"Ferrari ist sehr glimpflich davongekommen"

Von Oliver Wittenburg
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© Getty

München - Knapp drei Wochen ist der Richterspruch des World Council der FIA jetzt alt. 

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McLaren-Mercedes wurde in der Spionageaffäre mit einer Geldstrafe von 100 Millionen Euro belegt und verlor alle Punkte in der Konstrukteursmeisterschaft.

Bisher war immer eins klar: Ex-Ferrari-Mitarbeiter Nigel Stepney ließ Ex-McLaren-Mercedes-Mitarbeiter Mike Coughlan Informationen zukommen. Hier Oper, da Täter.

Dass dies die einzig zulässige Lesart des Skandals ist, werden vor allem die Italiener nicht müde zu betonen. Gerade jetzt wieder hat der mächtige Luca Di Montezemolo mit markigen Aussagen den Status quo untermauert:

"Wenn Hamilton den Titel holt, dann hat er das auch Ferrari zu verdanken, denn es steckt eine Menge Ferrari in seinem Wagen. In der ganzen Spionage-Affäre war es ein Riesenfehler, die McLaren-Fahrer nicht gleich mit zu disqualifizieren", sagte der Ferrari-Boss der "Gazzetta dello Sport".

Informationen über den Rivalen

Doch wer sagt eigentlich, dass der Informationsfluss ein einseitiger war? Wer hat sich bisher mit der Frage beschäftigt, ob nicht auch Ferrari von vertraulichen Informationen aus dem Lager des Rivalen profitiert haben könnte?

Diese Fragen warf kein anderer auf als Stepney selbst. "Grandprix.com" zitiert den ehemaligen Chefmechaniker der Scuderia Ferrari ausführlich:

"Ich habe Informationen über ihre Boxenstopps bekommen. Ich wusste über ihre Gewichtsverteilung und verschiedene andere Aspekte ihres Wagens von ihm (Mike Coughlan, Ex-Chefdesigner McLaren-Mercedes, Anm. d. Red.). Ferrari ist sehr glimpflich davongekommen. Ich war zu dieser Zeit dort angestellt. Ich wusste über verschiedene Sachen Bescheid, die sie bei Testfahrten machten, Benzinmengen zum Beispiel. Ich wusste, wie viel Sprit sie im Tank hatten. Meiner Meinung nach hätten sie auch Punkte verlieren müssen."

Überrascht vom Urteil 

Doch Stepney verriet nicht, wie er mit dem Datenmaterial über McLaren verfahren war.

"Habe ich die Informationen verwendet, habe ich darüber gesprochen? Das ist die große Frage", sagte Stepney geheimnisvoll.

Mit bestimmten Leuten habe er sich ausgetauscht, beweisen könne er das aber nicht. Sicher ist sich Stepney aber in einem Punkt: Auch Ferrari hat von seiner Zusammenarbeit mit Coughlan profitiert.

Ob er von dem FIA-Urteil überrascht gewesen sei?

"Sehr überrascht", wird Stepney zitiert. "Es sieht so aus, als sei die Information nur in eine Richtung geflossen. Niemand hat dies hinterfragt. Alle glauben, Mike hätte die Fragen gestellt und ich die Antworten geliefert."

Ein Racheakt? 

Nun ist die Vertrauenswürdigkeit des der Spionage und Sabotage verdächtigten Stepney mit Vorsicht zu genießen. Ferrari öffentlich in Misskredit zu bringen und sich damit an seinem ehemaligen Arbeitgeber zu rächen, könnte ein Motiv sein.

Die Scuderia wird alle Anschuldigungen Stepneys vom Tisch wischen und darauf verweisen, dass man einem Betrüger nicht glauben kann. In der Tat werden das wenige im Formel-1-Zirkus tun.

Aber überdenkenswert sind die von Stepney aufgeworfenen Fragen allemal.

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