Wer ist schuld am Stillstand?

Von Alexander Mey
Geoff Willis konstruierte gemeinsam mit Adrian Newey das aktuelle Auto von Red Bull
© Getty

Das war es dann wohl. Red Bull kann nach dem enttäuschenden Italien-GP die Hoffnungen auf den Titelgewinn weitgehend begraben. Sebastian Vettel hofft zwar noch auf ein Wunder, Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz wirft aber das Handtuch. Liegt der Grund für Red Bulls Scheitern in einer fatalen Personalentscheidung?

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26 Punkte für Vettel in der Fahrerwertung, 40,5 Punkte sogar in der Konstrukteurs-WM: Vier Rennen vor Schluss sprechen die Zahlen eine klare Sprache. Und sie sagen, dass Red Bull nur noch rechnerisch eine Chance gegen Brawn GP und Jenson Button hat.

Das schwache Abschneiden beim Rennen in Monza, das Teamchef Christian Horner als "das schlechteste des Jahres" bezeichnete, war wahrscheinlich der Nackenschlag für die Titelhoffnungen des Rennstalls.

Vettel hofft auf Wunder a la Räikkönen

"In Wahrheit war sogar vor Monza schon alles gelaufen", sagte Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz den "Salzburger Nachrichten". Team-Berater Helmut Marko wurde ebenso deutlich: "Die WM können wir abschreiben."

Während seine Bosse die Sache schon abgehakt haben, klammert sich Vettel noch an seinen letzten Strohhalm. "Jetzt habe ich nichts mehr zu verlieren. Ich muss kompromisslos auf Sieg fahren und hoffen, dass die Dinge in meine Richtung laufen. Vielleicht schaffe ich ja das Gleiche wie Räikkönen 2007. Der hatte auch einen riesigen Rückstand und wurde noch Weltmeister", wird Vettel von "auto, motor und sport" zitiert.

Jetzt nachlesen: So lief das Rennen in Monza

Mateschitz kritisiert Renault

Fakt ist, dass Vettel in den letzten vier Rennen nur sieben WM-Punkte geholt hat, sein Teamkollege Mark Webber sogar nur sechs. Beide waren nicht in der Lage, die große Schwächephase von WM-Leader Jenson Button auszunutzen.

Das lag zu einem wesentlichen Teil am Pech mit den Renault-Motoren, die Vettel und Webber gleich mehrmals um die Ohren geflogen sind. Kritik am Motorenpartner wird laut. "Wir haben durch unsere motorische Unterlegenheit und das Reglement mit der Beschränkung auf acht Motoren pro Fahrer fürs Jahr keine WM-Chance mehr", sagte Mateschitz.

Doch die Motoren sind nicht alleine schuld. Seit dem großen Sprung der Bullen an die Spitze des Feldes in Silverstone ging es nicht mehr wirklich vorwärts. Am Nürburgring hatte die Überlegenheit noch Bestand, danach wurde Red Bull wieder eingeholt. Erst von McLaren-Mercedes, dann von Kimi Räikkönen im Ferrari, dann von Force India - und jetzt auch wieder von Brawn GP.

Stagnation seit Willis-Rauswurf

Es wird im Team niemand zugeben, aber ein Grund für die Stagnation könnte die Trennung von Technikchef Geoff Willis im Juli gewesen sein. Seit der Leiter des Technikbüros vor dem Deutschland-GP entlassen wurde, geht es mit den Ergebnissen bergab.

"Das kann Zufall sein, aber der Gedanke kann einem in der Tat kommen", sagt SKY-Experte Marc Surer auf Nachfrage von SPOX. "Willis war ein fachlich wichtiger Mann, der dem Team sicher fehlt."

Willis wurde seinerzeit vor die Tür gesetzt, weil es Kompetenzgerangel zwischen ihm und Star-Designer Adrian Newey gab. Man befürchtete, ein interner Machtkampf zwischen den beiden könnte dem Team schaden. "Wir haben ein bisschen zu viele Häuptlinge an Bord", sagte Teamchef Horner im Juli. "Willis scheint im Umgang ein schwieriger Mensch zu sein", bestätigt Surer.

Parallelen zu Honda 2006

Auffällig ist dennoch, dass Willis schon einmal von einem Team gefeuert wurde, das große Ambitionen hatte. Mitten in der Saison 2006 setzte Honda Willis vor die Tür. Was folgte, waren zwei ganz bittere Jahre 2007 und 2008, in denen man am Ende des Feldes herumkrebste.

So schlimm wird es bei Red Bull nicht kommen, immerhin ist da noch ein Adrian Newey mit einem Stab fähiger Ingenieure. Aber zum Beispiel die Unsicherheit in der Frage, ob man in Spa und Monza die breite oder die schmale Nase an den Red Bull schraubt, oder Fehler bei der Reifenstrategie deuten darauf hin, dass eine so fachkundige Meinung wie die von Willis einige Male gut getan hätte.

Nach dem Rennen in Monza hat Vettel selbst zugegeben, dass es ein großer Fehler war, auf harten Reifen zu starten. "Ich bin fünf Runden lang herumgerutscht wie eine alte Kuh. Alonso ist einfach an mir vorbeigefahren. Ich konnte nichts dagegen machen", beklagte Vettel mangelnden Grip.

Brawn GP als Vorbild für Red Bull

Jetzt hat Red Bull noch vier Rennen Zeit, um zu zeigen, dass auch ohne einen Mann wie Geoff Willis eine Steigerung möglich ist.

Wie so etwas geht, hat ausgerechnet Titelkonkurrent Brawn GP gezeigt. Die haben sich nämlich in dieser Saison ebenfalls vom Technikchef getrennt. Jörg Zander musste fast zur gleichen Zeit gehen wie Willis - und trotzdem ist Brawn GP jetzt wieder an der Spitze.

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