Kein weiser Hai

Von Michael Graßl
Die Kölner Haie erleben bislang eine Saison zum Vergessen
© getty

Wie jedes Jahr waren die Kölner Haie Mitfavorit auf den Meistertitel in der DEL. Nach zwei Finalteilnahmen ging es in dieser Saison allerdings so stark bergab, dass man die Reißleine zog. Die Brennpunkte befinden sich auf und neben dem Eis und das, obwohl der Investor nur einen Wunsch hat.

Cookie-Einstellungen

Tränen. Leere. Fassungslosigkeit. Anders kann man die Gesichtsausdrücke der knapp 18.000 Haie-Fans in der Lanxess Arena am 29. April 2014 kaum beschreiben. Wieder verloren. Wieder vergeigt. Wieder kein Titel. Und wieder feiern die anderen.

Diesmal sogar in der eigenen Halle, wo an diesem Abend eigentlich die große Kölner Party steigen sollte - nach der ersten Meisterschaft seit 2002. Doch jubeln kann an diesem Tag nur der große Außenseiter aus Ingolstadt, der erstmals in seiner Geschichte DEL-Champion wurde.

Es war wohl einer bittersten Abende in der Geschichte des KEC - und ein folgenschwerer. Denn die Finalniederlage gegen den ERC scheint wie ein Damoklesschwert über der Domstadt zu hängen.

"In fünf Minuten war alles vorbei"

Die Haie legten wenige Monate später einen katastrophalen Start in die neue Saison hin. Auf dem vorletzten Platz rangiert Köln mittlerweile, nur Straubing ist noch schlechter. 15 Punkte Rückstand auf einen direkten Playoff-Platz, für eine Mannschaft, die vor der Saison als Meisterkandidat galt, eine erschreckende Momentaufnahme.

Das schlechte Abschneiden der Mannschaft ist aber nicht das einzige, was den Traditionsverein diese Saison schockte.

Kurzerhand feuerte man Klub-Ikone und Trainer Uwe Krupp. "In fünf Minuten war alles vorbei", sagte Krupp am Morgen nach der Entlassung gegenüber dem "Express". Nach der Niederlage beim HC Kosice in der Champions Hockey League war die Trennung noch am Abend des 8.Oktobers beschlossene Sache.

Während der DEL Trainer des Jahres 2013 am Abend darauf mit Ex-Haie-Spielern ein Bier trinken gehen wollte, schlug die Krupp-Entlassung in der deutschen Eishockey-Welt große Wellen.

Der Widersacher als Erbe

Besondere Würze erhielt die Scheidung vom gebürtigen Kölner und erstem deutschen Stanley-Cup-Gewinner durch die Bekanntgabe seines Nachfolgers. Niklas Sundblad, Ingolstadts Meistercoach, übernahm das Krupp-Erbe.

Nicht nur, dass Sundblad Krupp in einer dramatischen Finalserie bezwang, er war auch die Jahre zuvor Co-Trainer des Deutschen bei den Haien.

Die Kirsche auf der Torte: Noch wenige Tage vor der Entlassung hospitierte Sundblad beim KEC, war beim Training dabei und in der Kabine der Spieler. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.

Dass die von wenig Fingerspitzengefühl geprägten Entscheidungen der Haie-Verantwortlichen bei den Fans nicht gut ankommen würden, hätte man sich auch im Voraus denken können. Sundblad wurde im ersten Heimspiel mit Pfiffen begrüßt, Krupp dagegen mit zahlreichen Plakaten gewürdigt.

"Krupp war perfekt für die Haie"

Selbst Haie-Legende Dave McLlwain äußerte sich im "Express" ohne Verständnis für die Entscheidung der Verantwortlichen: "Es ist schlecht, dass die Haie mit einem Schnellschuss Krupp gefeuert haben. Er war perfekt für die Haie."

Zugutehalten muss man seinem schwedischen Nachfolger, dass die öffentliche Wirkung seiner Übernahme unglücklich verlaufen ist. Denn hätte Sundblad an Krupps Trainerstuhl gesägt, es wäre nicht der einzige gewesen.

Sundblad war nicht nur in Köln zu Gast, mehrmals besuchte er DEL-Spiele in Krefeld oder Iserlohn. Dass ein ehemaliger Coach auch mal in der Kabine nach dem Training seinen Ex-Spielern "Guten Tag" sagt, ist nicht verwerflich.

Und als vereinsloser Eishockey-Trainer einen Job bei den Kölner Haien annehmen? Wer würde das nicht tun? Nichtsdestotrotz ist ein schlechter Beigeschmack nicht von der Hand zu weisen.

Sundblad schlechter als Krupp

Sportlich gelohnt hat sich der Trainerwechsel nicht. Unter Krupp holte der KEC sieben Punkte aus acht Spielen, unter Sundblad nur sechs Punkte aus ebenfalls acht Spielen. Nur am Ex-Trainer kann es also nicht gelegen haben.

