh, dass ich den Vertrag bei Force India verlängert habe. Nach vier Jahren habe ich großen Einfluss im Team. Im ersten Jahr bei Spyker hat noch gar nichts gepasst. Heute fühle mich sehr wohl.

SPOX: Wo haben Sie sich als Fahrer am meisten verbessert?

Sutil: Ich glaube, meine Konstanz hat sich deutlich verbessert. 2009 wurde ich ins kalte Wasser geworfen, als ich plötzlich ein Auto hatte, mit dem ich an der Spitze mitfahren konnte. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, auf einmal eine Chance auf einen Podestplatz zu haben. Ich habe mir oft zu viel Druck gemacht und zu viel gewollt. Die Folge waren dumme Fehler. Das ist ein Lernprozess, und ich habe aus meinen Fehlern gelernt. Ich bin als Fahrer sehr gereift. Wobei mir übrigens auch die Tatsache geholfen hat, in einem schwachen Team angefangen zu haben. Wenn man einmal gelernt hat, in einem schlecht abgestimmten Auto seine Leistung zu bringen, dann tut man sich mit einem besseren Auto umso leichter.

Red-Bull-Teamchef schreibt Schumi nicht ab