Tischlein deck' dich!

Von Alexander Mey
mclaren, auto, tisch, gläser
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München - Sportwissenschaft: 8 Semester. Jura: 9 Semester. BWL: 10 Semester. Medizin: 12 Semester. Jede Fachrichtung hat ihre Regelstudienzeit. Auch das Studienfach Motorsport.

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Richtig gehört: Motorsport besteht im 21. Jahrhundert nicht mehr nur aus schnell fahren und möglichst furchtlos sein. Rennfahrer ist ein Lehrberuf geworden, der von einem jungen Nachwuchspiloten deutlich mehr fordert als einen schweren Gasfuß.

"Das kann man definitiv als eine Art Studium bezeichnen. Ohne eine solche Ausbildung geht es heutzutage fast gar nicht mehr, denn die jungen Kerle werden zu kompletten Rennfahrern ausgebildet", sagt Ex-Formel-1-Pilot Hans-Joachim Stuck im Gespräch mit SPOX.com.

Sechs-Mann-Jury mit prominenten Namen

Stuck bildet zusammen mit Formel-1-Pilot Timo Glock und Rennfahrer Christian Menzel den sportlichen Teil einer sechsköpfigen Jury, die in der Speed Academy Jahr für Jahr sechs junge Talente ausbildet.

Der andere Teil der Jury hat nichts mit Bremsen, Gasgeben und Lenken zu tun. Premiere-Moderator Peter Lauterbach, RTL-Boxengassenreporter Kai Ebel und Leopold Wiegand, der Redaktionsleiter der "Auto Bild Motorsport", machen aus den jungen Rennfahrern junge PR-Profis.

"Manchem Fahrer hätte Schule gut getan"

"Da sind Medientrainings dabei, sogar Benimmschulen. So manchem Fahrer im heutigen F-1-Starterfeld hätte so eine Schule gut getan", beschreibt Stuck das wie ein Casting anmutende Prozedere.

Was er damit sagen will: Fahrer, die einfach nur schnell sind, ansonsten aber den Mund halten und zum Lachen in den Keller gehen, will im Jahr 2008 niemand mehr sehen.

Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Deshalb ist die Ausbildung der Piloten von der Pike auf so wichtig.

Mit Klingmann durchs Motorsport-Studium

Einer der gelehrigsten Studenten ist Jens Klingmann. Der 17-Jährige gewann im vergangenen Jahr die Formel BMW Deutschland und schloss das Studienjahr an der Speed Academy quasi mit summa cum laude ab - er wurde zu "Deutschlands Motorsport-Talent des Jahres" gekürt.

Doch was musste er dafür tun? Außer schnell fahren natürlich. SPOX.com hat ihn danach gefragt.

"Man wird als Rennfahrer ganzheitlich ausgebildet", erklärt Klingmann und macht damit gleich klar, dass er mehr im Kopf hat als nur Benzin. "Mittlerweile kommt es eben auch darauf an, ob ich als Rennfahrer einen Satz geradeaus sagen kann."

Knigge für Rennfahrer

Doch das ist lange nicht alles. Benimmkurse stehen auch auf dem Plan. So ein bisschen wie früher in der Tanzschule, Knigge für Rennfahrer.

Klingmann erklärt: "Wir hatten einen Trainingsabend, an dem ich der Gastgeber war. Da ging es darum, wann man Weißwein, wann Rotwein ausschenkt, wie warm oder kalt die Weine sein dürfen. Dazu kommen Tischmanieren. Wo sitzt die Dame, geht man voraus, geht man hinter der Dame, rückt man ihr den Stuhl zurecht."

Sein Fazit: "Das war sehr intensiv, vielleicht auch übertrieben, aber es ist gut, wenn man es mal gehört hat. Im normalen Leben werde ich als 17-Jähriger natürlich nicht jeden Tag Gastgeber für viele Personen spielen. Aber man fühlt sich einfach sicherer."

Pilot wird zum Verkäufer

Im Zeitalter horrender Sponsorengelder, die die Teams brauchen, um ihre Etats stemmen zu können, ist der Fahrer gleichzeitig auch Verkäufer. Und um ein guter zu sein, braucht er die Sicherheit im Auftreten, die Klingmann und Co. beigebracht bekommen.

"Das Benimmtraining hat jetzt nicht wirklich etwas mit Motorsport zu tun, aber man muss ja schließlich auch seine Sponsoren entsprechend repräsentieren", sagt Klingmann. "Wenn man mit denen essen geht, muss man schon wissen, wie man das Besteck hält."

2008 hat er die Chance, sein Wissen über Fischmesser und Brotteller zu verfeinern, denn er ist zum dritten Mal in Folge ins Förderprogramm der Speed Academy aufgenommen worden. Zudem engagiert sich auch BMW in der Ausbildung Klingmanns.

Start in der Formel 3

Jetzt muss er es nur noch sportlich auf die Reihe bekommen. Klingmann startet in der Formel-3-Euroserie, der anerkannter Maßen besten Nachwuchsserie, aus der schon 17 Piloten den Sprung in die Formel 1 geschafft haben. Die aktuellsten Beispiele: Lewis Hamilton und Sebastian Vettel.

"Es ist auf jeden Fall ein Vorteil, wenn man diese Schule genießen darf,", sagt Klingmann und gibt die Marschroute vor: "Klar will ich gerne in die Formel 1."

Er weiß aber selbst, dass er sich gegen eine ganze Armada an jungen Konkurrenten durchsetzen muss.

Theissen warnt die Jugend

"Wir haben im Moment ein riesiges Angebot von jungen Fahrern, die schon sehr viel Rennerfahrung haben. Das wird auch in Zukunft so bleiben", erklärt BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen das Dilemma der Jugend. "Diese Fahrer bewerben sich um sehr wenige Plätze, gerade wenn es um die Formel 1 geht."

Seine Warnung: "Man bekommt in der Formel 1 nur eine Chance. Wer da nicht perfekt vorbereitet ist und die nutzt, der ist schnell wieder draußen. Es geht also nicht darum, möglichst schnell hineinzukommen, sondern optimal vorbereitet."

Regelstudienzeit noch nicht festgelegt

Geduld ist also gefragt, auch bei Jens Klingmann. Allerdings macht er nicht den Eindruck, als drohe er die Bodenhaftung zu verlieren.

Und schließlich hat er mit 17 Jahren auch noch genügend Zeit. Denn ganz so genau ist die Regelstudienzeit für die Fachrichtung Motorsport noch nicht festgelegt.

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