Das Imperium schlägt zurück

Von Christoph Köckeis
Kanada hofft bei der WM-Endrunde in Schweden und Finnland endlich Gold zu bejubeln
© getty

Kanada plant den Gegenschlag: Mit einer Offensiv-Armada gedenkt man, Russland an der Titelverteidigung zu hindern. Deutschland steht vor der WM in Schweden und Finnland am Scheideweg. Bundestrainer Pat Cortina rief den Charaktertest aus. SPOX ordnet die Kräfteverhältnisse ein.

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1. Kanada

Das Eishockey-Mutterland enttäuschte zuletzt mehrfach: Fünf Jahre liegt Gold zurück. 2010 blamierten sich die Ahornblätter bis auf die Knochen. Siebter zu werden, für einen 24-fachen Champion schlicht und ergreifend peinlich. Die Wiedergutmachung fiel mit zwei fünften Plätzen mangelhaft aus.

Diesmal wirft Kanada geballte Star-Power in die Waagschale: Torhüter Mike Smith, Jordan Eberle, Steven Stamkos, Claude Giroux, Eric und Jordan Staal, Taylor Hall oder Jeff Skinner. Die Offensive liest sich wie ein Best-of. Die Herkules-Aufgabe: Aus Individualisten eine funktionierende Einheit zu formen, soll Lindy Ruff, bei den Buffalo Sabres entlassen, bewältigen. Langsam steigt der Druck in unermessliche Höhen.

Player to watch: Steven Stamkos. Kaum ein Torjäger schüchtert Defender derart ein. In fünf Jahren erarbeitete sich der 23-Jährige den Ruf als Scharfschütze. Keiner knipste in dieser Periode zuverlässiger als der Tampa-Bay-Lightning-Center. Eine Gefahr auf zwei Beinen.

2. Russland

Wie sollte es anders sein: Auch diesmal führt der Weg zu Gold-Ehren über Russland. 2012 rollte die rote Dampfwalze durch das Turnier. Ein Triumphzug ermöglicht von Evgeni Malkin. Ihm glückte ein Kunststück, das zuvor lediglich Wayne Gretzky vergönnt war. Er glänzte in der NHL und bei der WM, führte die Scorerlisten an.

Diesmal tendiert ein Gastspiel Malkins ob der Playoffs gen Null. Selbst ohne den Ausnahmekönner sollte die Sbornaja aber über eine schlagkräftige Lineup verfügen. Ein Auszug gefällig? Bitteschön! Torhüter Ilya Bryzgalov, Ilya Kovalchuk, Artem Anisimov oder die KHL-Topscorer Sergei Mozyakin und Alexander Radulov.

Player to watch: Ilya Kovalchuk. Die Sperrspitze des russischen Ensembles. Noch im Vorjahr erreichte er mit den New Jersey Devils die Finals, diesmal platzte der Traum von Lord Stanley in der Regular Season. Für den Franchise-Player stellt die WM eine willkommene Abwechslung dar. Zuletzt plagte ihn die Schulter.

3. Schweden

Die Erwartungshaltung lastet schwer: Eine Medaille ist das Mindestziel. Doch ganz Schweden träumt von mehr. Von Gold. Von der ultimativen Krönung. Die Schweden sind eben erfolgsverwöhnt. Acht Mal gelang es den Tre Kronor bislang. Bei 40 von 65 Auftritten durfte man sich Edelmetalls erfreuen, eine beeindruckende Quote.

Vergangene Endrunde erlitt das ruhmreiche Image erste Kollateralschäden. Schon im Viertelfinale verabschiedete sich der Co-Gastgeber. Welchen Psychoknacks dies bei den Spielern hinterließ, wird der Turnierverlauf zeigen. Die Hoffnung ist jedenfalls unvermindert. Mit Spielern der Marke Loui Eriksson, Jhonas Enroth oder Pär Arlbrandt muss sie das sogar sein.

Player to watch: Gabriel Landeskog. 2011 war sein Jahr: Die Fachwelt staunte nicht schlecht, als er im Avalanche-Jersey durch die NHL fegte. 52 Punkte - ein Statement. Heuer stoppte ihn unter anderem eine Kopfverletzung. Zu Hause kann sich der 20-Jährige zurückmelden.

4. Tschechien

Einmal Gold, zwei Mal Bronze - und 2013? Tschechien zählt zum engsten Favoritenzirkel. Die Medaillen-Ränge hatte man in der jüngeren Vergangenheit gebucht. Das Roster von Alois Hadamczik überzeugt durch Geschlossenheit. Wie bei den Titeln nach der Jahrtausendwende. Klassische Go-to-Guys fehlen trotz Jakub Voracek, Jiri Tlusty, Radim Vrbata oder Tomas Fleischmann.

Um die K.o.-Runde muss man sich unter normalen Umständen nicht sorgen. Mit Schweden und Kanada begegnet Tschechien jedoch Teams, die tendenziell über sie zu stellen sind. Der sechsfache Titelträger sollte eine Schwächephase tunlichst meiden. Im Viertelfinale winken Kaliber.

