Darum kommt Michael Schumacher zurück

Von Alexander Mey
Michael Schumacher entschied sich nach über drei Jahren Pause zur Rückkehr in die Formel 1
© Imago

41 Jahre alt und bald wieder im F-1-Cockpit: Schumi kommt zurück - und er ist bei weitem kein Einzelfall. Was treibt viele Sportstars zum Comeback? Und warum sind Fußballer eine Ausnahme?

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Neuling mit 41 Jahren. Am 3. Januar feiert Michael Schumacher seinen 41. Geburtstag, zehn Wochen später wird er in Bahrain nach dreieinhalb Jahren Abstinenz wieder ein Formel-1- Rennen bestreiten.

Es war das größte Comeback der letzten Monate, aber bei weitem nicht das einzige. Warum kommen so viele erfolgreiche Sportler noch einmal zurück? Ein psychologisches Phänomen, dem SPOX gemeinsam mit Experten auf den Grund gegangen ist.

"Nur die Toten kommen nicht zurück", zitiert der Wirtschaftsjournalist und Publizist Jochen Mai einen französischen Moralisten. Er tut das in seinem Aufsatz: "Auf Wiedersehen - So inszenieren Sie ein perfektes Comeback."

Ein perfektes Comeback. Davon träumt Michael Schumacher, seitdem er im Herbst 2009 erfahren hat, dass Mercedes gemeinsam mit seinem alten Technikchef Ross Brawn ein Formel-1-Werksteam auf die Beine stellen wird.

"80 Prozent aller Sportler denken an ein Comeback"

Aber nicht nur er. Comeback - das ist wie ein Virus, das fast jeden ehemaligen Profi nach seinem Rücktritt zu befallen scheint. "Mindestens 80 Prozent aller Sportler denken an ein Comeback", sagt Psychologe und Mental-Coach Holger Fischer im Gespräch mit SPOX. "Dieses Virus wird immer da sein, auch wenn man nach gewisser Zeit vielleicht die Symptome nicht mehr spürt."

Bei Schumacher waren die Symptome immer da. Sei es im Kart, auf dem Motorrad oder alljährlich beim Race of Champions. "Michael Schumacher hat nach der aktiven Karriere niemals richtig losgelassen, sondern hat sich weiterhin in dem Umfeld getummelt", erklärt Sportpsychologin und Ex-Tennisprofi Eva Pfaff gegenüber SPOX.

Vom Sport abhängig

Eine Tatsache, die ein Comeback begünstigt. Aber nicht nur bei Schumacher. Lance Armstrong hörte nie auf, Rad zu fahren, Kim Clijsters nahm den Tennisschläger schnell wieder in die Hand, Janne Ahonen erklomm schnell wieder Skisprungschanzen.

Comebacks vor allem von extrem erfolgreichen Sportlern kommen häufig vor. Kein Zufall, dafür gibt es Gründe.

"Ein Sportler ist in gewisser Weise von seinem Sport abhängig. Wenn man ihn von Kindesbeinen an mit Haut und Haaren betreibt, lebt und liebt man ihn. Dadurch ist klar, dass man nur ganz schwer loslassen kann", sagt Pfaff. "Und je erfolgreicher ein Athlet in seinem Sport ist, desto mehr steigert sich die Leidenschaft für das, was er tut."

Je erfolgreicher, desto gefährdeter

Leistungssportler fallen fast immer in ein Loch, wenn sie ihre Karriere beenden.Doch je erfolgreicher sie zum Zeitpunkt des Rücktritts noch sind, desto größer ist die Fallhöhe.

Pfaff erklärt: "Bei Sportlern, die auf einem Höhepunkt aufhören, scheint die Wahrscheinlichkeit für ein Comeback höher zu sein. Sie haben den Spaß am Sport nie verloren, sondern geben zumeist an, mental oder körperlich müde zu sein. Wer aber gegen Ende der Karriere schon auf dem absteigenden Ast - und damit weniger konkurrenzfähig - ist, verliert eher die Lust ganz und gar."

Auch im Leben danach die Nummer eins sein

In einem Fall wie dem von Schumacher, der in seiner letzten Saison 2006 noch bis zum letzten Rennen um den WM-Titel gekämpft hat, lodert also salopp formuliert noch eine Flamme im Inneren des Rennfahrerherzens.

