"Nick ist mir ein Rätsel"

Von Interview: Alexander Mey
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© Getty

Bei BMW-Sauber und Nick Heidfeld geht es turbulent zu. "Quick Nick" steht zwischen einem zweiten Platz in der Regen-Lotterie von Spa, Kritik an seiner Konstanz vor allem im Qualifying und Gerüchten über seine Ablösung durch Fernando Alonso.

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Offiziell stehen die Weiß-Blauen noch hinter ihrem Fahrer, doch der Belgien-GP hat nicht ausgereicht, um seine lange Krise und die zahlreichen schwachen Vorstellungen vergessen zu machen. Das zeigen die Spekulationen um einen Alonso-Wechsel deutlich.

Was ist 2008 mit Heidfeld los? SPOX hat mit seinem ehemaligen Teamkollegen Heinz-Harald Frentzen gesprochen und gemeinsam mit ihm nach Erklärungen für die teilweise schlechten Ergebnisse gesucht. Doch nicht nur das.

Außerdem ließ sich SPOX von Frentzen in die Geheimnisse des Hybridantriebs einweihen und erklären, welche Probleme mit KERS auf die Königsklasse zukommen.

SPOX: Herr Frentzen, sitzen Sie noch alle zwei Wochen vor dem Fernseher und schauen sich die F-1-Rennen an?

Heinz-Harald Frentzen: Ja.

SPOX: Ihr ehemaliger Kollege Juan Pablo Montoya lässt keine Chance aus, um von den USA aus über die Formel 1 zu lästern. Worüber möchten Sie gerne lästern?

Frentzen (lacht): Das kommt immer auf die Erfahrungen an, die ein Fahrer mit der Formel 1 gemacht hat. Ich habe nicht das Bedürfnis, in Juan Pablos Fußstapfen zu treten. Ich habe meine Erfahrungen gemacht, und die Formel 1 ist für mich nach wie vor ein faszinierender Sport. Natürlich gibt es Aspekte, die einem besser gefallen als andere. Montoya hat offenbar viele schlechte Erfahrungen gemacht - und ein Blatt hat er noch nie vor den Mund genommen.

SPOX: Nichts, was Sie so richtig stört?

Frentzen: Nein. Die Formel 1 ist auf dem richtigen Weg. Die Rückkehr zu Slick-Reifen, die Kostenreduzierung: Das sind echte Fortschritte.

SPOX: Was hat sich seit Ihrer Zeit verändert?

Frentzen: Der Aufwand, den die großen Hersteller betreiben, ist enorm. Ich habe in Valencia die Motorhomes gesehen und das technische Equipment. In der Hinsicht hat sich einiges getan.

SPOX: Haben Sie Mitleid mit den Privatteams, für die Sie selbst die meiste Zeit gefahren sind?

Frentzen: Es wird immer schwieriger. Die großen Hersteller können ihre Fahrzeuge ständig weiterentwickeln. Das sieht man besonders bei Williams. Die kommen mit dem Tempo der Top-Teams einfach nicht mit.

SPOX: Ihr Ex-Arbeitgeber Sauber hat durch die Verbindung mit BMW den Sprung zum Top-Team geschafft.

Frentzen: Sauber hat durch die Fusion ein völlig neues professionelles Level erreicht. Das Team profitiert aber besonders davon, eine Kombination aus effizientem Arbeiten eines Privatteams wie Sauber und internationalem Standing und finanziellen Mitteln eines Herstellers wie BMW zu sein. Das zusammen erzeugt einen Schneeball-Effekt. Das Team wird immer größer und besser.

SPOX: Trotzdem kommt Ihr ehemaliger Sauber-Teamkollege Nick Heidfeld dort im Moment gar nicht zurecht.

