WM-Saufgelage in der Karaoke-Bar

Von Alexander Mey
Michael Schumacher in Suzuka auf den Händen von Ferrari-Teamchef Jean Todt
© Getty

16 Jahre lang fuhr Michael Schumacher in der Formel 1, bevor er 2006 seine Karriere beendete. Bis jetzt: Denn am 14. März wird Schumi wieder in der Startaufstellung stehen - 19 Jahre nach seinem Debüt. SPOX zählt die Tage bis zum Comeback und erinnert im Countdown an die bisherigen 16 WM-Jahre des Michael Schumacher. Teil 10: 2000.

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Team: Ferrari

WM-Platzierung: Weltmeister

WM-Punkte: 108

8. Oktober, 15.40 Uhr: "Es sieht gut aus." "Es sieht gut aus!" "Es sieht verdammt gut aus!!!"

Drei Funksprüche, die das Leben von Michael Schumacher verändert haben. Zweiter Boxenstopp im Japan-GP, vorletztes Saisonrennen. Schumacher kommt nach Mika Häkkinen zum Tanken. Häkkinen lag bis zu seinem Stopp an der Spitze, jetzt muss alles glatt gehen.

"Ich dachte, mein Herz hüpft in die Höhe"

Es geht alles glatt. Schumacher wird von der Ferrari-Box losgelassen und rollt unsäglich langsam bei Tempolimit durch die Boxengasse. Häkkinen kommt durch die letzte Schikane, die Ferrari-Crew blickt gebannt auf den Abstand zwischen ihm und Schumacher.

Dann die Funksprüche von Technikchef Ross Brawn. Es hat geklappt. 13 Runden vor Schluss übernimmt Schumacher die Führung. "Ich dachte, mein Herz hüpft in die Höhe! Es war, als hätte es einen Schlag ausgesetzt. Ich dachte nämlich nicht, dass es reichen könnte nach diesem zweiten Boxenstopp, der ja meine letzte Chance war", erinnert sich Schumacher in seiner Biographie.

Danach hält Schumacher seinen großen Rivalen bis zum Ziel hinter sich. Es ist ein hochklassiges Rennen, Schumacher und Häkkinen drehen eine Qualifying-Runde nach der nächsten und fahren fast identische Rundenzeiten. "Das war mit Sicherheit eines der besten Rennen, die ich je gefahren bin, wenn nicht das beste", sagt Schumi heute.

"Schönster WM-Triumph mit Ferrari"

Um 16.03 Uhr die Zieldurchfahrt, Schumacher gewinnt in Suzuka vor Häkkinen - und ist damit zum ersten Mal Weltmeister im Ferrari.

Der Rest ist Ausflippen: "Es war ein wahrer Vulkanausbruch an Emotionen. Was da abging, ist einfach unbeschreiblich. So etwas kann man nicht in Worte fassen. Ich war so unendlich glücklich! Ich wusste gar nicht, was ich mit diesem Glück anfangen sollte, ich fühlte mich plötzlich fast eingesperrt in diesem Auto, meinem Ferrari. Das ist irgendwie so, als würdest du gleich platzen. Es war einfach eine solche Erlösung! Eine solche Erleichterung!"

Nach vier vergeblichen Anläufen, der Häme 1996, den Anfeindungen 1997, der vergebenen Chance 1998 und dem Beinbruch 1999 hat Schumi endlich seine Mission erfüllt. Weltmeister in einem Ferrari, als erster Fahrer seit Jody Scheckter 1979. "Diesen Titel wollte ich unbedingt haben", sagt Schumacher. "Rückblickend war das mein schönster WM-Triumph mit Ferrari."

Zwei Tage Kater nach WM-Party

Klar, dass die folgende Party alle Dimensionen sprengte. Standesgemäß ging es wie immer in Suzuka in die Karaoke-Bar. Nachdem im Fahrerlager schon Schampus und Wein in Strömen geflossen waren, ging es in der Bar nahtlos weiter. "Als wir so gegen fünf Uhr am Morgen gegangen sind, war ich schon sehr froh, dass Corinna bei mir war", berichtet Schumacher über seinen Schlag. "So lange habe ich noch nie gelitten nach einem Fest - im Urlaub in Thailand brauchte ich fast zwei Tage, um die Nachwehen zu verdauen."

Als großer Partylöwe war Schumacher in den Jahren zuvor nie in Erscheindung getreten. Aber der Anlass war schließlich auch entsprechend.

