Halbfinale! Der nackte Wahnsinn!

Von Für SPOX in Mannheim: Alexander Mey
Die gelben Trikots brachten Deutschland wie schon beim Eröffnungsspiel Glück
© Getty

Die Sensation ist perfekt. Das DEB-Team steht bei der Eishockey-WM in Deutschland im Halbfinale. Durch ein 1:0 gegen die Schweiz spielen die Deutschen zum ersten Mal seit 1953 um eine WM-Medaille.

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Was diese Mannschaft in den vergangenen beiden Wochen geleistet hat, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Heldenhaft trifft den sensationellen Einzug ins Halbfinale bei der Heim-WM vielleicht am ehesten. Als Abstiegskandidat gehandelt, spielte sich das Team vor den eigenen Fans in einen Rausch und steht jetzt dort, wo es sich in den kühnsten Träumen nicht gesehen hätte - im WM-Halbfinale.

Und das zum ersten Mal nach 57 Jahren.

"Unglaublich! Ich habe schon gedacht, Schalke war geil. Aber das ist einfach nur Wahnsinn. Seit wir das erste Mal zum Jubeln aufs Eis gerannt sind, habe ich Gänsehaut", sagte Kai Hospelt, einer der besten Spieler des Spiels, im Gespräch mit SPOX.

Sven Felski konnte den Erfolg trotz seiner langjährigen Erfahrung genauso wenig fassen: "Jeden, der mir das vorher gesagt hätte, den hätte ich für total bescheuert erklärt. Wir haben brutale Geschichte geschrieben. Wir träumen hier jetzt schon eine ganze Weile. Erst haben wir vom Viertelfinale geträumt, dann vom Halbfinale. Und jetzt träumen wir weiter."

Endras ist der Held des Abends

Held des Viertelfinal-Abends in Mannheim war Goalie Dennis Endras. Er schaffte den ersten Shutout des Turniers und sicherte dem DEB-Team mit großartigen Paraden die knappe Führung bis zur Schlusssirene.

"Endras hält einfach Weltklasse", sagte Felski. Hospelt ergänzte: "Wir haben ja leider mit Wolfsburg in den Playoffs gegen Endras verloren. Jetzt weiß ich, warum. Es ist einfach nur Wahnsinn, wie der spielt."

Blutige Massenschlägerei nach dem Spiel

Nach dem Spiel kam es noch zu ganz hässlichen Szenen. Die Schweizer zettelten eine wüste Massenschlägerei an, in der es vor der deutschen Bank besonders heftig abging, Blut floss und sogar deutsche Betreuer verwickelt waren.

"Das ist ein hochemotionales Spiel, ein Derby. Diese Jungs kennen sich, seit sie in der U 16 gespielt haben. Da kochen die Emotionen auch einmal über", kommentierte Bundestrainer Uwe Krupp die Tumulte. "Aber das ist nicht die Geschichte dieses Spiels. Man sollte sich über den Kampf um jeden einzelnen Zentimeter auf dem Eis unterhalten, nicht darüber."

Im Halbfinale, das nach dem kurzen Gastspiel in Mannheim wieder in Köln stattfinden wird, trifft Deutschland am Samstag um 18 Uhr erneut auf die Superstars aus Russland, die Kanada in einem ebenso emotionalen Spiel 5:2 geschlagen haben.

SPOX fasst die Lehren des Spiels zusammen.

Erstes Drittel: Die Deutschen spielen wie in der zweiten Hälfte des Slowakei-Spiels mit Philip Gogulla in der dritten Reihe und verzichten dafür auf John Tripp. Die ersten Minuten sehen gut aus. Aggressives Forechecking setzt die Schweizer unter Zugzwang. Die Folge: viele Fehlpässe. Nach sieben Minuten haben sich die Schweizer aber auf das deutsche Spiel eingestellt und kommen immer besser in Schwung. Die Pässe kommen genauer und führen zu guten Chancen. Unter anderem Marcel Jenni in der 10. Minute scheitert aber am starken Dennis Endras. Der Führungstreffer liegt in der Luft, bis in der 16. Minute Martin Plüss die Nerven verliert und sich zu einem Stockstich gegen Christian Ehrhoff hinreißen lässt. 5 Strafminuten plus Spieldauer-Disziplinarstrafe für einen der Leistungsträger im Schweizer Team. Aus der Überzahl machen die Deutschen - das schlechteste Powerplay-Team bei der WM - leider aber wieder einmal zu wenig. Gogulla vergibt die beste Chance. Das Schussverhältnis lautet 12:6 für die Schweiz. Deutschland wirkt nervös und leistet sich zahlreiche Fehler im Spielaufbau, aber die kämpferische Einstellung stimmt erneut.