Frentzen: Nick ist für mich ein Rätsel. Als ich 2003 mit ihm gefahren bin, hat er gerade unter Druck sehr gute Leistungen gezeigt. Daher wundert mich, was in den letzten Monaten bei ihm passiert ist. Ich kann seine Probleme nicht erklären, dazu fehlt mir der genaue Einblick. Ich weiß nur, dass Nick vom Potenzial her sehr viel schneller sein sollte, als er es bis zum Belgien-GP war. Dort, wo er zeitweise herumfährt, ist er 2003 mit dem Privatteam Sauber schon herumgefahren.

SPOX: Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht gerade über die Probleme von Nick Heidfeld sprechen?

Frentzen: Ich bin dem Motorsport erhalten geblieben. Ich arbeite an einem Hybrid-Projekt, mit dem wir in diesem Jahr beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring bereits am Start waren. Jetzt sind wir dabei, dieses Projekt weiterzuentwickeln und die Voraussetzungen zu schaffen, um im kommenden Jahr wieder am Nürburgring zu fahren.

SPOX: Ist das ein Fulltime-Job?

Frentzen: Es ist schon sehr aufwendig. Ich stehe in ständigem Kontakt mit unserer Elektronik- und Batterie-Firma, um den technischen Stand des Elektro-Antriebs voranzubringen.

SPOX: Haben Sie plötzlich den Umweltschützer in sich entdeckt?

Frentzen: Klar kann man den Hybrid-Antrieb als Umweltschutz sehen. Man kann ihn aber auch als zukunftsorientierte und effiziente Weiterentwicklung des konventionellen Verbrennungsmotors sehen. Mich persönlich interessiert die Hybrid-Technik schon seit geraumer Zeit. Das ist die Zukunft.

SPOX: Wie die Formel 1 mit der bevorstehenden Einführung des KER-Systems beweist.

Frentzen: Das ist im Grunde genommen das gleiche, was wir machen. Nur die Formel 1 hat einen speziellen Namen dafür entwickelt. KERS funktioniert als ganz normaler Hybrid-Antrieb. Bremsenergie wird in elektrische Energie umgewandelt und in Batterie, Schwungrad und so genannten Capacities gespeichert.

SPOX: Also war der Schritt der Formel 1 hin zum Hybrid-Antrieb nur eine Frage der Zeit.

Frentzen: Wir haben es beim 24-Stunden-Rennen ja bereits vorgemacht. In diesem Fall waren wir mit unserem Projekt der Formel 1 sogar einen Schritt voraus.

SPOX: Haben Sie Tipps für die F-1-Ingenieure, welche Kinderkrankheiten es geben könnte?

Frentzen: Die Formel 1 hat das Problem, am Limit arbeiten zu müssen. Vor allem in Sachen Gewicht müssen sie an die Grenzen gehen. Das ist eine hohe Hürde, die es zu überwinden gilt. Wir haben da mit dem Sportwagen mehr Spielraum.

SPOX: Wo lagen Ihre Probleme am Nürburgring?

Frentzen: Nicht bei der Elektronik, die hat einwandfrei funktioniert. Bei uns hat der konventionelle Antrieb gestreikt.

SPOX: Tut die Formel 1 genug für den Umweltschutz?

Frentzen: Die Formel 1 tut schon etwas. Für jedes Rennen werden zum Beispiel entsprechend dem CO2-Ausstoß irgendwo anders Wälder aufgeforstet.

SPOX: Reicht das?

Frentzen: Es geht darum, dass die Formel 1 das Thema ernst nimmt. Klar kann man nicht von heute auf morgen komplett auf Elektromotoren umrüsten. So weit ist die Technik gar nicht. Aber es ist ein guter Anfang, dass man die hoch qualifizierten Ingenieure auf Energieeffizienz trimmt. Die Formel 1 muss auch in diesem Bereich Vorreiter für die Automobilindustrie sein. Der Spitzensport ist die richtige Plattform dafür.

SPOX: Muss die Formel 1 diesen Weg gehen, um überleben zu können?

Frentzen: Sie geht diesen Weg, um auch für die Menschen, die der Formel 1 kritisch gegenüber stehen, ein Zeichen zu setzen, dass man sich mit den Themen CO2-Ausstoß und hohe Ölpreise auseinandersetzt.

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