"Ich habe seit 1996 kein Kreuzband mehr"

Von Interview: Alexander Mey
Sascha Goc spielt seit 2005 für die Hannover Scorpions
© Getty

Sascha Goc hat eine bewegte Eishockey-Karriere hinter sich. Einst hoffnungsvoll in eine NHL-Karriere bei den New Jersey Devils gestartet, warf unter anderem eine brutale Knieverletzung den 30-Jährigen zurück. Jetzt kämpft er mit den Hannover Scorpions in der DEL um die Playoffs. SPOX sprach mit Goc über Sternstunden und Fehler in seiner Karriere, einen Trümmerhaufen namens Knie und seine Brüder Marcel und Nikolai.

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SPOX: Herr Goc, endlich weg vom vorletzten Tabellenplatz der DEL. Wie groß war die Erleichterung nach dem Sieg in Augsburg am Dienstag?

Sascha Goc: Der Sieg war enorm wichtig. Wir haben bisher zu viele Spiele gehabt, die wir knapp nach Verlängerung verloren haben. Acht von neun Mal ist uns das passiert. Wir haben uns immer gut im Spiel gehalten, dann aber doch eine Möglichkeit gefunden, das Ding noch zu verlieren.

SPOX: Trotzdem sah es auf dem Eis nicht danach aus, als seien Sie verunsichert.

Goc: Sind wir auch nicht. Wir haben viele erfahrene Spieler im Team, und auch unser Trainer Hans Zach bringt immer wieder Ruhe hinein. Wir sind also nicht nervös geworden. Vor allem die Länderspielpause hat uns sehr gut getan.

SPOX: Trotzdem ist der Absturz vom zweiten Platz in der Vorsaison und dem knappen Aus im Playoff-Halbfinale enorm. Was ist in diesem Jahr anders?

Goc: So viel haben wir eigentlich gar nicht verändert, auch beim Personal nicht. Es ist einfach schwierig, nach so einer guten Saison an die Erfolge anzuknüpfen. Die anderen Teams wissen jetzt, dass Hannover nicht zu unterschätzen ist, und bereiten sich sehr gut vor. Das macht es uns sehr schwer.

SPOX: Ihre Saison läuft gut. 19 Scorerpunkte sind für einen Verteidiger nicht schlecht.

Goc: Na ja, es geht. Mir ist der Erfolg des Teams wichtiger als mein eigener. Wir müssen da unten rauskommen und irgendwie die Playoffs erreichen. Wenn ich dazu meinem Beitrag leisten kann, dann umso besser. Sowohl offensiv, aber vor allem defensiv. Ich muss erst einmal zusehen, dass wir hinten keine Tore kassieren.

SPOX: Ihr jüngerer Bruder Nikolai hat in Augsburg nach langer Verletzung zum ersten Mal getroffen.

Goc: Das freut mich natürlich sehr. Nach so einer langen Pause ist es schwer, wieder in Tritt zu kommen. Aber er kämpft sich wieder heran und ist auf einem guten Weg zu alter Stärke. Ich weiß, was er kann, und bin überzeugt, dass er ein Kandidat für die Nationalmannschaft bleibt, wenn er so weitermacht wie jetzt.

SPOX: Nikolai könnte nach Ihnen und Ihrem anderen Bruder Marcel der dritte Goc in der NHL werden.

Goc: Schauen wir mal. Dazu muss er erst einmal ein paar internationale Turniere spielen, um die Scouts auf sich aufmerksam zu machen. Das hat Priorität, an die NHL kann er denken, wenn er das geschafft hat.

SPOX: Ist er mit 23 Jahren für diesen Schritt nicht schon zu alt?

Goc: Als Verteidiger auf keinen Fall. Im Gegenteil, da ist er genau im richtigen Alter. Ein Brian Rafalski war schon um die 30, als er in die NHL gekommen ist. Man muss auch das richtige Alter haben, um mit dem enormen Druck umgehen zu können, wenn man gedraftet wird. Es ist nämlich schon sehr hart da drüben.

SPOX: Sie sprechen aus eigener Erfahrung. Sie wurden früh von den New Jersey Devils gedraftet, konnten sich aber nie richtig durchsetzen.

