Der Rost des Rekord-Champs

Von Jan-Hendrik Böhmer
Michael Schumacher musste in Australien lange mit den Newcomer-Teams kämpfen
© Getty

Sechs deutsche Fahrer stehen in dieser Formel-1-Saison am Start, so viele wie noch nie. Michael Schumacher bekommt die meiste Aufmerksamkeit, aber den echten deutschen Fan interessieren auch die Leistungen aller anderen. SPOX blickt nach jedem Rennen durch die deutsche Brille und beurteilt die Leistungen des Sixpacks in der Einzelkritik.

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Und so funktioniert's: Mit Hilfe des GP-Rechners geben wir eine Prognose für jeweils vier Rennen ab. An dieser Prognose messen wir die Leistungen von Michael Schumacher, Nico Rosberg, Sebastian Vettel, Nico Hülkenberg, Adrian Sutil und Timo Glock.

Rennanalyse: Button siegt - erneutes Drama um Vettel

Wer ist im Soll, wer hat uns positiv, wer negativ überrascht? Dabei geht es weniger um die genaue Position im Ranking, es geht um die Tendenz, darum, ob die Fahrer bei der Erfüllung ihrer Saisonziele auf Kurs sind. Denn gegen technische Ausfälle oder sonstige Zwischenfälle ist kein Fahrer gefeit. Und klar ist, dass sich solche Unwägbarkeiten unmöglich voraussagen lassen.

Die Einzelkritik zum Australien-GP

Platz 1: Sebastian Vettel (Saisonziel: Weltmeister werden)

Prognose: Ausfall - keine WM-Punkte

Ergebnis: Ausfall - keine WM-Punkte

Manchmal wäre es uns lieber, unsere Prognosen würden nicht eintreffen. So wie hier. Doch in Australien ist leider genau das passiert, was zu befürchten war. Vettel fährt ein erstklassiges Wochenende, ist der klar beste Mann im Feld - und wird dann im Rennen von einer defekten Radmutter um die Früchte seiner Arbeit gebracht. Schon wieder.

Kein Wunder, dass er sauer war. "Das ist ärgerlich. Man kann natürlich nichts mehr daran ändern, aber es ist schon scheiße. Das geht mir auf die Eier", haderte er nach dem Ausfall. Verständlich. Schließlich könnte - oder besser müsste - der Red-Bull-Pilot nach zwei Rennen 50 Punkte auf dem Konto haben. Wegen technischer Defekte sind es: zwölf.

Sich selbst hat Vettel hingegen absolut nichts vorzuwerfen, er war in Australien erneut klar der Beste der sechs deutschen Fahrer. Dennoch hinkt er bei der Erfüllung seines WM-Ziels hinterher. Will er Weltmeister werden, muss er bei den nächsten Rennen auch ankommen.

Platz 2: Adrian Sutil (Saisonziel: Regelmäßig in die Punkte fahren, die Großen ärgern)

Prognose: Platz 8 - vier Punkte

Ergebnis: Ausfall - keine Punkte

Das war schon extrem stark, was Adrian Sutil da in Melbourne gezeigt hat. Im Qualifying wieder unter den besten Zehn, im Rennen dann sogar in Führung - bis ihn ein Defekt stoppte. "Es kann sein, dass wir sogar auf dem Podium gelandet wären", erklärte Sutil hinterher. "Es war alles möglich. Wir hatten große Chancen, das Auto war schnell."

Das war es. Auch wenn das Podium wohl eher Wunschdenken ist: ein Finish in den Punkten war mehr als nur möglich - es schien sicher. Denn mit den Mercedes und oft sogar den Ferrari konnte er mithalten. Das zeigt der siebte Platz von Teamkollege Vitantonio Liuzzi.

Fazit: Auch wenn Sutil bisher noch keine WM-Punkte auf dem Konto hat, ist er doch auf dem besten Weg, sein Saisonziel zu erreichen. Die Großen hat er auch beim zweiten Rennen geärgert - und das mit den Punkten, das wird schon noch klappen.

Platz 3: Nico Rosberg (Saisonziel: Rennen gewinnen, Schumacher schlagen)

Prognose: Platz 7 - 6 Punkte

Ergebnis: Platz 5 - 10 Punkte

Zu Beginn des Wochenendes lag Rosberg noch hinter Teamkollege Schumacher, entwickelte im Training das Auto in die falsche Richtung. Alles sah danach aus, als hätte Schumi die Nase vorn. Doch am Samstag konnte Rosberg die Abstimmung an seinem Boliden noch sehr gut retten, verschenkte aber mit einem Fahrfehler zwei Startplätze.