Zweites Drittel: Die Deutschen legen mächtig los. Bully-Gewinn, Ehrhoff stürmt nach vorne, legt ab auf Rankel und der hat nach sieben Sekunden das 1:0 auf der Kelle. Aber er verzieht leicht. Dann leider eine Strafe gegen Goc, die dem deutschen Spiel den Elan nimmt. Die Schweiz drückt, Savary bringt nach 25 Minuten einen Schuss durch die Beine von Endras, doch die Scheibe kullert am linken Pfosten vorbei. Nur eine von zahlreichen Chancen für die Gäste. Bundestrainer Krupp stellt die Reihen um. Er bringt Tripp für den am Finger verletzten Hager in die dritte Reihe. Doch die nächste Großchance für Deutschland vergeben Ullmann und Wolf aus der zweiten Reihe. Nur eine Minute später das Tor! Hospelt zieht ab, der Schweizer Goalie Gerber lässt nach vorne prallen und ausgerechnet Gogulla, der die meisten Spiele bei der WM zuschauen musste, trifft per Handgelenksschuss. Die Schweizer sind konsterniert, nichts geht mehr. Der starke Hospelt hat eine von zahlreichen Chancen zum 2:0, aber er verzieht bei einem Break hauchdünn! Eine tolle Leistung des deutschen Teams. Sie sind an der Sensation dran!

Drittes Drittel: Keine Spur davon, dass das deutsche Team den Vorsprung nur über die Zeit retten will. Aggressiv geht es los, Felski hat nach nicht einmal zwei Minuten eine gute Schusschance zum 2:0, verzieht aber ganz knapp. Erst nach knapp fünf Minuten raffen sich die Schweizer wieder auf und machen Druck. Aber Endras, immer wieder Endras. Es wird immer schlimmer. Die Schweizer werfen in den letzten Minuten alles nach vorne und haben riesige Chancen. Das Schussverhältnis in den letzten 20 Minuten: 19:5 Schweiz. Aber Endras wird für seine tolle Leistung jetzt auch mit Glück belohnt. Das DEB-Team vergibt die Entscheidung, als sie einige brandgefährliche Breaks nicht mit dem Torerfolg krönen kann.

Star des Spiels: Dennis Endras. Ein Wahnsinn, was für eine WM der junge Augsburger Goalie spielt. Es war seine fünfte Partie und er hat nur fünf Tore kassiert. Gegen die Schweiz hat er Deutschland in den Drangphasen der Gäste im ersten und zweiten Drittel und vor allem in den letzten 15 Minuten mit tollen Reaktionen im Spiel gehalten. Am Ende stand er bei 41 Saves. Zudem strahlte er jede Menge Ruhe aus und wirkte zu jedem Zeitpunkt total sicher. Der erste Shutout des Turniers war die Belohnung. Wenn er so weitermacht, wird sein Weg früher oder später in die NHL führen müssen.

Lehren den Spiels: Zu dieser deutschen Mannschaft fehlen einem die Worte. Vor allem gehen einem die Superlative aus. Die Defensive bleibt der Schlüssel zum grandiosen Erfolg des Teams. Nach dem Shutout für Endras bleibt es bei neun Gegentoren in sieben Spielen - überragend!

Für Abergläubische kann man festhalten: Die gelben Trikots haben Glück gebracht. Zum ersten Mal seit dem Eröffnungsspiel auf Schalke kamen sie zum Einsatz - und es gab wieder einen Sieg. Diesmal einen noch historischeren.

Das DEB-Team ist über sich hinausgewachsen und hat mit den frenetischen Fans in der ausverkauften SAP-Arena im Rücken die Schweizer vor allem auch mental beeindruckt.

Jetzt kommen wieder die Russen. Ob der Einsatz und die Moral aber auch gegen Owetschkin und Co. reichen werden, ist fraglich.

Egal, der Heldenstatus ist den Deutschen schon jetzt sicher.

Schweiz - Deutschland im Ticker zum Nachlesen