Schlacht für Mensch und Material

Von Alexander Mey
So ein Randstein wurde Fisichella zum Verhängnis. Er rutschte in die Streckenbegrenzung
© xpb

Die Premiere des Nachtrennens in Singapur (13.45 Uhr im SPOX-TICKER) wird eine Schlacht werden. Nicht nur eine Schlacht zwischen Ferrari-Pilot Felipe Massa und McLaren-Konkurrent Lewis Hamilton um Sieg und WM-Titel. Der Singapur-GP wird vor allem eine Schlacht für Mensch und Material. Durchhalten ist alles.

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"Es ist das anstrengendste Rennen des Jahres", prognostiziert Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug und erhält dabei Unterstützung von Nick Heidfeld, der nach einer Strafe (Behinderung von Barrichello im Qualifying) vom neunten anstatt vom sechsten Platz aus ins Rennen gehen wird. Auch der BMW-Sauber-Pilot spricht vom vielleicht härtesten Grand Prix der Saison.

Warum? SPOX nennt die Faktoren, die das Rennen entscheiden und zu einem echten Härtetest machen werden.

Die Länge des Rennens

Der fünf Kilometer lange Kurs erlaubt aufgrund seiner Enge nur langsame Rundenzeiten. Folge: Für die angesetzten 61 Runden werden die Fahrer rund 1:45 Stunden brauchen. Und das auch nur, wenn weder Regen noch Safety-Car-Phasen den Grand Prix verlängern. Ein Ausschöpfen der maximalen Zwei-Stunden-Grenze ist nicht auszuschließen.

Die Bodenwellen

So großartig das Spektakel in Singapur auch ist, alle Fahrer hadern seit den ersten Testkilometern mit den extremen Bodenwellen, von denen sie während der Fahrt heftig durchgeschüttelt werden. Timo Glock berichtete nach dem ersten Freien Training sogar von Kopfschmerzen. Gut möglich, dass das über eine Renndauer von knapp zwei Stunden die Konzentration beeinträchtigt. "Das ist so, als würde man die ganze Zeit mit dem Presslufthammer arbeiten. Insofern kommt es auch sehr auf die Kondition an", bestätigt Haug.

Die hohen Randsteine

Was passieren kann, wenn man zu sehr über die Kerbs räubert, musste am Samstagmorgen Giancarlo Fisichella erfahren. Er hob beim Durchfahren der Dreier-Schikane regelrecht ab und rutschte hilflos in die Streckenbegrenzung (Bild). Und zu dem Zeitpunkt war er allein auf der Fahrbahn. Man kann sich gut vorstellen, welche Probleme die Randsteine im Startgetümmel oder bei Überholversuchen darstellen.

Der Regen

Bisher haben die berüchtigten monsunartigen Gewitter in Südostasien das Renngeschehen in Singapur verschont. Doch die McLaren-Wetterfrösche rechnen für Sonntagabend mit der höchsten Regenwahrscheinlichkeit des Wochenendes. Sollte es so heftig schütten wie zum Beispiel in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, dann wäre das totale Chaos programmiert.

Das Safety-Car

Der Marina Bay Circuit ist eng. Überholen wird daher zu einem heiklen, wenn nicht sogar unmöglichen Unterfangen. Wer es dennoch versucht und an einen Kollegen gerät, der nicht mitspielt, wird sehr schnell in der Mauer enden. Selbst ohne eine Kollision muss man mit Zwischenfällen rechnen, das haben zahlreiche Ausrutscher in den Trainings gezeigt. Und was passiert auf Stadtkursen, wenn es kracht? Dann geht nichts mehr. "Ich würde mich wundern, wenn wir kein Safety-Car sehen sollten", sagt Haug. Die Folgen von Safety-Car-Phasen sind bekannt: Jegliche Strategie wird über den Haufen geworfen, der Ausgang des Rennens gerät zum Glücksspiel.

Die Strategie

Wer hat wie viel Benzin an Bord? Die Tatsache, dass Massa im Qualifying fast sieben Zehntel schneller war als Hamilton, deutet darauf hin, dass der Ferrari früher an die Box kommen wird als der McLaren. Die Frage ist nur: Wie viel früher? "Wir glauben, dass wir die richtige Strategie haben", sagte Massas Renningenieur Rob Smedley im Premiere-Interview. "Wir haben jedenfalls nichts Dummes angestellt, nur um die Pole-Position zu holen." Dennoch ist man sich bei den Silbernen sicher, länger draußen bleiben zu können. "Vielleicht fahren wir zwei, drei Runden länger als Massa", vermutet Haug.

Glaubt man den Vorhersagen von Reifenhersteller Bridgestone, dann wird es im Rennen eher auf mehr Boxenstopps hinauslaufen als auf wenige, da der Asphalt die Reifen sehr stark beansprucht. "Ich wage die Prognose, dass eine Drei-Boxenstopp-Strategie von den Teams bevorzugt werden wird", sagt Entwicklungschef Hirohide Hamashima.

Deutsches Quartett mit Überraschungs-Potenzial

Länge, Bodenwellen, Randsteine, Regen, Safety-Car, Strategie. Bei so vielen unbekannten Variablen verspricht der erste Singapur-GP nicht nur aufgrund der Kulisse und der Dunkelheit legendär zu werden.

Überraschungen scheinen garantiert. Und wer weiß, vielleicht ist wie in Monza ja wieder ein Deutscher der Held des Tages. Die Chancen stehen bei den Startplätzen sechs bis neun für Vettel, Glock, Rosberg und Heidfeld gar nicht so schlecht.

Wer wird Weltmeister, Hamilton oder Massa? Jetzt im GP-Rechner Schicksal spielen!