Prügel für den "Sauhund"

Von Alexander Mey
alonso, spiegel
© Getty

Dass Fernando Alonso Purple Schulz kennt, ist mehr als unwahrscheinlich. Und selbst wenn, er würde den Text seines Songs "Sehnsucht" ohnehin nicht verstehen.

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Schade eigentlich, denn er passt perfekt auf die momentane Geisteshaltung des Spaniers: "Ich will nur weg, ganz weit weg. Ich will raus!"

Alonso will weg von McLaren-Mercedes, nach Lage der Dinge sogar lieber heute als morgen. Am Dienstag hatte "Bild" gemeldet, dass die Anwälte des Weltmeisters bereits prüfen, wie er am besten aus dem bis 2008 laufenden Vertrag mit Option auf eine weitere Saison rauskommt.

Lauda prügelt auf Alonso ein

Am Mittwoch sorgte die "Bild" erneut für eine Schlagzeile. Diesmal meldete sich gegenüber dem Boulevard-Blatt Ex-Weltmeister Niki Lauda mit überdeutlicher Kritik an Alonso zu Wort.

"Anstatt zu jammern und den Nummer-1-Status zu fordern, sollte er Gas geben", sagte der dreimalige Weltmeister. Es gebe zwei Kategorien von Rennfahrern: Totale Egoisten, die alles versuchen, um auf der Strecke der Beste zu sein. "Auf der anderen Seite sind die Piloten, die nebenher Politik im eigenen Team machen, um ihre Position zu stärken. So einer ist Alonso", sagte Lauda: "Politik brauchen nur Schwächlinge."

Lauda spricht aus Erfahrung. Bei seinem letzten WM-Titel 1984 fuhr er im Team mit Alain Prost, einem Mann, dessen Einstellung auch nicht bei jedem Kollegen gut ankam. Als "Sauhund" bezeichnet Lauda den Franzosen heute, nur um hinzuzufügen: "Alonso ist schlimmer."

"Lügner! Erpresser!"

Bevor der so arg Gescholtene aber geht, will er schnell noch zum dritten Mal den Titel holen. Die Chancen dafür stehen gar nicht schlecht. Er liegt nur noch zwei Zähler hinter Teamkollege Lewis Hamilton und kann dank seiner Erfahrung und des Rückenwinds aus den letzten Rennen mit Recht als leichter Favorit bezeichnet werden.

"Lügner! Erpresser! Und zur Belohnung auch noch Weltmeister?", echauffierte sich die "Bild"-Zeitung angesichts dieser Prognose. Warum? Alonso wollte sein Team mit Informationen im Spionage-Skandal erpressen, heuchelte der Öffentlichkeit aber Ahnungslosigkeit vor.

Der Graben zwischen ihm und dem Team ist mittlerweile kilometertief - ein Wunder, dass sich alle Beteiligten überhaupt noch im Sinne des Erfolgs zusammenreißen können. Selbst der stets um Diplomatie bemühte Mercedes-Spotchef Norbert Haug sagte: "Wenn ein Fahrer partout nicht bleiben will, muss man sich zusammensetzen."

Dabei hatte vor knapp einem Jahr alles so harmonisch und vielversprechend angefangen - das silberne Jahr des Fernando Alonso.

15. Dezember 2006: Mit riesigem Tamtam reist Alonso kurzfristig zum letzten Test vor Weihnachten an, nachdem er doch noch die vorzeitige Freigabe von Renault bekommen hat. Er fährt in einem schneeweißen Overall, weil er noch keine McLaren-Sponsoren tragen darf. "Ich fiebere der Zukunft entgegen", sagt er.

15. Januar 2007: Mit noch mehr Tamtam präsentiert McLaren-Mercedes in Valencia das neue Auto. Das spanische Fernsehen überträgt live, die Fahrer drehen vor Abertausenden von Leuten Showrunden durch die Stadt. Die Euphorie ist gigantisch. Alonso sagt: "Ich glaube, das ist das richtige Team für mich. Das wird eine tolle Zeit." Auch sein Verhältnis zu Teamkollege Lewis Hamilton sieht er positiv: "Ich glaube, dass wir ein starkes Team bilden werden."

