Reifen-Farce rettet Katastrophen-Saison

Von Alexander Mey
Die Ferrari-Fans waren nach dem USA-GP 2005 außer sich. Sie verstanden den Reifenskandal nicht
© Getty

16 Jahre lang fuhr Michael Schumacher in der Formel 1, bevor er 2006 seine Karriere beendete. Bis jetzt: Denn am 14. März wird Schumi wieder in der Startaufstellung stehen - 19 Jahre nach seinem Debüt. SPOX zählt die Tage bis zum Comeback und erinnert im Countdown an die bisherigen 16 WM-Jahre des Michael Schumacher. Teil 15: 2005.

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Team: Ferrari

WM-Platzierung: 3

WM-Punkte: 62

Die Ära ist zu Ende. Fünf Jahre lang eilte Michael Schumacher von WM-Titel zu WM-Titel, von Sieg zu Sieg. Seit dem ersten Titelgewinn mit Ferrari 2000 hatte er 39 Rennen gewonnen - und von heute auf morgen ging gar nichts mehr.

2005 wurde zur schlechtesten Ferrari-Saison von Schumacher seit dem Debüt 1996. Die ersten Rennen im Vorjahres-Modell verliefen desaströs, mit dem neuen F2005 wurde es kaum besser. Nur punktuell konnten Schumi und Ferrari überzeugen, meistens landeten sie im geschlagenen Mittelfeld.

"In der Vorbereitung saßen wir alle einem Trugschluss auf. Als wir in den Wintertests nicht so schnell wie erwartet waren, dachten wir alle: Ist ja klar, durch die neuen Regeln sind die Autos sowieso generell langsamer, damit müssen wir uns abfinden, das geht ja allen so", erinnert sich Schumacher in seiner Biographie. "Falsch gedacht."

Schlechtes Auto, schlechte Reifen

Ferrari tappte gleich in mehrere Fallen. Zum einen erwies sich die Tatsache, dass das neue Auto nicht mehr von Rory Byrne sondern dessen Nachfolger Aldo Costa konstruiert wurde, als fatal. Aerodynamisch konnte der F2005 mit den Spitzenteams von Renault, McLaren und Williams nicht mithalten.

Zum anderen war die Reifensituation desolat. 2005 mussten die Pneus das Qualifying und das gesamte Rennen halten, Reifenwechsel waren verboten. Verheerend für Ferrari, denn die Bridgestone-Pneus bauten im Rennverlauf viel zu sehr ab. Zudem kamen sie im Qualifying nicht auf Temperatur. Folglich hatten die Michelin-Teams, darunter alle Top-Rennställe, in den meisten Rennen von vornherein einen Vorteil.

Tolles Duell mit Alonso in Imola

Entsprechend selten gab es Highlights in der Saison des Michael Schumacher. Eins davon war das Rennen in Imola.

Schumacher startete wie so oft in dieser Saison von relativ weit hinten. Als 13. ging er ins Rennen. Wegen der harten Bremspunkte in Imola brachte er aber ausnahmsweise die Reifen schnell auf Temperatur und konnte so schnell durchs Feld pflügen. Erst nach hartem Kampf an Jenson Button vorbei, dann hing er im Heck des Führenden Fernando Alonso.

Rundenlang machte Schumacher enorm viel Druck, lauerte auf den kleinsten Fehler des jungen Spaniers. Doch der tat ihm den Gefallen nicht. Alonso hielt Schumacher nach allen Regeln der Kunst in Schach und gewann das Rennen. Trotzdem sagte Schumacher später: "Es hat viel Spaß gemacht. Imola war das Highlight einer seltsamen Saison."

Die Reifen-Farce von Indianapolis

Ganz besonders seltsam war der USA-GP in Indianapolis. Schumacher gewann vor Rubens Barrichello, ein Ferrari-Doppelsieg. Trotzdem buhten und pfiffen die Fans die Sieger aus, ähnlich wie 2002 nach der Stallorder in Österreich. Nur dass Ferrari diesmal an der Farce völlig unschuldig war.

Michelin hatte einen Reifen nach Indy mitgebracht, der den besonderen Belastungen in der Steilkurve nicht standgehalten hat. Michaels Bruder Ralf Schumacher war im Training nach einem Reifenplatzer mit hohem Tempo in die Mauer gekracht und nur mit jeder Menge Glück glimpflich davongekommen.

Ferrari-Doppelsieg ohn Wert

Michelin riet daraufhin seinen Kundenteams davon ab, am Rennen teilzunehmen. Um die Situation noch zu retten, wollte die FIA eine Schikane vor der Steilkurve einbauen, um die Geschwindigkeit zu reduzieren. Darauf ließen sich die Bridgestone-Teams um Ferrari aber nicht ein, da sie ja nichts falsch gemacht hatten.

Folge: Alle Michelin-Autos bogen am Sonntag nach der Einführungsrunde in die Boxengasse ab und gaben auf. Am Start standen sechs Autos. Beide Ferraris, beide Jordan und beide Minardis. Kein Wunder, dass aus dieser Konstellation ein Ferrari-Doppelsieg wurde. Aber keiner, auf den irgendjemand stolz gewesen wäre.

Fast die einzige sieglose Saison

Aber in den Statistiken steht der USA-GP 2005 als einziger Schumacher-Sieg der Saison zu Buche. Zum Glück, denn sonst wäre es die einzige komplette Saison des Michael Schumacher geworden, in der er kein einziges Rennen gewonnen hat.

Nachdem im Laufe des Jahres unzählige Testfahrten nur in die falsche Richtung geführt und die Situation nur schlimmer gemacht hatten, beschloss Ferrari schon fünf Rennen vor Schluss, die Entwicklung voll auf das 2006er Auto zu konzentrieren.

Schumacher: Nicht das schwerste Farrari-Jahr

"Phasenweise war es frustrierend", analysiert Schumacher in seiner Biographie. "Auf eine gewisse Weise ist es wahr, dass dies die härteste Saison war, seit ich zu Ferrari gestoßen bin. Aber das stimmt nur, wenn man rein auf die Ergebnisse schaut - und das mache ich nicht. Klar habe ich weniger Rennen gewonnen als in jeder anderen meiner Ferrari-Saisons, aber wir hatten wirklich viel härtere Jahre - jene bevor ich zum ersten Mal die WM mit Ferrari gewonnen habe. Sie mögen aus Statistiksicht viel erfolgreicher gewesen sein, aber sie waren psychisch viel anstrengender."

Mit der Gelassenheit des Alters absolvierte Schumacher auch seine letzte Saison vor dem vorläufigen Rücktritt. Mehr dazu im letzten Teil unserer Serie: 2006.

Teil 14: 2004 - Tunnel-Debakel und Vierstopp-Wahnsinn

Teil 13: 2003 - Das chaotischste aller Finals

Teil 12: 2002 -  "Let Michael pass.."

Teil 11: 2001 - Stallorder und Flugstunden

Teil 10: 2000 - WM-Saufgelage in der Karaoke-Bar

Teil 9: 1999 - Schumi-Crash in Silverstone kostet den Titel

Teil 8: 1998 -  "Willst du mich umbringen?"

Teil 7: 1997 - Schumachers schwärzeste Stunde

Teil 6: 1996 - Bloß raus aus der roten Gurke!

Teil 5: 1995 - Vom Intimfeind abgeschossen

Teil 4: 1994 - Ein Jahr Hölle mit Happy End

Teil 3: 1993 - Von Senna vorgeführt

Teil 2: 1992 - Beinahe-Schlägerei mit Senna

Teil 1: 1991 - Das Debüt-Jahr