Erfolglosigkeit kann Krupp sowieso nicht wirklich vorgeworfen werden. Schließlich waren die Haie zwei Mal in Folge in den Playoffs bis zum Ende dabei. Aber für die Gesellschafter zählt eben nicht das Finale, sondern einzig und alleine der Titel.

Da passt der Trainer des Sensationsmeisters Ingolstadt perfekt ins Bild, will man endlich auch in Köln wieder ein Eishockeymärchen erleben.

Dass es trotz Sundblads schlechten Starts um den neuen Trainer relativ ruhig bleibt, liegt wahrscheinlich daran, dass der Schwede in Ingolstadt ebenfalls Startschwierigkeiten hatte. Mit Ach und Krach erreichte der ERC die Pre-Playoffs, erst dann begann der große Siegeszug. Und erst in den Playoffs zahlten sich seine Trainingsmethoden aus, als seine Mannschaft die fitteste aller Teams war.

Nethery muss auch gehen

Doch das große Reinemachen machte beim Trainerposten nicht Halt. Die Haie feuerten zusammen mit Krupp auch gleich all seine Co-Trainer und Lance Nethery. "Es kam schon ziemlich überraschend für mich. Ich habe die Entscheidung der Investoren aber zu akzeptieren", wirkte der Sportchef, für den es bis heute keinen Nachfolger gibt, verwundert über seine Freistellung.

Anhand Netherys Aussage wird deutlich, wer bei der Entlassung wirklich die Fäden in der Hand hatte: die Gesellschafter, angeführt von Frank Gotthardt.

Dem Investor gehören 80 Prozent des Klubs. Seit er bei den Haien eingestiegen ist, will er den Verein wieder auf den Eishockey-Thron führen.

Die Entlassungspapiere in die Hand bekamen Krupp und Co. aber nicht von Gotthardt, sondern von Geschäftsführer Peter Schönberger. Besagter Schönberger ist selbst erst drei Monate im Amt und äußerte sich in der "Bild" unglücklich über die Krupp-Entlassung: "Ich bin nicht der Eishockey-Experte." Ein Satz, der eingefleischte KEC-Fans durch die Decke gehen lassen dürfte.

Langfristiger Effekt gewünscht

So hat schlussendlich nicht die sportliche Leitung über die sportlichen Geschicke entschieden. Wäre auch gar nicht möglich gewesen, da sie in Persona von Nethery und Krupp gar nicht mehr da waren.

"Wir hätten gerne den positiven Effekt eines Trainerwechsels mitgenommen und ein paar Spiele gewonnen. Das ist nicht eingetreten. Uns geht es um den mittel- und langfristigen Effekt", rechtfertigt Schönberger die Zäsur in Köln.

Dass Gotthardt, der die Haie durch seinen Einstieg 2010 vor der Insolvenz gerettet hatte, irgendwann den Lohn für seine Investitionen sehen will, dürfte für niemanden überraschend kommen. "Einen Titel kann man aber nie garantieren, auch wenn einige das offenbar gerne hätten", kritisiert Krupp indirekt Gotthardt, der ihm aber gleichzeitig wieder das Geld für teure Spieler a la John Tripp oder Daniel Tjärnqvist bereitgestellt hat.

Beipflichten kann man Krupp an einer Stelle dennoch. Denn gewonnen werden muss der Titel immer noch auf dem Eis. Und dort läuft es für den KEC diese Saison mehr als dürftig.

"Es hat nicht mehr gepasst"

Und weil die Haie eben nicht die Haie wären, wenn es nicht auch aus der Mannschaft Schlagzeilen geben würde, hat sich Marcel Müller mal eben unter der Saison verabschiedet. Besser gesagt wurde er verabschiedet. "Marcel Müller hat die ihm zugedachte Rolle nicht so ausgefüllt, wie wir uns das erhofft haben. Es hat nicht mehr gepasst", so die offizielle Version.

Der ehemalige NHL-Spieler wurde schon während der Finalserie gegen Ingolstadt für seine Leistungen kritisiert, war er doch als Führungsspieler eingeplant.

Nach schwacher Ausbeute auch in der neuen Saison und öffentlicher Live-Schelte von Hans Zach vor laufenden Kameras folgte Müllers Abschied. Ein Zeichen an den Rest der Mannschaft ist es in jedem Fall.

Etwas mehr Ruhe in Köln wird es nur geben, wenn der Erfolg zurückkehrt. Und wer weiß, vielleicht findet Sundblad einen Weg, seinen Husarenritt durch die Pre-Playoffs bis ins Finale noch einmal zu wiederholen. Wobei das Finale natürlich nicht ausreicht. In Köln, da muss es schon die Meisterschaft sein.

Die aktuelle DEL-Tabelle

Artikel und Videos zum Thema