Will denn niemand Weltmeister werden?

Von Alexander Mey
Brawn GP und Red Bull liegen in der Konstrukteurs-WM auf dern Plätzen eins und zwei
© Getty

Der Titelkampf wird zum Schneckenrennen. Jenson Button, Sebastian Vettel und Mark Webber holten in den letzten beiden Rennen fast keine WM-Punkte. Nur Rubens Barrichello schlug beim Europa-GP in Valencia richtig zu. Wird er der lachende Vierte?

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Rubens Barrichello wird nie Weltmeister. Diese Weisheit schien seit vielen Jahren ähnlich fest in Stein gemeißelt wie die Tatsache, dass der Ball rund ist oder das Spiel 90 Minuten hat.

In insgesamt sechs Jahren Ferrari im Schatten von Michael Schumacher hat sich Barrichello seinen Ruf als Titelkandidat nachhaltig ruiniert, obwohl er doch eigentlich ein guter Fahrer ist.

Jetzt hat er den Europa-GP in Valencia gewonnen und ist plötzlich Zweiter in der Fahrer-WM. Zudem hatte er seinen Teamkollegen Jenson Button das gesamte Wochenende über ganz klar im Griff.

Barrichello: "Es wäre schön, mit 37 den Titel zu gewinnen"

Er wird doch nicht gegen sein Schicksal ankämpfen wollen? "Ich denke, dass ich den Höhepunkt erreicht habe, ich bin voll im Rennen", sagte Barrichello. "Es wäre sehr schön, mit 37 Jahren den Titel zu gewinnen."

Ein bisschen träumen ist erlaubt, gerade für einen emotionalen Mann wie Barrichello, der nach seinem ersten Sieg seit fast fünf Jahren heulte wie ein kleines Kind. Sein Problem ist aber, dass er im gleichen Auto sitzt wie WM-Spitzenreiter Jenson Button. Und der hat immer noch 18 Punkte Vorsprung in der Fahrerwertung.

Button holt nur elf Punkte aus vier Rennen

Entsprechend großzügig konnte Button mit Lob für seinen Teamkollegen sein. "Ich freue mich natürlich für Rubens, vor allem, da er schon so lange nicht mehr gewonnen hat", sagte er im SKY-Interview. Aber er schränkte ein: "Hoffentlich wird es jetzt nicht zur Gewohnheit."

Button ist ohnehin mehr mit sich selbst beschäftigt. Er hat in den letzten vier Rennen nur elf WM-Punkte geholt, zuletzt offenbarte er vor allem Schwächen im Qualifying und in der Rennstrategie.

Brawn: "Die zwei Zähler sind wertvoll"

In Valencia steckte er nach einem Fahrfehler im Qualifying und einem schwachen Start im Mittelfeld fest und kam dort nicht mehr heraus. Auch deshalb, weil er zu lange an den harten Reifen festhielt. Erst im letzten Stint nutzte er die weichen Pneus und war prompt einer der schnellsten Fahrer im Feld.

LIVE-TICKER: Das Rennen in Valencia zum Nachlesen

"Vielleicht hätten wir im Qualifying aggressiver sein sollen", räumte Teamchef Ross Brawn ein. Allerdings hielt er auch fest, dass Button trotz seiner Durststrecke immer noch in einer sehr komfortablen Situation ist. Denn er holte immerhin Punkte: "Die zwei Zähler sind wertvoll, wir haben den Vorsprung in beiden Meisterschaften ausgebaut."

Frust und Galgenhumor bei Vettel

Damit sind wir bei den großen Verlierern des Europa-GP: der Nullnummer Red Bull. Klar, die Strecke lag den Bullen nicht besonders und auch die heißen Bedingungen kamen Brawn GP eher entgegen. Aber trotzdem wäre in Valencia und auch vorher schon in Ungarn sehr viel mehr drin gewesen.

Vor allem für Sebastian Vettel. Die Technik hat ihn zwei große Chancen gekostet, jetzt schon in Schlagdistanz zu Button zu sein. In Ungarn hätte er Punkte aufgeholt, in Valencia ebenso - wären ihm nicht ständig die Motoren um die Ohren geflogen.

Strafe wegen Motoren kaum zu vermeiden

Jetzt sieht es sogar danach aus, als müsse Vettel im WM-Endspurt bewusst eine Strafe von zehn Startplätzen in Kauf nehmen. Er hat vom vorgeschriebenen Kontingent von maximal acht Motoren pro Saison nur noch zwei frische für sechs Rennen übrig, das wird kaum reichen. "Es ist kaum zu vermeiden, dass wir irgendwann eine Strafe kassieren", sagte Teamchef Christian Horner.

Vettel meinte voller Galgenhumor: "Ich habe keine Erklärung, wieso er bei mir kaputt geht und nicht bei einem anderen Fahrzeug. Vielleicht gebe ich zu viel Gas. Wenn man ganz vorne mitfahren und die WM gewinnen will, darf man sich so etwas nicht erlauben. Wir hätten heute vier bis fünf Punkte mitnehmen können. Wir hatten schon zu viele Rennen in diesem Jahr, wo es einfach nicht zusammengepasst hat. Von elf Rennen haben wir fünfmal das Ziel nicht gesehen."

Vettel: "Wir werden nicht aufgeben"

Hoffentlich rechnet Vettel nicht in einer ruhigen Minute durch, wie viele Punkte er bei seinen fünf Ausfällen schon hat liegen lassen, denn dann droht er wahnsinnig zu werden.

So glaubt er immer noch an den WM-Titel: "Auch wenn es bis jetzt sicherlich nicht optimal gelaufen ist: Es besteht noch eine Chance. So lange es rechnerisch die Möglichkeit gibt, werden wir mit Sicherheit nicht aufgeben."

Webber selbstkritisch

Aufgeben wird auch Mark Webber nicht, immerhin hat er in den letzten beiden Rennen mit sechs Punkten exakt sechs mehr geholt als Teamkollege Vettel. Und er liegt trotz Platz neun in Valencia weiter vor dem Deutschen. 20,5 Punkte fehlen ihm auf Button.

"Ich habe heute das bekommen, was ich verdient hatte - null Punkte", sagte Webber sehr selbstkritisch. "Ich war einfach nicht schnell genug."

Alle Red-Bull-Hoffnungen auf Spa

Red Bulls Hoffnung ruht auf dem kommenden Wochenende. "Zum Glück geht es schon in einer Woche weiter, in Spa sollten wir viel besser aussehen", sagte Teamchef Horner.

In Spa müsste Red Bull dank vieler schneller Kurven und wahrscheinlich deutlich kühleren Wetters als in Spanien gegenüber Brawn GP wieder im Vorteil sein. Und auch McLaren-Mercedes sollte mit den schnellen Kurven in den Ardennen deutlich mehr Probleme haben als auf den letzten Kursen.

Gute Chancen also für Red Bull, mal wieder satte Punkte zu sammeln und im Schneckenrennen um den WM-Titel 2009 endlich wieder Tempo aufzunehmen. Vorausgesetzt natürlich, die Technik streikt nicht noch einmal.

Denn dann wäre der WM-Zug wohl endgültig abgefahren.

So steht es in Fahrer- und Kontrukteurs-WM