Das ist der nächste Hammer!

Von Florian Regelmann
Deutschland steht nach dem Sieg gegen die Slowakei als Sieger der Gruppe A fest
© Getty

Deutschland hat zwei Tage nach dem sensationellen Sieg gegen Russland bei der Eishockey-WM in der Slowakei für den nächsten Paukenschlag gesorgt. Gegen den mit NHL-Stars gespickten Gastgeber gewann das DEB-Team einen echten Eishockey-Krimi mit 4:3 (0:0, 3:0, 1:3) und steht schon jetzt als Gruppensieger fest.

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Nach einem torlosen ersten Drittel schockte Deutschland die Slowaken mit einer überragenden Phase im zweiten Drittel, als man innerhalb von zwölf Minuten durch perfekt herausgespielte Tore von Marcel Müller (25.), John Tripp (34.) und Frank Hördler (37.) auf 3:0 davonzog.

Im Schlussdrittel erzielte Felix Schütz das 4:0 (45.), ehe die Slowaken sich noch einmal aufbäumten und das Spiel durch Treffer von Ladislav Nagy (47.), Jozef Stümpel (48.) und Pavol Demitra (53.) noch einmal spannend machten.

Es wurde zu einem echten Drama. Für das ganz große Comeback reichte es bei den Slowaken aber nicht mehr. Deutschland rettete den Vorsprung über die Zeit und steht schon vor dem abschließenden Spiel gegen Slowenien am Dienstag als Gruppensieger fest. Der Einzug ins Viertelfinale sollte jetzt nur noch Formsache sein.

LIVE-TICKER: Der dramatische Sieg des DEB-Teams zum Nachlesen

Reaktionen:

Uwe Krupp (Bundestrainer): "Wir haben die ersten 40 Minuten wirklich gut gespielt. Wir wollten uns nicht auf ein Zitterspiel gegen die Slowenen einlassen und den Sack zumachen. Das haben wir geschafft. In einem harten Spiel haben wir unseren Game-Plan erneut perfekt umgesetzt. Wir haben das Spiel einfach gehalten und waren in der Offensive gefährlich."

Patrick Reimer (Deutschland): "Wir sind im letzten Drittel nicht in Panik verfallen und haben verdient gewonnen. Die Heim-WM hat uns sehr viel Selbstvertrauen gebracht. Und der Sieg gegen Russland auch."

Christoph Ullmann (Deutschland): "Was wir hier gerade spielen, ist Wahnsinn. Das ist ein wunderschönes Gefühl. Im letzten Drittel haben wir es noch einmal spannend gemacht, aber Gott sei Dank haben die ganzen NHL-Stars der Slowaken ihr können erst so spät aufblitzen lassen."

Korbinian Holzer (Deutschland): "Jeder hat sich perfekt an den Gameplan gehalten. Wir hatten einen perfekten Kampfgeist und waren perfekt auf den Gegner eingestellt. Diese Truppe ist seit der WM 2010 fast komplett zusammen geblieben. Jeder glaubt an jeden."

Milan Jurcina (Slowakei): "Wir wussten, dass es kein einfaches Spiel werden würde. Deutschland hatte das Glück auf seiner Seite. Hätte das Spiel ein paar Minuten länger gedauert, hätten wir wahrscheinlich den Ausgleich noch gemacht."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Wie abgesprochen erhält Dennis Endras eine Pause, für ihn hütet Dimitri Pätzold das deutsche Tor. Ansonsten gibt es noch eine Änderung: Frank Mauer steht als 13. Stürmer auf dem Spielberichtsbogen. Die deutsche Mannschaft startet wieder mit Robert Dietrich und Justin Krueger in der Abwehr. Die erste Sturmreihe bilden Andre Rankel, Kai Hospelt und Michael Wolf. Bei den Slowaken sind Marian Hossa und Michal Handzus zum ersten Mal im Lineup. Die Slowaken beginnen mit Jaroslav Halak im Tor, Ivan Baranka und Milan Jurcina in der Abwehr sowie Jozef Stümpel, Pavol Demitra und Marian Hossa im Sturm.

