"Alonso wäre der richtige Mann"

Von Interview: Alexander Mey
coulthard, david, helm
© Getty

München - David Coulthard verlässt zum Saisonende die große Bühne. Mit dieser Nachricht ließ der Schotte am Rande seines Heimrennens in Silverstone den Formel-1-Zirkus aufhorchen.

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Nach 15 Jahren voller heißer Duelle, großer Siege, aber auch verpasster Gelegenheiten beendet Coulthard seine aktive Karriere.

SPOX.com traf den 37-Jährigen kurz nach seiner Rücktrittserklärung und sprach mit ihm über die Favoriten auf seine Nachfolge bei Red Bull, seinen neuen Job, einen möglichen Wechsel in die DTM und entscheidende Moment in seiner Karriere.

Bei dieser Gelegenheit räumte Coulthard auch mit dem Vorurteil auf, F-1-Piloten hätten kaum Zeit für ihr Privatleben.

SPOX: Herr Coulthard, gibt es schon ein Leben nach der Rücktrittserklärung?

David Coulthard: Noch hat sich nichts großartig verändert, schließlich war das erst vor ein paar Tagen. Es hat mich aber gefreut, wie freundlich und höflich mir die Leute begegnet sind, wenngleich ich nie Formel 1 gefahren bin, um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern um meinen Job so gut wie möglich zu machen.

SPOX:  Wie haben die Kollegen reagiert?

Coulthard: Klar kommentieren sie so eine Entscheidung, aber ich habe nur Positives, manchmal Lustiges gehört.

SPOX: Wann genau haben Sie sich entschlossen aufzuhören?

Coulthard: Es gab nicht den einen Tag X, an dem ich beschlossen habe: "So, jetzt hörst du auf." Das hat sich seit Saisonbeginn entwickelt. Ich dachte, die großen Regeländerungen zur kommenden Saison wären eine gute Gelegenheit, um diesen Schritt zu machen.

SPOX: Was kommt nach der Karriere?

Coulthard: Ich will dem Team jetzt auf eine andere Weise helfen, den angestrebten Weg an die Spitze fortzusetzen. Wenn man ganz nach vorne kommen will, braucht man einen erfahrenen Mann, der das Auto beim Testen wirklich weiter bringt. Ein junger Fahrer hat keine Ahnung, was er da testet. Deshalb werde ich für Red Bull testen.

SPOX: Warum haben Sie Ihren Rücktritt nicht nach dem dritten Platz in Montreal bekannt gegeben?

Coulthard: Ich wollte eigentlich unbedingt bis zu meinem Heimrennen in Silverstone warten, aber in Kanada dachte ich plötzlich, dass ich vielleicht zum letzten Mal auf dem Podium stehe und es ein guter Zeitpunkt für die Rücktrittserklärung ist.

SPOX: Sie haben sich dann aber doch dagegen entschieden.

Coulthard: Ich habe es Robert Kubica zuliebe nicht getan. Denn er hatte nach seinem ersten Sieg die Aufmerksamkeit verdient, die wollte ich ihm nicht wegnehmen.

SPOX: Sehr rücksichtsvoll. Weiß Kubica davon?

Coulthard: Ich glaube nicht.

SPOX: Was werden Sie an der Formel 1 vermissen?

Coulthard: Das Adrenalin, wenn man sich im direkten Zweikampf auf der Strecke befindet. Wenn das wegfällt, muss ich mein Leben eben mit anderen Herausforderungen spicken.

SPOX: Was werden Sie gar nicht vermissen?

Coulthard: Da gibt es einige Aspekte, die mir nie Spaß gemacht haben. Die werde ich aber nicht nennen, weil ich die Leute, die damit zu tun haben, nicht beleidigen will. Aber es ist doch in jedem Job so, dass man nicht alle Aspekte gleich gerne macht.

SPOX: Ist Sebastian Vettel der richtige Nachfolger für Sie?

Coulthard: Der richtige Mann ist immer der schnellste, der gerade verfügbar ist. Sollte Fernando Alonso nach dieser Saison auf dem Markt sein, wäre er der richtige Mann. Er war schon im vergangenen Jahr verfügbar, ging dann aber zu Renault. Jetzt, da wir vor Renault stehen, wäre er wohl lieber zu uns gekommen. Ist Alonso nicht zu haben, ist Sebastian der richtige. Er gehört zur Red-Bull-Familie dazu, hat den Speed und auch die Konstanz. Er ist bereit für den Aufstieg.

SPOX: Was war der beste Moment Ihrer Karriere?

Coulthard: Ich hoffe, der kommt noch (lacht). Für solche Fragen bin ich nicht der Typ, denn ich habe nie gedacht: "Oh, das ist das Beste, was mir in meinem Leben je passiert ist!" Ich meine, ich bin 37 Jahre alt, nicht 67. Ich habe noch nicht vor, bald zu sterben.