Zur Saisonhalbzeit schon fast durch

Am 9. Februar hatte Schumacher zum ersten Mal im neuen Auto, dem F1 2000, gesessen. Und es fühlte sich vom ersten Meter an gut an. "Witzigerweise war es wie 1994, vor meinem ersten Titel mit Benetton", erzählt Schumacher. "Die ersten Testfahrten zeigten uns, dass wir ein Spitzenauto hatten. Wir fuhren Zeiten, die wir selbst nicht glauben konnten."

Im Qualifying zum ersten Rennen stand Schumacher dann trotzdem wieder hinter den Silberpfeilen. Allerdings nur ein klitzekleiner Dämpfer, denn in den Rennen lief es überragend. Drei Siege zum Auftakt, eine perfekte Punkteausbeute.

Abgesehen von einem ärgerlichen Ausfall in Monaco, als Schumacher den Sieg schon vor Augen hatte, ging bis zur Saisonhälfte alles glatt. 24 Punkte Vorsprung auf Häkkinen.

Drei Ausfälle kosten WM-Führung

Doch dann kamen Frankreich, Österreich und Hockenheim. Drei Rennen, drei Ausfälle. Der erste in Magny-Cours wegen technischen Defekts war ja noch zu verkraften. Doch dann wurde Schumacher sowohl in Spielberg als auch in Hockenheim direkt nach dem Start aus dem Rennen gekegelt - bitter.

Ausgerechnet in dieser Zeit lief Häkkinen zu absoluter Hochform auf, holte in fünf Rennen 42 von 50 möglichen Punkten. Damit war Schumachers komfortable WM-Führung futsch. "Da wurde es noch einmal richtig eng", erinnert sich Schumacher. "Aber dann kam Monza, die erste Erlösung."

Legendäres Überholmanöver von Häkkinen in Spa

Es war ein höchst emotionales Wochenende. Kurz zuvor hatte Häkkinen Schumacher ausgerechnet in dessen Wohnzimmer in Spa vorgeführt. Und zwar mit einem der legendärsten Überholmanöver der Formel-1-Geschichte.

Schumacher lag auf der langen Geraden nach Eau Rouge vor Häkkinen, beide liefen auf den zu überrundenden Ricardo Zonta auf. Schumacher zog links vorbei, Häkkinen nutzte den doppelten Windschatten und scherte nach rechts aus. Der Finne hatte die Innenbahn, bremste spät genug und war vorbei. "Das war nicht von schlechten Eltern", sagte Schumacher danach konsterniert.

Schumi weint nach Sieg in Monza

In Monza gelang es Schumacher, vor den Augen der Ferraristi diese Rechnung zu begleichen. Er gewann das Rennen von der Pole-Position aus, Häkkinen wurde Zweiter.

In der Pressekonferenz erlebte die Welt dann einen Schumacher, den sie noch nicht kannte. Angesichts der Tatsache, dass er die Marke von 41 Siegen von Ayrton Senna eingestellt hatte, brach er in Tränen aus. Ein Gefühlsausbruch, der ihn im Nachhinein ein ganzes Stück tiefer in die Herzen der Italiener hereinbrachte.

Beginn der Ferrari-Ära

Tränen hin oder her, Monza war die entscheidende Wende in der Saison. Danach war Schumacher nicht mehr zu schlagen. Vor der Triumphfahrt in Suzuka gewann er noch in Indianapolis, und auch das Saisonfinale in Malaysia ließ er sich nicht nehmen.

Mit vier Siegen und dem lang ersehnten WM-Titel im Gepäck machte sich Schumacher auf den Weg in eine rote Ära. Die findet im nächsten Teil der Serie ihre Fortsetzung - 2001.

Teil 9: 1999 - Schumi-Crash in Silverstone kostet den Titel

Teil 8: 1998 -  "Willst du mich umbringen?"

Teil 7: 1997 - Schumachers schwärzeste Stunde

Teil 6: 1996 - Bloß raus aus der roten Gurke!

Teil 5: 1995 - Vom Intimfeind abgeschossen

Teil 4: 1994 - Ein Jahr Hölle mit Happy End

Teil 3: 1993 - Von Senna vorgeführt

Teil 2: 1992 - Beinahe-Schlägerei mit Senna

Teil 1: 1991 - Das Debüt-Jahr