6.: Klasse-Parade von Pätzold. Gaborik steckt mit der Rückhand den Puck auf Surovy durch. Aber Pätzold ist da und begräbt die Scheibe unter sich.

9.: PENALTY FÜR DEUTSCHLAND. Reimer zündet bei einer 3-5-Unterzahl-Situation den Turbo und Hossa kann sich kurz vor dem Tor nur noch mit einem Foul helfen. Reimer läuft zum Penalty an und entscheidet sich für den Schuss. Kein Problem für Halak.

16.: Pätzold, Pätzold, immer wieder Pätzold. Der sehr aktive Gaborik versucht es im ersten Drittel immer wieder, aber auch diesmal scheitert der Rangers-Star aus vier Metern am deutschen Keeper.

25.: TOR FÜR DEUTSCHLAND! Die Scheibe war eigentlich schon so gut wie weg, aber Ullmann setzt im gegnerischen Drittel nach und sieht Müller halbrechts vor dem Kasten. Dann macht es bumm! Müller schiebt den Puck am rechten Schoner von Halak vorbei ins Tor.

33.: TOR FÜR DEUTSCHLAND! Was ist denn hier los? Hossa mit dem Turnover, Schütz nimmt ihm die Scheibe ab, kurvt aufs Tor zu und sieht in der Mitte den Sportskameraden Tripp. Der drischt die Scheibe mit Lichtgeschwindigkeit auf den Kasten. Rechts neben dem Schädel von Halak schlägt die Tripp-Bombe ein.

37.: TOR FÜR DEUTSCHLAND! Ullmann kurvt hinter dem Tor vorbei und passt die Scheibe zu Hördler. Der schickt den Puck aus vier Metern mit einem kleinen Handgelenk-Kunstwerk auf die Reise. Der Puck schlägt im linken Kreuzeck ein. Wieder keine Chance für Halak!

45.: TOR FÜR DEUTSCHLAND! Tripp kurvt um den Kasten. In der Mitte wartet Schütz wie bestellt und nicht abgeholt und haut das Ding aus dem Handgelenk ins Gehäuse. Überragendes Tor.

46.: TOR FÜR DIE SLOWAKEI! Ein Funken Hoffnung für die Slowaken. Bartecko ist auf dem rechten Flügel durch und lupft die Scheibe in die Mitte, wo Nagy zur Stelle ist. Halb fiel er, halb sank er zu Boden, aber irgendwie schafft er es, den Puck via Drehschuss in den Kasten zu bugsieren.

48.: TOR FÜR DIE SLOWAKEI! Die Halle bebt! Die Slowaken sind wieder dran. Nagy drischt den Puck von der blauen Linie einfach mal auf den Kasten. Pätzold lässt nach vorne abprallen, wo Stümpel sich bedankt und den Puck reinknallt.

53.: TOR FÜR DIE SLOWAKEI! Das werden heiße letzte Minuten. Hossa zieht aus sechs Metern ab, Pätzold wehrt nur zur Seite ab, wo Demitra das Geschenk des Keepers annimmt und die Scheibe unter die Latte drischt. Nur noch 3:4. Das darf nicht wahr sein.

Der Star des Spiels: Felix Schütz. Im Prinzip gibt es bei dieser deutschen Mannschaft in den ersten beiden Spielen nur Stars. Endras-Backup Dimitri Pätzold zahlte das Vertrauen zum Beispiel mit einer starken Leistung zurück, hielt das Team im ersten Drittel mit seinen Saves im Spiel und hielt den Sieg in der hitzigen Schlussphase fest. John Tripp wurde offiziell zum besten Spieler gewählt, aber hier fällt die Wahl auf seinen Reihen-Kollegen Felix Schütz. Mit einer starken Vorarbeit bereitete der Center das 2:0 vor - und den Game-Winner zum 4:0 erzielte Schütz in überragender Manier selbst. Aber auch er soll nur stellvertretend für eine erneut geniale Mannschafts-Leistung stehen.