Goc: Stimmt, ich habe das alles am eigenen Leib erfahren. Ich war 19 Jahre alt, als ich rüber gegangen bin. Im Nachhinein denke ich mir, dass ich vielleicht lieber noch zwei Jahre hätte warten sollen. Der Schritt in die USA ist schon gewaltig. Da gibt es so viele gute Spieler, die in die Mannschaft wollen. Einen derartigen Leistungsdruck ist man als junger deutscher Spieler überhaupt nicht gewöhnt. Die Kanadier kennen das schon aus der Jugend. Um dagegen anzukommen, sollte man schon eine gewisse Reife besitzen.

SPOX: Wie eng ist der Kontakt des Goc-Clans Sascha, Marcel und Nikolai untereinander?

Goc: Sehr eng. Im Sommer wohnen wir gemeinsam in einem Haus im Schwarzwald und trainieren jeden Tag miteinander, und jetzt während der Saison telefonieren wir drei bis viermal in der Woche.

SPOX: Wie geht es Marcel seit seinem Wechsel von San Jose nach Nashville?

Goc: Er ist ganz glücklich, in Nashville zu sein. Er spielt regelmäßig, zwar mit defensiven Aufgaben, aber er bekommt seine Eiszeit. Ihm macht es Spaß.

SPOX: Wie ist es um Ihren Spaß bestellt? Immerhin haben Sie seit vielen Jahren chronische Probleme mit dem Knie.

Goc: Ach, es geht. Ich habe das ja nun schon seit 13 Jahren. Mir macht es trotzdem noch Spaß. Am Anfang war es ganz okay, aber in den letzten Jahren ist es durch die Belastung und die eine oder andere neue Verletzung schlechter geworden. Das Knie ist ab und zu geschwollen und ich muss mit Karbonschienen spielen, sonst würde es gar nicht gehen. Dennoch bin ich ganz zufrieden.

SPOX: Kaum zu glauben, wenn man weiß, was in Ihrem Knie alles kaputt ist.

Goc: Ja genau. Ich habe Arthrose, seit 1996 kein Kreuzband mehr, Knorpelschaden, der Meniskus ist innen und außen kaputt. Das ist nicht ganz so toll.

SPOX: Und trotzdem machen Sie noch immer Leistungssport? Andere Leute könnten nicht einmal mehr vernünftig laufen.

Goc: Es gibt gute und schlechte Tage, aber im Moment überwiegen noch die guten. Wenn ich irgendwann einmal jeden Tag damit zu kämpfen habe, muss ich mir Gedanken machen, ob das alles noch Sinn macht.

SPOX: Können Sie den Schmerz im Spiel verdängen?

Goc: Meistens schon. Aber es gibt Tage, da tut es so sehr weh, dass ich es selbst auf dem Eis noch merke.

SPOX: Trotzdem gelten Sie als beinharter Verteidiger.

Goc: Nicht mehr so wie früher. Heute muss ich schon überlegen, was ich mache. Natürlich gehört zu einem guten Verteidiger körperliches Spiel dazu, aber mit dem Alter bin ich dann doch etwas vernünftiger geworden (lacht).

SPOX: Sie entdecken also immer mehr Ihre sanfte Seite?

Goc: Klar. Ich haben zu Hause Frau und zwei Kinder. Bei denen bin ich ganz ruhig und entspannt.

SPOX: Wie lange wird Sascha Goc noch in der DEL spielen?

Goc: Solange ich noch mithalten kann und Spaß habe. Dafür ist natürlich entscheidend, wie das Knie mitmacht. Laufe ich irgendwann nur noch hinterher, dann macht es mir auch keinen Spaß mehr und ich lasse es bleiben.

SPOX: Was kommt danach?

Goc: Ich werde dem Eishockey schon in irgendeiner Form erhalten bleiben. Ich bin Karriere-Sportler und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, im Büro zu hocken. Mal sehen, was hier in Hannover im sportlichen Bereich geht.

SPOX: Wären Sie lieber Manager oder Trainer?

Goc: Trainer. Ich schreie gerne ab und zu mal rum (lacht). Ich könnte mir auch vorstellen, eine Jugendmannschaft zu trainieren. Ich habe viel Erfahrung, war in der Welt viel unterwegs und habe viel gesehen. Das würde ich gerne weitergeben.

LIVESCORE: Hannover Scorpions - Nürnberg Ice Tigers, 19.30 Uhr