"Das engste Rennen der Geschichte"

Von Alexander Mey
McLaren-Mercedes könnte Red Bull beim Italien-GP in Monza wichtige Punkte wegnehmen
© Getty

Der Italien-GP in Monza könnte zu einem Pokerspiel werden. Denn so schlecht wie in diesem Jahr waren die Teams schon lange nicht mehr auf das Hochgeschwindigkeits-Rennen vorbereitet. Dabei gibt es einige Faktoren, die Teams wie Brawn GP, Red Bull, McLaren-Mercedes und Ferrari beachten müssen, wenn sie um den Sieg fahren wollen.

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In Monza war im ersten Freien Training am Freitag in den letzten Jahren selten viel los. Warum hätte man auch fahren sollen, man wusste ja ohnehin schon fast alles über die Strecke. Schließlich hatte man eine Woche davor noch im königlichen Park getestet.

Die akribische Vorbereitung auf die speziellen Anforderungen des Hochgeschwindigkeits-Kurses in Monza war schon nahezu abgeschlossen, bevor das Rennwochenende überhaupt begonnen hatte.

Keine Testfahrten vor dem Rennen

Das ist in diesem Jahr ganz anders. "Wir werden am Freitag einen Kaltstart hinlegen müssen, und es wird für jeden ein hartes Stück Arbeit sein, die Autos mit dem geringen Anpressdruck, den wir in Monza brauchen, richtig abzustimmen", prognostiziert Weltmeister Lewis Hamilton.

WM-Spitzenreiter Jenson Button bestätigt: "Man braucht immer ein paar Runden, um sich an die Strecke in Monza zu gewöhnen. Die Trainings werden daher sehr wichtig werden."

Reifen könnten für Überraschungen sorgen

Besonders für Button, denn er braucht jeden Kilometer, um diesmal die Abstimmung auf seine Achillesferse, die Reifen, hinzubekommen. Ausgerechnet das wird in Monza aber besonders schwierig werden.

"Wir haben schon in Spa gesehen, dass die Auswahl der weichen und der mittelharten Reifen das Potenzial für interessante Ergebnisse in sich birgt", sagt Bridgestone-Entwicklungschef Hirohide Hamashima.

Erklärung: Die weichen und die mittelharten Reifen liegen zwar in Sachen Härtegrad eigentlich direkt beieinander, haben aber unterschiedliche Charakteristiken.

"In Spa haben unterschiedliche Reifen zu unterschiedlichen Fahrzeug-Charakteristiken, Abstimmungen und Fahrstilen gepasst. Das könnte in Monza wieder passieren", sagt Hamashima. "Dort haben wir eine rauere Strecke, daher werden die Reifen ein noch größerer Faktor werden."

Button: "Der Kurs sollte unserem Auto liegen"

Eigentlich eine gute Nachricht für Button, denn bei zu erwartender Hitze und rauem Asphalt sollte er seine Reifen gut auf Temperatur bringen können. "Der Kurs sollte unserem Auto ganz gut liegen", hofft Button.

Kaum schnelle Kurven, enge Schikanen, harte Bremspunkte - eigentlich Pluspunkte für Brawn GP. Wäre da nicht eine weitere Unbekannte. "Wir werden dann gut aussehen, wenn wir das Handling über die Kerbs hinbekommen", schränkt Button ein.

Ferrari wegen Randsteinen besorgt

Die Randsteine bereiten nicht nur dem WM-Leader Sorgen, denn sie wurden vor dem Rennen in den beiden engen Schikanen im ersten Sektor extra erhöht, um zu starkes Abkürzen der Strecke zu verhindern.

Man kann aber in Monza nur richtig schnell sein, wenn man hart über die Randsteine fährt. Das liegt bei weitem nicht jedem Auto.

Vor allem dem Ferrari nicht. "Die Strecke passt nicht zu unserem Auto", stellt Teamchef Stefano Domenicali klar. Und das, obwohl die Zusatz-PS durch KERS, die Kimi Räikkönen in Spa zum Sieg verholfen haben, in Monza erst recht Gold wert sein sollten.

"Das ist die schnellste Strecke der Saison, und KERS sollte uns hier wie in Spa helfen. Aber wir müssen gut über die Kerbs kommen, und das ist genau der Punkt, in dem unsere Autos in den letzten Jahren geschwächelt haben", gibt sich auch Räkkönen skeptisch.

Ferrari stapelt tief, weil man befürchtet, nach der Einstellung der Entwicklung am 2009er Auto hinter die Konkurrenz zurückzufallen.

McLaren-Mercedes dank KERS Favorit

Zum Beispiel hinter McLaren-Mercedes. Die Silbernen entwickeln im Gegensatz zu Ferrari das aktuelle Auto mit Volldampf weiter und sollten in Monza die Spa-Flaute überwinden können.

Ihnen kommen die gleichen Faktoren entgegen wie Brawn GP, nur dass Hamilton und Heikki Kovalainen zusätzlich auf KERS zurückgreifen können. "Wir werden auf den Geraden dank KERS einen Vorteil haben", sagt Kovalainen.

Teamchef Martin Whitmarsh konkretisiert: "Dank KERS werden wir auf den Geraden unglaubliche Top-Speeds sehen. Vor allem im Qualifying, in dem die Fahrer die Zusatz-PS auf der Start-Zielgeraden gleich zweimal freigeben können." Und zwar einmal vor und einmal hinter der Ziellinie.

McLaren-Mercedes scheint also der Favorit auf den Sieg in Monza zu sein, wobei man Ferrari dank KERS auch niemals abschreiben sollte. Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug beschwört nach den Erfahrungen aus Spa schon im Vorfeld "das vielleicht engste Rennen der Formel-1-Geschichte."

Red Bull fährt mit weniger Abtrieb

Aber was bleibt dabei für Red Bull übrig, die im Titelkampf gegen Brawn GP unbedingt weiter aufholen müssen?

Teamchef Christian Horner gibt einen Hinweis auf die Strategie von Sebastian Vettel und Mark Webber: "Da die KERS-Autos sehr stark sein werden, setzen wir vielleicht auf etwas weniger Abtrieb." Damit soll der Top-Speed-Nachteil auf den Geraden halbwegs ausgeglichen werden.

Zumindest für die direkte Konkurrenz sollte das reichen. "Es gibt in Monza auch noch einige schnelle Kurven. Von daher denke ich, dass wir die Brawns dort schlagen können", sagt Horner.

Force India und Renault als Spielverderber?

Jeder WM-Punkt zählt im Endspurt. Button liegt mit 72 Zählern 16 Punkte vor Teamkollege Rubens Barrichello, 19 Zähler vor Vorjahressieger Vettel und 20,5 vor Webber.

Dumm nur für die Verfolger, dass es immer schwieriger wird, sich ein paar dieser WM-Punkte zu holen. Denn wer sagt, dass nicht wieder Force India oder Renault mit KERS um einen Podestplatz fahren?

Pläne werden konkreter: Rosberg 2010 bei Brawn-Mercedes?