SPOX: Was ist mit großen Siegen in Monaco oder in Silverstone?

Coulthard: Klar waren das schöne Erfolge, aber ich werde sicher später meinen Freunden und meiner Familie keine Geschichte über diese Rennen erzählen, um ihnen zu sagen, wie toll ich damals war. Generell rede ich mit Freunden und Familie nie über Rennsport. Ich führe zwei getrennte Leben, die so gut wie keine Berührungspunkte haben.

SPOX: Gibt es Fehler in Ihrer Karriere, die sie bedauern?

Coulthard: Da gibt es schon ein paar. Adelaide 1995, als ich in Führung liegend bei der Boxeneinfahrt in die Mauer gerutscht bin. Und natürlich Melbourne 1998, als ich Mika Häkkinen auf Anweisung des Teams überholen ließ.

SPOX: Ich merke, Sie mögen diese Art von Fragen nicht.

Coulthard: Das liegt daran, dass ich nicht in Kategorien wie "der beste Moment" oder "der schlechteste Moment" denke. Das ist genauso wie mit diesen Fahrersteckbriefen. Lieblingsgetränk, Lieblingsessen und so weiter. So etwas habe ich nicht, mir schmeckt immer das, was ich gerade esse oder trinke. "Lieblingssänger Phil Collins" stimmt auch nicht mein ganzes Leben lang.

SPOX: Sie sind also kein Freund von absoluten Aussagen.

Coulthard: Mal angenommen, ich werde 80 Jahre alt. Dann habe ich noch mehr als die Hälfte meines Lebens vor mir. Ich weigere mich zu glauben, dass die Formel-1-Karriere der beste Teil meines Lebens gewesen sein soll.

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SPOX: Wie werden Sie einen Ihrer großen Rivalen, Michael Schumacher im Gedächtnis behalten?

Coulthard: Man muss sich immer daran erinnern, was für ein außergewöhnlicher Fahrer er war. Er hat die Professionalität, die ein Pilot an den Tag legen muss, um erfolgreich zu sein, auf ein neues Level gehoben. Seitdem war es nicht mehr genug, einfach nur schnell Auto fahren zu können, es ging um Hingabe an den Job. Deshalb habe ich großen Respekt vor dem Rennfahrer Schumacher.

SPOX: Sie sind auch viele Jahre im Team mit Mika Häkkinen gefahren.

Coulthard: Mika war nicht der harte Arbeiter, der Michael war, aber er hatte ein unglaubliches Naturtalent, schnell fahren zu können. Er war zur richtigen Zeit im richtigen Team - und hatte den richtigen Teamkollegen (lächelt).

SPOX: Sowohl Schumacher als auch Häkkinen konnten das Rennfahren nach Ihren Rücktritten nicht sein lassen. Wird es Ihnen genauso gehen?

Coulthard: Ich höre ja nicht von heute auf morgen komplett auf, wie Mika das getan hat. Ich bin weiterhin bei Red Bull involviert und bleibe daher im Umfeld der Formel 1. Ich habe im Moment nicht das Verlangen, in einer anderen Rennserie zu fahren, was aber nicht heißt, dass sich das in Zukunft nicht ändern könnte, sollte ein interessantes Angebot kommen.

SPOX: Über Red Bull und Ihren ehemaligen Arbeitgeber Mercedes hätten Sie sehr gute Verbindungen zur DTM.

Coulthard: Darüber habe ich nie mit jemandem gesprochen. Wenn ich es gewollt hätte, wäre es sicher zu Gesprächen gekommen. Ob ich dann auch ein Cockpit bekommen hätte, ist noch einmal eine ganz andere Frage. Im Moment habe ich aber meinen Job bei Red Bull in der Formel 1. Ich will dem Team helfen, an die Spitze zu kommen. Zusätzlich kann ich nicht auch noch DTM fahren.

SPOX: Sie werden in den kommenden Monaten Vater. Sicher auch ein Grund, um sich mehr Zeit für das Privatleben zu nehmen.

Coulthard: Das habe ich nie gesagt.

SPOX: Ich habe es mir aber gedacht.

Coulthard: So ist es aber nicht. Ich habe auch jetzt schon genug Zeit für mein Privatleben. Ich fahre 18 Rennen im Jahr, gehe ab und zu testen und habe einige PR-Auftritte. Den Rest der Zeit verbringe ich mit meiner Verlobten, ihrer zehn Jahre alten Tochter und bald unserem gemeinsamen Kind. Ich muss aber nicht sieben Tage die Woche zu Hause sein, um ein gutes Privatleben zu haben. Es gibt keinen Anlass, nach meinem Karriereende etwas zu verändern.

SPOX: Ein glücklicher Mann.

Coulthard: Ich bin ein sehr glücklicher Mann. Mein Leben ist erfüllt - nur den WM-Titel habe ich nie gewonnen. Aber damit leben noch sehr viele andere Menschen glücklich und zufrieden.

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