Im Rennen war er dann ein Beispiel für Konstanz. Mit Platz fünf hat er erneut das Optimum aus der Situation nach dem Start herausgeholt und fuhr mit frischen Reifen sogar die zweitschnellste Runde des Rennens. "Der fünfte Platz ist nach diesem turbulenten Rennen ein gutes Ergebnis", so Rosberg. Allerdings profitierte er dabei auch von der Kollision zwischen Hamilton und Webber und muss sich außerdem einen verbesserungswürdigen Start ankreiden lassen.

Mit einem fehlerlosen Qualifying und einem perfekten Start wäre mehr möglich gewesen - das zeigt nicht zuletzt Platz zwei von Robert Kubica, der sich nach einem Super-Start vor den Ferrari halten konnte. Dennoch: Rosberg war erneut schneller als Teamkollege Michael Schumacher. Dieses Ziel hat er nach Bahrain zum zweiten Mal erreicht.

Platz 4: Michael Schumacher (Saisonziel: Um den WM-Titel fahren)

Prognose: Platz 3 - 15 Punkte

Ergebnis: Platz 10 - 1 Punkt

Gut fing es an, das Australien-Wochenende des Michael Schumacher. Richtig gut. Im Training war er klar besser als Rosberg - der Altmeister schien den letzten Rost nach der langen Pause endgültig abgeschüttelt zu haben. Jedenfalls bis zum Qualifying. Denn ab da war er wieder langsamer als sein Teamkollege, wenn auch teilweise mit Pech.

Am Start dann die Kollision mit Alonso. "Das hätte heute für mich ein gutes Rennen werden können", so Schumacher. Doch dann wurde ich gleich nach dem Start von einem anderen Auto getroffen. Damit war mein Rennen praktisch gelaufen." Stimmt. Als Letzter nahm er das Rennen nach dem Zwangs-Stopp samt Frontflügel-Wechsel wieder auf - und hatte anschließend erhebliche Mühe, die unterlegenen Autos zu überholen.

Besonders dramatisch: Der direkte Vergleich mit Fernando Alonso. Während sich der Spanier nach dem Zwischenfall mit teilweise tollen Manövern durch das gesamte Feld pflügte, hing Schumi eine gefühlte Ewigkeit hinter Jaime Alguersuari im Toro Rosso fest. Es dauerte bis kurz vor Rennende, bis Schumacher seinen alten Kampfgeist wiederfand und sich binnen weniger Runden doch noch an Alguersuari und Pedro de la Rosa vorbeischob, um sich den letzten WM-Punkt zu sichern. Immerhin fuhr er dabei noch die viertschnellste Rennrunde. Seinem Saisonziel fährt der Altmeister dennoch weit hinterher.

Platz 5: Timo Glock (Saisonziel: Ins Ziel kommen, bestes der neuen Teams werden)

Prognose: keine Punkte

Ergebnis: Ausfall - keine Punkte

Was soll man zu Timo Glock sagen? Im Virgin hat er es nicht leicht. Sein Ziel für Australien lautete: ankommen. Und das hat nicht geklappt. Schon wieder nicht. Nach Bahrain war es bereits der zweite unverschuldete Ausfall - die Tücken eines Newcomer-Teams.

"Wenn dieser Aufhängungsschaden nicht passiert wäre, dann hätten wir bestimmt erstmals ins Ziel kommen können", erklärte Glock anschließend. "Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Aber wir müssen das Positive sehen und erkennen, dass es Fortschritte gibt. "

Und das positive heißt: Nachdem er im Qualifying beiden Lotus den Vortritt lassen musste, war Glock im Rennen bis zum Ausfall wieder schneller als die Newcomer-Konkurrenz und lieferte sich darüber hinaus über einige Runden ein tolles Duell mit Michael Schumacher.

Platz 6: Nico Hülkenberg (Saisonziel: Barrichello schlagen, regelmäßig Punkte holen)

Prognose: keine Punkte

Ergebnis: Ausfall - keine Punkte

Horror-Wochenende überlebt! Das ist die wichtigste Erkenntnis von Nico Hülkenberg nach dem heftigen Crash mit Kamui Kobayashi. "Plötzlich kam Kamui angeflogen, halb über mein Auto. Keine Ahnung, was da passiert ist", so der Deutsche trocken.

Doch auch ohne den unverschuldeten Unfall wäre es für Hülkenberg wohl ein enttäuschender Australien-GP geworden. In Quali und Rennen deutlich von Altmeister Barrichello gebügelt - und im Rennen dann bereits das Aus in der ersten Runde.

"Natürlich hätte ich das Rennen gerne zuende gefahren und die Kilometer mitgenommen", so Hülkenberg, "aber es sollte nicht sein." Die Bilanz jetzt: Zwei Rennen, null Punkte - und zweimal gegen den Teamkollegen ganz alt ausgesehen. Eine Steigerung ist bei ihm dringend nötig.

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