Türkei-GP bangt um die Existenz

Von Alexander Mey
Ferrari gewann drei von vier Rennen in der Türkei
© Getty

Der Türkei-GP steht am Wochenende vor einer schmerzlichen Bewährungsprobe. Denn in Istanbul können gleich zwei Weichen gestellt werden. Eine sportliche, wenn Jenson Button erneut unschlagbar ist und einsam in Richtung WM-Titel spaziert. Aber auch eine wirtschaftliche, wenn das Zuschauer-Interesse an der Formel 1 weiter schwindet und die Zukunft des Türkei-GP auf der Kippe steht.

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Stell dir vor, es ist Formel 1, und keiner geht hin. 150.000 Menschen könnten am kommenden Sonntag beim Rennen in Istanbul auf den Tribünen sitzen, Schätzungen zufolge werden es deutlich weniger als 40.000 werden.

40.000 Zuschauer verirrten sich 2008 ins Otodrom, davon geschätzte 5000 Türken. In diesem Jahr lief der Vorverkauf auch wegen der relativ hohen Eintrittspreise noch einmal deutlich schlechter. "Wir haben uns im vergangenen Jahr vor der Welt völlig blamiert", zitiert die "Times" Baris Kuyucu, einen bekannten türkischen Formel-1-Kommentator.

Kaum auszudenken, wenn in diesem Jahr vielleicht gerade mal 30.000 versprenge Fans dem Sieger des Rennens zujubeln. Das macht keinen guten Eindruck, und der gute Eindruck ist für Formel-1-Boss Bernie Ecclestone sehr wichtig.

Streckenchef befürchtet Türkei-Aus in 2011

Er selbst fungiert in Istanbul seit 2008 als Promoter des Rennens. Er muss also mit sich abmachen, ob er jährliche Verluste in zweistelliger Millionenhöhe weiterhin akzeptieren oder den Türkei-GP nach Vertragsende 2011 aus dem Kalender streichen will.

Das sieht auch Streckenchef Can Güclü so. "Wir befürchten, dass wir 2011 zum letzten Mal Gastgeber für die Formel 1 sein könnten", zitiert die "Welt" Güclü. "Es gibt einige sehr ernsthaft konkurrierende Kurse in Südafrika, Russland, Bulgarien und Südkorea."

"Das Rennen bedeutet für uns gar nichts"

Trotz der reizvollen Streckenführung, die von allen Fahrern sehr gelobt wird, würde kaum ein Türke das Heimrennen´vermissen.

"Die Türkei hat nicht die notwendige Sportkultur, damit so etwas funktioniert", beschreibt Kuyucu seine Fußball-verrückten Landsleute. Die "Times" zitiert einen Anwohner mit den Worten: "Das Rennen bedeutet für uns gar nichts - außer eine Menge Lärm."

Massa will Siegesserie ausbauen

Egal vor wie vielen Zuschauern, Ferrari will in der Türkei wie in Monaco eine Menge Lärm veranstalten. Immerhin läuft es bei den Roten wieder richtig gut und Felipe Massa hat in Istanbul eine beeindruckende Serie zu verteidigen. Der Brasilianer gewann dort die letzten drei Rennen.

"Ich kann das nicht erklären", sagte Massa vor dem Anlauf zum vierten Streich. "Wir hatten hier einfach drei fantastische Wochenenden und das Auto lief von der ersten Session an gut. Wir wollen so schnell wie möglich wieder Rennen gewinnen und es wäre fantastisch, wenn wir schon in der Türkei wieder ganz vorne wären."

Den ersten der bisher vier Türkei-GP gewann übrigens mit Kimi Räikkönen auch ein aktueller Ferrari-Fahrer. Damals zwar noch im McLaren-Mercedes, aber trotzdem ist das Otodrom anno 2009 statistisch gesehen fest in Ferrari-Hand.

Brawn: "Wir haben einen echten Lauf"

Wäre da nicht die bisherige Übermacht von Brawn GP. "Brawn hat 2009 fünf von sechs Rennen gewonnen und ist Favorit", stellte Räikkönen klar.

"Wir haben einen echten Lauf", bestätigte Brawn-Teamchef Ross Brawn gegenüber der "Marca" Räikkönens Eindruck. "Wir haben das Potenzial und auch das nötige Budget, um Weltmeister zu werden. Aber daran denke ich noch gar nicht. Wir wollen einfach ein Rennen nach dem anderen gewinnen."

Bisher hat das ganz gut geklappt. Jenson Button holte in der Fahrerwertung 51 von 55 möglichen Punkten und ist der Konkurrenz schon weit enteilt. Einzig Teamkollege Rubens Barrichello kann noch halbwegs mithalten, ist aber fahrerisch chancenlos.

Red Bull gibt Titelkampf nicht auf

Bleibt noch Sebastian Vettel. Dessen WM-Chancen sind nach der Nullnummer von Monaco zwar auf ein Minimum gesunken, aber sein Red-Bull-Team gibt noch nicht auf. "Button hat zwar einen riesigen Vorsprung, aber die Dinge können sich sehr schnell ändern", sagte Teamchef Christian Horner "Autosport".

Red Bull setzt bei den folgenden Rennen auf den durchschlagenden Effekt des in Monaco eingeführten Doppel-Diffusors: "Wir denken, dass die nächsten Rennen die Stärken unseres Autos betonen."

Neue Teile für Brawn GP

In schnellen Kurven wie der berühmten Kurve 8 in Istanbul ist der Red Bull besonders stark. Aber dank neuen Frontflügels und neuer Teile an der Hinterradaufhängung ist auch Brawn GP in solchen Passagen schnell.

Brawn GP, Red Bull und Ferrari. Diese drei Teams werden aller Voraussicht nach beim Türkei-GP den Sieg untereinander ausmachen. Auch wenn es in der Türkei kaum jemanden interessieren dürfte.

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