Chronologie eines Agenten-Thrillers

Von Jan-Hendrik Böhmer
Renault Spionageaffäre McLaren Klage Strafe
© Getty

München - Mysteriöses Pulver im Ferrari-Tank, hektische Kopier-Aktionen, Geheimdaten auf unscheinbaren Disketten: Die Formel 1 gleicht immer mehr einem Agenten-Thriller. 

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Lange gehörten die Hauptrollen dabei Ferrari und McLaren-Mercedes. Doch das neueste Kapitel im Formel-1-Groschenroman schreibt Renault. Schon seit einiger Zeit gibt es Gerüchte über einen verbotenen Technologie-Transfer von McLaren zu Renault. Nur mangelte es bisher an Fakten.

Bisher. Denn Renault-Gate wird seit Donnerstag endgültig filmreif in Szene gesetzt. Und zwar mit Hilfe der Silberpfeile. Besser gesagt: Mit Hilfe einer anonymen Quelle, die britischen Zeitungen ein geheimes McLaren-Statement zuschusterte.

"Unfairen Vorteil verschafft"

In dem eigentlich für die FIA-Anhörung bestimmten Papier finden sich unter anderem Aussagen von Teamchef Ron Dennis und der McLaren-Anwälte. Daraus geht hervor, dass sich "Renault einen unfairen Vorteil verschafft" hat.

Im Detail heißt das: Mindestens sieben hochrangige Renault-Techniker sollen in die Affäre verwickelt sein und mehr als 780 McLaren-Entwürfe studiert haben. Damit hätten sie Einsicht "in die kompletten Baupläne der 2006er und 2007er McLaren-Boliden" gehabt.

Besonders ärgerlich aus McLaren-Sicht: Renault spielt den Vorfall erfolgreich herunter und kaum jemand scheint deshalb über Renault-Gate Bescheid zu wissen.

Die Chronologie der Ereignisse

Deshalb die Frage: Was soll überhaupt passiert sein?

  • McLaren-Mitarbeiter Phil Mackereth verlässt die Silberpfeile im März 2006 und heuert wenig später bei Renault an. Vor seinem Abschied kopiert er geheime Daten auf elf Disketten und speist sie in das Renault-Netzwerk ein.

  • Die 33 Datenpakete enthalten insgesamt 780 technische Zeichnungen und zeigen die kompletten Entwürfe für die 2006er und 2007er McLaren.

  • Meinung McLaren: Die Daten wurden mit Wissen der Renault-Führung von insgesamt 18 Mitarbeitern und sieben hochrangigen Technikern analysiert und flossen in die Entwicklung der dortigen Boliden ein. Damit verschaffte sich das Team "einen unfairen Vorteil" und muss deshalb bestraft werden.

  • Meinung Renault: Mackereth hat die Daten aus "sentimentalen Gründen" im privaten Bereich des Renault-Computersystems hochgeladen - ohne Wissen der Chefetage. Erst später hat er Teile der Dokumente anderen Mitarbeitern gezeigt. Die Daten wurden nach der Entdeckung am 6. September umgehend gelöscht und sind nicht in die Entwicklung eingeflossen. Das Team sei demnach unschuldig und nicht zu bestrafen.

Renault-Rückzug möglich?

Welche Version eher der Wahrheit entspricht, darüber wird die FIA am 6. Dezember entscheiden. Sollte Renault aber tatsächlich die Verwendung der McLaren-Daten nachweisen können, hätte das weitreichende Folgen.

Ähnlich wie McLaren-Mercedes, die wegen der Ferrari-Spionage aus der Konstrukteurs-WM ausgeschlossen und mit einer Strafe von 100 Millionen US-Dollar belegt wurden, müsste Renault mit erheblichen Sanktionen und Kontroll-Auflagen rechnen. Glaubt man Gerüchten aus Frankreich, könnte die Affäre Konzernchef Carlos Ghosn sogar zu einem kompletten Rückzug aus der Königsklasse veranlassen.

Kein Wunder also, dass sich Fernando Alonso diesen Agenten-Thriller lieber im Urlaub zu Gemüte führt, anstatt schnell bei den Franzosen zu unterschreiben.

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