Player to watch: Jakub Voracek. Am 23-Jährigen lag es nicht, dass in Philadelphia kein Playoff-Feeling aufkam. Unter all den Formschwachen avancierte er dank 46 Punkten zur Konstante.

5. Finnland

Im Mai 2011 endete die Durststrecke: 16 Jahre nach der historischen Premiere lächelte man vom Thron. Danach brachen alle Dämme. Es wurde gefeiert, in großem Stil und bis zum Umfallen. Nach einer berauschenden Party stürzte der Assistant Coach aus dem Flugzeug. Via Internet verbreitete sich dies wie ein Lauffeuer.

Die Öffentlichkeit echauffierte sich. Holt man daheim Gold, könnten wohl selbst Konservative über solch Exzesse hinwegsehen. Abermals wähnen sich die Suomi in einer komfortablen Position. Der Star ist die Mannschaft. Diese wird vielerorts unterschätzt. Nicht zu unterschätzen: Der Antrieb von der Tribüne. Mit dem Publikum im Rücken gelang schon so manch Sensation.

Player to watch: Lauri Korpikoski. Saku Koivu und Teemu Selänne halten in Übersee die Fahnen hoch, Mikko Koivu ist noch mit Minnesota in den Playoffs. Nur Korpikoski entstammt aus dem aktuellen Kader der NHL. Dafür sind die drei besten finnischen Scorer aus der heimischen Liga dabei, allen voran Juha-Pekka Haataja.

6. Slowakei

Die Slowakei ist zurück: Acht Jahre sehnte die Eishockey-Nation eine Medaille herbei. Im Vorjahr war es soweit. Gespickt mit Superstar wie Marian Gaborik, Marian Hossa oder Hexer Jaroslav Halak eroberte man Silber. Nun sieht sich der Weltmeister 2002 damit konfrontiert, dies zu bestätigen. Zuletzt häufte sich die Kritik an Erfolgsmacher Vladimir Vuijtek.

Im öffentlichen Diskurs wird vor allem die Kader-Zusammenstellung bemängelt. Einzige NHL-Akteure sind Verteidiger Andrej Sekera und Stürmer Tomas Kopecky. Veteran Jozef Stümpel darf sich im hohen Alter von 40 Jahren nochmals beweisen und auch der 38-jährige Miroslav Satan ist wieder dabei. In der Offense kommt außerdem KHL-Forward Tomas Zaborsky eine Schlüsselrolle zu.

Player to watch: Miro Satan. Seine Laufbahn neigt sich dem Ende zu. Der Stanley-Cup-Champion 2009 vertrat die Slowakei über eine Dekade erfolgreich in der NHL. Seit drei Jahren geht er für Slovan Bratislava auf Torejagd. Und für wichtige Tore ist er nach wie vor gut.

7. USA

Die Durststrecke ist lang, zu lang. Und sie wird 2013 anhalten. 52 Jahre wartet man jetzt auf den großen Wurf bei einer Endrunde. Die letzte Medaille, Silber, bejubelte man 2004. Warum? Das verrät ein Blick auf das Roster. Während Kanada die ganz schweren Geschütze auffährt, begnügt sich US-Coach Joe Sacco mit Durchschnitt.

Die prominentesten Namen: Paul Stastny, Matt Carle oder Stephen Gionta. Die restlichen Akteure sind in der NHL entweder Ergänzungen. Oder sie pendeln zwischen Anspruch und Wirklichkeit, sprich der AHL.

Player to watch: Paul Stastny. Er ist der dicke Fisch, ganz klar. Wobei die Produktion vergangener Jahre mit "nur" 24 Scorerpunkten einen Einbruch erlitt. Damit fügte er sich perfekt in die verkorkste Avalanche-Saison ein.

8. Schweiz

Die Eidgenossen haben vieles richtig gemacht: Unmittelbar nach dem Aufstieg katapultierte man sich 1998 in die Spitze. Die erste Medaille seit 1953 wurde knapp verpasst. Seither konnte man immer wieder Ausrufezeichen setzen. Getrost kann die Schweiz für Deutschland, Österreich und Co. als Vorbild dienen.

Die Förderung des Nachwuchses funktioniert bestens, zudem werden Talente ob der Import-Beschränkungen der Ligen zwangsläufig forciert. Mit Reto Berra hat man einen Keeper mit NHL-Potenzial, im Sturm ist Nino Niederreiter eine interessante Personalie. Der Durchbruch in der NHL lässt weiter auf sich warten, aber sein Talent ist unstrittig. Vom Talent gehört das Team ins Viertelfinale.

Player to watch: Roman Josi. Bei den Nashville Predators erarbeitete sich der Defender in den letzten eineinhalb Jahren ein gutes Standing. In Abwesenheit von Islanders-Kapitän Mark Streit wird der 22-Jährige in die Führungsrolle gedrängt. Die Reifeprüfung naht.

Platz 9-16: Deutschland und der Rest der Welt

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