18. März 2007:  Formel-1-Experte Niki Lauda erklärt am Rande des Saisonstarts in Melbourne: "Alonso ist der richtige Mann für McLaren, er treibt das Team voran."

25. März 2007: Alonso und Pedro de la Rosa tauschen einander per E-Mail über die geheimen Informationen aus, die Ferrari-Spion Nigel Stepney den Silbernen zugespielt hat.

Mitte Mai 2007: Ausgerechnet beim Heimspiel in Barcelona verliert Alonso die WM-Führung an Hamilton. Erste kritische Stimmen werden laut. Alonsos Teammanager bei Renault, Steve Nielsen, sagt: "Er war immer schneller als seine Teamkollegen, aber jetzt gibt es einen, der gleich schnell oder sogar schneller ist. Er wird sich jetzt selbst hinterfragen und dadurch werden Selbstzweifel entstehen.

27. Mai 2007: Alonso gewinnt zwar in Monaco, aber nur, weil Hamilton vom Team zurückgepfiffen wurde. Unschöne Stallorder-Diskussionen trüben die Stimmung. Hamilton beklagt sich: "Ich muss eben damit leben, dass ich die Zwei auf dem Auto habe."

Mitte Juni: Nach Hamiltons erstem Sieg in Kanada sorgt Alonso mit einem Radiointerview für Aufregung. Er sagte, er fühle sich im Team nicht hundertprozentig wohl und habe das Gefühl, dass der Brite Hamilton im britischen Team bevorzugt werde.

17. Juni 2007: Hamilton schafft in Indianapolis den Doppelschlag und setzt sich dabei im direkten Zweikampf gegen Alonso durch. Der Spanier zeigt seinen Frust bereits während des Rennens offen, als er nah an die Boxenmauer fährt und die drohende Faust in Richtung Kommandostand reckt. Die Presse spricht von einer Demütigung Alonsos durch seinen Teamkollegen und propagiert zum ersten Mal den "Krieg der Sterne".

4. August 2007: Im Qualifying zum Ungarn-GP kommt es zum Eklat. Alonso blockiert im entscheidenden Moment Hamilton, damit der keine schnelle Runde mehr fahren kann. Es klappt: Alonso legt den Kollegen rein und fährt auf Pole. Zuvor hatte sich allerdings Hamilton einer Teamanweisung widersetzt, indem er Alonso zu Beginn der dritten Quali-Runde nicht passieren ließ. Trotzdem wird nur Alonso bestraft. Er muss von Platz sechs aus starten und hat keine Siegchance. Am selben Abend droht er Teamchef Ron Dennis, Details über den Spionage-Skandal auszuplaudern, wenn er ihm keinen Nummer-eins-Status im Team einräumt. Dennis geht nicht darauf ein und informiert die FIA. Dadurch kommt die Spionage-Affäre erst richtig ins Rollen.

7. August 2007: Alonso kokettiert offen mit Wechselgedanken und stellt McLaren ein Ultimatum. "Er oder ich", zitiert "Bild" den Champion unter Berufung auf spanische Medien im Bezug auf Hamilton. Doch da scheint das Tischtuch schon zerschnitten. "Hier wird sich nie etwas ändern. Einige wissen hier noch nicht einmal, dass ich Englisch spreche. Im ganzen Team gibt es nur eine einzige Person, die zu mir hält."

9. September 2007: Nach seinem Sieg in Monza verweigert Alonso Ron Dennis den Handschlag und wendet sich demonstrativ von ihm ab. Spätestens da ist sicher: Die beiden können überhaupt nicht miteinander. Die Medien gehen mittlerweile fest von einer Trennung zum Saisonende aus. Die Frage ist nur: Geht Alonso zurück zu Renault oder nimmt er sogar ein Jahr Auszeit?

Der Rest ist bekannt: Während sich Alonso langsam wieder an WM-Spitzenreiter Hamilton heranrobbte, wurde das Team in der Spionage-Affäre zu einer Rekordstrafe verdonnert.

Fortsetzung folgt.

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