Haug: "Lewis braucht keine Verteidigung"

Von Interview: Alexander Mey
haug, hamilton
© Imago

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug hat mit dem WM-Titel von Lewis Hamilton im letzten Rennen den größten Erfolg seit den beiden Titelgewinnen von Mika Häkkinen 1998 und 1999 gefeiert. Im SPOX-Interview blickt Haug auf die dramatischen letzten Runden des WM-Showdowns in Brasilien zurück und nimmt Stellung zur Kritik der Kollegen an seinem Schützling Hamilton.

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SPOX: Herr Haug, eigentlich war der WM-Titel für Ihren Fahrer wie 2007 schon wieder im letzten Moment verloren, als Sebastian Vettel Lewis Hamilton zwei Runden vor dem Ziel überholte und so auf den sechsten Platz verdrängte. Wie laut haben Sie in dieser Sekunde das Schicksal verflucht?

Norbert Haug: Da muss ich Sie enttäuschen - ich habe weder das Schicksal noch Sebastian Vettel verflucht, nicht eine Sekunde lang. Er fuhr sein Rennen, so gut und so schnell wie möglich, und Lewis das seine. Ich wäre töricht, würde ich annehmen, dass Vettel uns nicht überholen würde, sobald sich ihm die Chance dazu bietet - er fährt für sein Team und für sich. Also gibt es an einem solchen Überholvorgang nichts zu verfluchen. Wären wir weiter vorne gefahren, hätte er uns nicht überholen können.

SPOX: Wie wäre es nach den Dramen der vergangenen beiden Jahre mal wieder mit einer langweiligen WM?

Haug: Ich wünsche mir immer eine spannende WM, bei der wir am Ende mit mindestens einem Punkt vorne sind.

SPOX: Wie groß ist der Stein, der Ihnen nach dem Rennen vom Herzen gefallen ist?

Haug: Es ist ein ausgesprochen schönes Gefühl, die selbst gesteckten Ziele erreicht zu haben, und das gilt bei uns für jeden einzelnen im Team. Ein Stein fällt einem deshalb nicht vom Herzen - es war ja vorher auch keiner drauf.

SPOX: Wiegt dieser Titelgewinn nach der langen Wartezeit und den bewegten vergangenen Jahren schwerer als die WM-Titel von Mika Häkkinen?

Haug: Einen Weltmeistertitel zu holen, ist nie einfach. Es macht deshalb keinen Sinn, die beiden Titelgewinne von Mika Häkkinen auf McLaren-Mercedes mit dem aktuellen von Lewis Hamilton zu vergleichen - alle drei waren verdient, und dazwischen sind wir oft genug knapp an mindestens genauso vielen möglichen WM-Titeln vorbeigeschrammt. Was nur zeigt, wie schwierig es ist, am Ende ganz vorne zu sein.

SPOX: An wie viele Tage können Sie persönlich sich erinnern, an denen Sie sich besser gefühlt haben als an dem Sonntag in Sao Paulo?

Haug: An diesem Sonntag habe ich mich gar nicht so unendlich gut gefühlt, seither allerdings schon.

SPOX: Die Wochen vor besagtem Sonntag waren geprägt von heftigen Attacken der Konkurrenz gegen Lewis Hamilton. Waren Sie erschrocken über den starken Gegenwind?

Haug: Nein, das hat mich überhaupt nicht überrascht. Es werden Psycho-Spielchen versucht, und manchmal muss man wenigstens so tun, als würde man bei diesen mitspielen.

SPOX: Viele Kollegen behaupten, Lewis fahre zu hart. Er ist 2008 oft dafür bestraft worden. Wie verteidigen Sie Ihren Fahrer?

Haug: Lewis braucht keine Verteidigung - stellen Sie sich vor, man würde behaupten er sei zu weich.

SPOX: Hamiltons harte Fahrweise und die Kritik, die er damit hervorruft, erinnern an Michael Schumacher. Sehen Sie Parallelen zwischen den beiden?

Haug: Nein, Lewis ist Lewis und Michael ist Michael.

SPOX: Worüber haben Sie sich in dieser Saison am meisten gefreut?

Haug: Über den WM-Titel von Lewis Hamilton und McLaren-Mercedes.

SPOX: Und am meisten geärgert?

Haug: Über die Entscheidung von Spa (Hamilton wurde der Sieg aberkannt, weil er beim Überholmanöver gegen Kimi Räikkönen eine Schikane abgekürzt und sich dadurch vermeintlich einen unerlaubten Vorteil verschafft hatte, Anm. der Red.).

SPOX: Welcher Fahrer und welches Team haben Sie abgesehen von ihren Schützlingen am meisten überrascht - positiv und negativ?

Haug: Positiv: Sebastian Vettel, Franz Tost und Giorgio Ascanelli. Sie haben mit Gerhard Berger bei Toro Rosso eine Powertruppe gebildet und sogar einen Grand Prix gewonnen - Hut ab, sensationell. Negativ: Dazu werde ich nichts sagen, das ist nicht mein Thema.

SPOX: Sie haben bis zuletzt um den Titel gekämpft. Wie groß ist die Gefahr, dass Sie dadurch die Entwicklung für die kommende Saison vernachlässigt haben?

Haug: Ich habe ein gutes Gefühl und alle schaffen seit dem Titelgewinn mit noch mehr Motivation.