Der Flop des Spiels: Die Defensive der Slowakei. Marian Hossa war lange auch ein Flop-Kandidat, denn der 8-Millionen-Mann der Chicago Blackhawks gab bei seinem ersten WM-Einsatz in den ersten 40 Minuten keinen einzigen Schuss ab und war mit seinem üblen Turnover auch noch der Hauptschuldige beim 0:2. Im dritten Drittel wurde Hossa aber stärker. Im Endeffekt lag es sicher nicht an ihm, sondern am miserablen Defensivverhalten der Slowaken. Bei aller Freude über die deutschen Tore: Die Verteidigung der Slowaken war eines Gold-Kandidaten unwürdig. Die Slowaken müssen hoffen, dass All-Star-Verteidiger Lubomir Visnovsky (Anaheim) schnellstens einsatzbereit ist.

Analyse: Die Frage, wie das deutsche Team zwei Tage nach dem sensationellen Sieg gegen Russland ins Spiel kommen würde, war schnell beantwortet. Deutschland zog seine Linie wieder durch und agierte überhaupt nicht vorsichtig. Egal gegen welchen Gegner es geht, Uwe Krupp will, dass Team zwar kompakt steht, aber vor allem aggressiv forecheckt. Die neutrale Zone eng machen und dann selbst mit Geschwindigkeit schnell ins gegnerische Drittel kommen. Das gelang auch gegen die Slowaken wieder nahezu perfekt.

Die deutsche Mannschaft ließ sich auch nicht davon beeindrucken, dass die Slowaken zum Deutschland-Spiel mal eben mit Marian Hossa und Michal Handzus 1741 NHL-Spiele und 560 NHL-Tore ins Lineup integrierten. Die Deutschen ließen sich nichts gefallen, leisteten sich aber anfangs zu viele Strafzeiten. Bei einer 3-5-Unterzahl-Situation brauchte es viel Glück, als ein Gaborik-Hammer nur an die Latte knallte. Dann hätte es aber zum Coup überhaupt kommen können, als Reimer in doppelter Unterzahl einen Penalty herausholte, ihn aber ziemlich schwach vergab.

Die Slowaken unterschätzten die Deutschen nicht und spielten auch ihrerseits sehr diszipliniert. Da ihr Power Play trotz aller Stars aber nicht funktionierte und Pätzold überragend hielt, blieb es nach dem ersten Drittel beim 0:0. Die Slowaken hatten zwar Vorteile, aber es war auch nicht so, dass Deutschland offensiv nicht stattfinden würde.

Im zweiten Drittel wurde Deutschland dann sogar stärker und spielte eines der besten Drittel, an die man sich so erinnern kann. Das Schussverhältnis (16:8 im 2. Drittel) drehte sich zugunsten des DEB-Teams, die Führung durch Müller war der verdiente Lohn. Danach hatte man zwar auch wieder Glück, als Handzus beide Pfosten traf, aber das Glück erarbeitete sich Deutschland auch. Und wenn sich die Chance ergab, schlug das Team eiskalt zu. Auch das 2:0 durch Tripp und das 3:0 durch Hördler waren nicht ins Tor gewürgt, beide Treffer waren glänzend herausgespielt und traumhaft abgeschlossen.

Die Slowaken waren geschockt, die Halle war ruhig. Es war kaum zu glauben, was sich da in Bratislava wieder abspielte. Nach dem 4:0 durch Schütz schien das Spiel endgültig gelaufen, aber dann drehten die Slowaken noch einmal auf. Ihr Weltklasse-Talent, das sich durch die ganze Mannschaft zieht, kam jetzt durch und plötzlich musste Deutschland noch zittern. Die Slowaken drückten mit aller Macht auf den Ausgleich (19:6-Schüsse im 3. Drittel), aber es sollte nicht mehr reichen. So steht nach zwei WM-Spielen folgende DEB-Bilanz zu Buche: 2:0 gegen Russland, 4:3 gegen die Slowakei. Zwei Top-Nationen völlig verdient geschlagen. Absolut irre.

Der Spielplan der Eishockey-WM in der Slowakei

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