Und genau darin schlummert die Saat für spätere Comeback-Gedanken. "Die Leidenschaft für den Sport und der Einsatz münden in eine Identifikation damit. Mit dem Rücktritt vollzieht sich ein Rollenverlust, der einer Pensionierung im Berufsalltag gleichkommt. Selbst wenn ein Ex-Sportler eine andere mehr oder weniger wichtige Rolle findet, so verliert er im Auge der Öffentlichkeit sein sportbezogenes Ansehen und die Anerkennung für seine Leistungen", sagt Pfaff.

Fischer formuliert die innere Entwicklung, die in vielen Ex-Sportlern vorgeht, plakativer: "Die Suchtfaktoren sind der Erfolg und das Rampenlicht. Aus diesem Rampenlicht ist man von heute auf morgen weg, wenn man aufhört. Wer in seinem Sport die Nummer eins war, hat natürlich das Bestreben, in allem, was er danach macht, auch die Nummer eins zu sein."

Schumi kann gleich wieder ganz oben einsteigen

Und das funktioniert nicht. Schumacher kann eben nicht so gut Fußball spielen oder reiten wie Rennen fahren. Das merkt er an jedem Tag und er fragt sich irgendwann zwangsläufig, ob er es heute noch mit den jungen Kerlen aufnehmen kann. Dann bietet sich wie im Fall von Mercedes plötzlich die Gelegenheit.

Ein weiterer Katalysator für ein Comeback. "Top-Athleten wie Schumacher haben den Bonus, dass sie direkt wieder auf dem Level einsteigen können, auf dem sie aufgehört haben. Durch ihren vormaligen Status müssen sie sich nicht erst wieder mühsam nach oben arbeiten. Das macht den Reiz des Comebacks umso größer", sagt Pfaff.

"Schumacher würde wahrscheinlich nicht zurückkommen, wenn er erst noch einmal in der Formel 2 oder GP2 anfangen müsste."

Schumi entscheidet ungewohnt spontan

Schumacher hat den Luxus, gleich in das aktuelle Weltmeister-Auto einzusteigen. Aber das war nicht der Hauptgrund für seine Rückkehr. Er wollte vielmehr noch einmal mit seinen alten Weggefährten zusammenarbeiten, noch einmal das Gefühl von früher haben.

Ähnlich war es beim gescheiterten Ferrari-Comeback im Sommer. Schumi wollte seinen alten Kumpels in einer Notlage helfen. Einfach so. Spontan. Eigentlich gar nicht die Art des meistens so berechnenden Rennfahrers.

"Der Sportler hört auf sein Bauchgefühl"

Aber typisch für einen Comebacker. "Die Idee eines Comebacks entsteht zunächst einmal durch eine Bauchentscheidung", sagt Pfaff. "Die Medien diskutieren so ein Comeback eher mit dem Kopf, der betroffene Sportler hört auf sein Bauchgefühl. Die Motivation von innen heraus und die Leidenschaft für den Sport sind so stark, dass alle theoretisch möglichen negativen Aspekte zurücktreten."

Im Fall von Schumacher war es im Sommer die Nackenverletzung, die zwar im Hinterkopf war, die der Bauch aber verdrängt hat. Jetzt sind es neben dem Nacken die Gedanken an ein mögliches Scheitern, die Schumachers Bauch nicht zulässt. "Es gehört viel Mut dazu, denn man kann nüchtern betrachtet eigentlich nur verlieren", sagt Fischer.

Warum kommen Fußballer so selten zurück?

Bleibt noch eine Frage: Warum haben diesen Mut in erster Linie Athleten aus Einzelsportarten? Große Fußballer kommen sehr selten nach einer längeren freiwilligen Pause zurück.

"Comebacks in einer Einzelsportart sind für meine Begriffe einfacher, weil ein Athlet den Takt selbst bestimmen kann", erklärt Pfaff. "Ist zum Beispiel ein Fußballer einmal aus einer Mannschaft heraus, dann scheint es schwieriger als für einen Einzelsportler, sich später wieder einzufügen. Denn das Gefüge eines Teams entwickelt sich ständig weiter, und damit erscheint ein Comeback im Mannschaftssport wesentlich komplizierter."

Das heißt aber nicht, dass Fußballer nicht auch gerne ein Comeback wagen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten.

Fischer ist sich sicher: "Gäbe es eine Senioren-Bundesliga, sie wäre bestimmt voll von großen Namen."

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