Eishockey-WM - Erich Kühnhackl im Interview: "Marco Sturm hat das Zeug zum NHL-Coach"

Erich Kühnhackl wird auch der Kleiderschrank auf Kufen genannt.
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SPOX: Was glauben Sie als ehemaliger Spieler, der 1976 selbst beim Wunder von Innsbruck mit der Bronzemedaille dabei war und mitbekommen hat, wie lange darüber gesprochen und geschrieben wurde, wie man diesen Silber-Coup in einigen Jahren einordnen wird? War Pyeongchang für das deutsche Eishockey so etwas wie das Wunder von Bern für den Fußball oder der sensationelle EM-Titel für die Basketballer 1993?

Kühnhackl: Ich hoffe und glaube, dass dem so ähnlich sein wird, wie Sie es beschrieben haben. Entscheidend ist aber natürlich, was wir im deutschen Eishockey daraus machen. Alle, die in irgendeiner Form mitwirken, müssen ihren Teil dazu beitragen. Wir brauchen weiterhin Ergebnisse. Da ist sehr viel positives Denken dabei, das weiß ich. Aber ich bin nun mal ein Mensch, der von negativen Gedanken nicht viel hält. Diese Einstellung hat mir persönlich in meinem Leben immer extrem geholfen.

SPOX: Genau das, also den Boom zu nutzen, fordert auch Marco Sturm. Der Bundestrainer hatte bereits vor Olympia durchblicken lassen, sich bei seiner Vertragsverlängerung schwer getan zu haben. Sind Sie wie Sturm der Meinung, dass in der Nachwuchsarbeit im deutschen Eishockey nicht genügend vorangeht?

Kühnhackl: Ich kann Marco an dieser Stelle nur beipflichten. Man ist zwar mittlerweile auf dem richtigen Weg, aber man kann für die Nachwuchsarbeit gar nicht genug tun. Die Nachwuchsarbeit ist das A und O im deutschen Eishockey. Je mehr Geld und Zeit man investiert - und ich rede dabei von einem Zeitraum von zehn bis 15 Jahren - desto mehr wird sich das in der Zukunft rechnen. Davon würden letztlich alle profitieren - die DEL und die Nationalmannschaft.

Erich Kühnhackl: Marco Sturm hat das Zeug zum NHL-Coach

SPOX: Apropos Sturm. Welchen Anteil hat er Ihrer Meinung nach an den jüngsten Erfolgen?

Kühnhackl: Das Erste, was mir zu Marco positiv einfällt, ist, dass er trotz des Erfolges unglaublich bescheiden geblieben ist. Das, was er mit der Mannschaft erreicht hat, ist ja nicht vom Himmel gefallen. Da steckt sehr viel und sehr gute Arbeit dahinter. Er hat sich ein gutes Team um sich herum aufgebaut, die Liga steht hinter ihm und hilft ihm. Denn ich finde schon - da sind wir wieder bei der Nachwuchsarbeit und Ausbildung -, dass in der DEL deutsche Spieler allmählich immer häufiger die Chance bekommen, auch wichtige Rollen einzunehmen. Unter dem Strich bleibt: Marco hat einen ganz, ganz großen Anteil am Erfolg der Nationalmannschaft.

SPOX: Er hat selbst mehrfach betont, gerne irgendwann in Nordamerika arbeiten zu wollen. Wird Sturm irgendwann NHL-Trainer?

Kühnhackl: Ich wünsche ihm, dass ihm das eines Tages gelingt und glaube auch daran, dass es so kommen wird. Er war über viele Jahre hinweg ein großartiger NHL-Spieler, hat nun diese fabelhaften Erfolge als Bundestrainer. Er ist ein guter Typ im Umgang mit den Spielern, arbeitet gleichzeitig sehr hart. Natürlich hat Marco das Zeug zum NHL-Coach.

Erich Kühnhackl: Deutschland wird eine gute WM spielen

SPOX: Einen weiteren Schritt in Richtung NHL kann Sturm durch ein erfolgreiches Abschneiden mit dem DEB-Team bei der anstehenden WM in Dänemark machen. Muss man nicht gleichzeitig die durch Olympia gestiegene Erwartungshaltung fürchten, wodurch die Mannschaft gehemmt werden könnte?

Kühnhackl: In der heutigen Gesellschaft hat man in allen Bereichen Druck. Da ist es wurscht, ob man Eishockey spielt oder wie Sie darüber schreibt. Ich bin davon überzeugt, dass die deutsche Mannschaft eine gute WM spielen wird. Eishockey-Spieler sind Typen, die solche Herausforderungen lieben. Ich bin mir sicher, dass die Jungs an dieser Situation weiter wachsen.

Eishockey-WM 2018: Der deutsche Kader

PositionSpielerTeam
TorhüterNiklas TreutleThomas Sabo Ice Tigers
TorhüterMathias NiederbergerDüsseldorfer EG
TorhüterTimo PielmeierERC Ingolstadt
VerteidigerKorbinian HolzerAnaheim Ducks
VerteidigerDennis SeidenbergNew York Islanders
VerteidigerOliver MebusThomas Sabo Ice Tigers
VerteidigerYannic SeidenbergEHC Red Bull München
VerteidigerBjörn KruppGrizzlys Wolfsburg
VerteidigerBernhard EbnerDüsseldorfer EG
VerteidigerMoritz MüllerKölner Haie
StürmerNicolas KrämmerKölner Haie
StürmerMatthias PlachtaAdler Mannheim
StürmerMirko HöfflinSchwenninger Wild Wings
StürmerSebastian UviraKölner Haie
StürmerLeon DraisaitlEdmonton Oilers
StürmerYasin EhlizThomas Sabo Ice Tigers
StürmerPatrick HagerEHC Red Bull München
StürmerMarkus EisenschmidLaval Rocket
StürmerManuel WiedererSan Jose Barracuda
StürmerMarc MichaelisMinnesota State Univ
StürmerDominik KahunEHC Red Bull München
StürmerDaniel PiettaKrefeld Pinguine
StürmerMarcel NoebelsEisbären Berlin
StürmerFrederik TiffelsWheeling Nailers

SPOX: Das Team hat sich verändert. Stützen wie Christian Ehrhoff oder Marcel Goc sind zurückgetreten, insgesamt fehlen viele Olympia-Helden. Dafür sind mit Leon Draisaitl, Dennis Seidenberg und Korbinian Holzer drei NHL-Spieler wieder dabei. Besteht die Gefahr, dass der Teamgeist von Pyeongchang in der Form gar nicht mehr da sein kann?

Kühnhackl: Darin sehe ich kein großes Problem, weil Eishockeyspieler im Normalfall von Haus aus Typen sind, die sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Diese Euphorie, die rund um die Nationalmannschaft herrscht, wird helfen und nicht hemmen. Nochmal: Ich bin davon überzeugt, dass die Sache laufen wird.

SPOX: Abschließend hätten wir gerne eine Prognose von Ihnen: Wie weit geht es für Deutschland bei der WM?

Kühnhackl: Also hören Sie mal: Ich war Spieler, Trainer und Funktionär, kenne das Eishockey-Geschäft also von allen Seiten. Was mir aber gar nicht liegt, ist Tipps abzugeben. Wann immer ich das versucht habe, lag ich fürchterlich daneben. Ich habe gelernt, das lieber zu lassen. Am Ende denken die Leute noch, ich hätte keine Ahnung. (lacht)

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