McLaren-Mercedes legt Berufung ein

SID
Im einsetzenden Regen fängt Hamilton Räikkönen noch ab
© xpb

McLaren-Mercedes hat offiziell Berufung gegen Lewis Hamiltons fragwürdige Zeitstrafe beim Großen Preis von Belgien eingelegt. Dies teilte das britisch-deutsche Team mit. Nun muss der Internationale Automobil-Verband FIA entscheiden, wann es zur Verhandlung kommt.

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Eine FIA-Sprecherin erklärte, man bemühe sich um eine möglichst schnelle Klärung des Falls. Wegen Abkürzung durch eine Schikane hatten die Rennkommissare in Spa-Francorchamps 25 Sekunden Strafe gegen Hamilton verhängt.

Der Brite hatte sich danach wieder hinter Kimi Räikkönen zurückfallen lassen, wenig später den Finnen im Ferrari aber erneut überholt.

Unverständnis über das Urteil

McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh bekundete in einer schriftlichen Stellungnahme sein Unverständnis über das Urteil nach dem Belgien-Grand-Prix: "Wir haben von der Boxenmauer aus die Rennkontrolleure um eine Bestätigung gebeten, ob sie damit einverstanden seien, dass Lewis Kimi erlaubte, ihn erneut zu überholen. Sie bestätigten zweimal, dass sie glaubten, die Platzierung sei in einer Art zurückgegeben worden, die 'okay' sei."

Wenn die Rennkontrolleure stattdessen zu diesem Zeitpunkt irgendwelche Bedenken bezüglich Hamiltons Aktion geäußert hätten, hätte das Team seinen Fahrer angewiesen, Räikkönen ein zweites Mal überholen zu lassen, versicherte der Brite.

6,7 km/h Unterschied

Hamilton schilderte ausführlich die spektakulären Attacken und erklärte, sich korrekt verhalten zu haben. Nach seiner Abkürzung der Schikane habe er den Ferrari-Kontrahenten wieder passieren lassen.

"Mit dem Ergebnis, dass Kimi die Start-Ziel-Linie 6,7 Stundenkilometer schneller als ich überquerte", wies er auf die Daten hin. Der Spruch der Stewards kostete den Silberpfeil-Star nicht nur den Sieg in Spa.

Zudem schmolz sein Vorsprung in der WM-Wertung auf zwei Zähler gegenüber dem am Grünen Tisch zum Belgien-Gewinner erklärten Ferrari-Kontrahenten Felipe Massa.

"Wir sind alle empört"

McLaren-Mercedes fühlt sich nach dem "geraubten" Sieg offensichtlich verschaukelt, hütet sich aber davor, von "Betrug" oder gar einer "Bevorteilung" Ferraris zu sprechen.

"Wir alle sind empört", gab Mercedes-Motorsportchef Haug zwei Tage nach der allgemein auf Unverständnis gestoßenen Zeitstrafe gegen Hamilton die Stimmung im Team wider. "Wir haben diese Entscheidung nicht verstanden, wie die ganze Welt auch nicht - mit Ausnahme von Italien."

Deutliche Worte der Experten

Wesentlich schärfer reagierten Experten auf das folgenschwere, die Weltmeisterschaft massiv beeinflussende Urteil der drei Rennkommissare. "Es gab schon früher den Verdacht, dass Ferrari von der FIA bevorteilt wird. Ich habe es nie geglaubt. Aber jetzt ist es so klar, alle haben es am Fernseher gesehen: Ferrari wird bevorteilt", sagte der dreimalige Champion Niki Lauda, der den Verband in der "Bild" hart kritisierte.

Der frühere Formel-1-Fahrer Hans-Joachim Stuck urteilte: "Es hat zu oft den Anschein, dass Ferrari auf Kosten von Mercedes bevorzugt wird." Ralf Schumacher, der jetzt für Mercedes im Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) unterwegs ist, wetterte: "Hamilton wurde der verdiente Sieg geklaut. Er war der klar Bessere. Ferrari hatte schon immer Vorrecht in der Formel 1."

Rennkommissar weist Vorwürfe zurück

Surinder Thathi, einer der drei Rennkommissare von Spa-Francorchamps, weist die Vorwürfe der Experten zurück. "Es gab keine Verschwörung gegen irgendwen, auch nicht gegen McLaren", sagte der Kenianer am Dienstag.

Gemeinsam mit dem Franzosen Nicholas Deschaux und dem Belgier Yves Bacquelaine habe er nur die Wahl zwischen einer 25-Sekunden-Zeitstrafe und einer Strafversetzung um zehn Plätze gehabt. "Ich habe meinen Job gemacht und professionell gehandelt", sagte Thathi und verwies auf die regelwidrige Abkürzung von Hamilton.

Beweise für Hamiltons Unschuld

"Wir können beweisen, dass sich Lewis reglementskonform verhalten hat", versicherte dagegen Haug. "Ich kann keine Vorteilsnahme sehen. In dem Fall war Lewis um Lichtjahre schneller. Er war der beste Mann."

Für den Mercedes-Mann steht trotz Hamiltons Zurückstufung auf Rang drei hinter Massa und BMW-Sauber-Pilot Nick Heidfeld (Mönchengladbach) fest: "Wir sind die Sieger von Spa."

Mit Verweis auf zahlreiche vergleichbare Verstöße anderer Piloten beim belgischen WM-Lauf, die ungestraft blieben, kritisierte Haug die Entscheidung der Stewards: "Vielleicht sind die Herren übers Ziel hinausgeschossen."

Der 55 Jahre alte Schwabe vermied es, von einer Benachteiligung zu sprechen, verwies aber auf die allgemeinen Kommentare zu dem Urteil: "Eine einhelligere Meinung gab es noch nie." Er glaube auch nicht an "eine Verschwörungstheorie".

Ferrari sieht sich im Recht

Das Haus Mercedes-Benz beteilige sich an solchen Spekulationen nicht. "Aber aus unserer Sicht wurde mit der Entscheidung dem Sport kein Gefallen getan", betonte Haug. Ferrari beurteilt den Fall naturgemäß völlig anders.

"Ohne die Abkürzung hätte Lewis in Spa in dieser Situation nicht überholen können", sagte Massa. Der Brasilianer rückte durch den geschenkten Sieg vor dem nun zusätzlich brisanten Ferrari-Heimspiel in Monza an diesem Wochenende bis auf zwei Zähler an WM-Spitzenreiter Hamilton heran.

Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali bemühte sich indes, die Wogen zu glätten. "Zunächst einmal: Wir haben keinen formellen Protest eingelegt. Wir haben den Kommissaren lediglich unsere Sicht der Dinge mitgeteilt", sagte der Italiener.

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