"Es muss ausgemistet werden"

Von Interview: Stefan Drescher
Trotz der zuletzt desolaten Leistungen stehen die Kölner Fans noch hinter ihrer Mannschaft
© Imago

Nach 40 Spieltagen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) ist bei den Kölner Haien die schlechteste Saison seit über einem Vierteljahrhundert fast perfekt. Aktuell belegt der Meister von 2002 den drittletzten Platz. Erstmals seit 28 Jahren droht man in der Domstadt wieder, die Playoffs zu verpassen.

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Hinzu kommen die zuletzt blamablen Heimauftritt vor dem ohnehin schon stark strapazierten Publikum. Mit dem unrühmlichen 4:3-Heimsieg nach Verlängerung gegen das desolate Tabellenschlusslicht Duisburg scheint nun der sportliche Tiefpunkt in der Rhein-Metropole erreicht zu sein.

Im SPOX-Interview analysiert die Kölner Torwart-Legende und Ex-Nationalspieler Joseph "Peppi" Heiß die Lage in Deutschlands Eishockey-Mekka, nennt die Gründe für die sportliche Misere und spricht über die Zukunft des Eishockeys in Köln.

SPOX: Nach vier Niederlagen in Folge und zahlreichen schlechten Heimspielen hat man das Gefühl, dass bei den Haien der Sieg gegen die Füchse Duisburg schon als Erfolgserlebnis gewertet wird. Steht es schon so schlimm um das Eishockey in Köln?

Joseph Heiß (lacht): Die spielen in diesem Jahr natürlich eine Katastrophen-Saison. Es gibt viele Gründe, am schwersten wiegt wahrscheinlich jedoch der Abgang von Top-Skorer Ivan Ciernik, den man nicht kompensieren konnte. Hinzu kommt die Geschichte mit Robert Müller. Robert hat letztes Jahr natürlich eine super Saison gespielt, er hat die Haie mehr oder weniger ins Finale gebracht. Das sind zwei Leute, die dieses Jahr abgehen. Wenn man die nicht einmal zur Hälfte kompensieren kann, ist das schwer zu verkraften.

SPOX: Das erste Mal seit 28 Jahren droht man wieder, die Playoffs zu verpassen. Der Grund dafür liegt ihrer Meinung nach in diesen zwei Personalien?

Heiß: Ich denke, dass sind die zwei Hauptgründe. Es gibt aber auch noch andere Dinge, die hinzukommen. Die Mischung in der Mannschaft stimmt nicht. Man hat zu viele alte Spieler, dafür im mittleren Alter, um die 28 Jahre, zu wenige Gute. Dazu kommt, dass man in Köln immer sehr viel erwartet. Wenn es dann mal nicht so läuft, wird der Erfolgsdruck natürlich immer größer, was die Situation nicht einfacher macht. Auf der anderen Seite ist die momentane Situation aber auch eine Chance für einen Neuanfang in Köln, die Möglichkeit, einen Schnitt zu machen und mit einem neunen Trainer und jungen Spielern, bei denen man weiß, was man an ihnen hat, über die nächsten vier bis fünf Jahre eine neue Mannschaft aufzubauen.

SPOX: Meinen Sie, man würde sich mit so etwas in Köln zufrieden geben - keine großen Namen, keine Stars?

Heiß: In Köln sind die Leute ganz gerade heraus, man kann denen das schon erklären. Wenn man ihnen zeigt, da wird hart gearbeitet, das Spiel wurde vielleicht knapp verloren, aber man hat gesehen, dass die Jungs alles gegeben haben, dann akzeptieren die Fans das auch.

SPOX: Sie haben es angesprochen: Ciernik ging weg, als Ersatz wurde NHL-Veteran Mike Johnson verpflichtet. Diese Rolle konnte der Kanadier bis zu seiner Entlassung im Dezember jedoch nie erfüllen. Harlan Pratt kam aus Augsburg, enttäuscht bislang ebenfalls, genauso wie viele der etablierten Spieler. Wurden Fehler in der Transferpolitik gemacht?

Heiß: Das ist schwer zu sagen. Man holt einen Spieler wie Harlan Pratt, der in Augsburg im letzten Jahr super gespielt hat und dann in Köln aus unbekannten Gründen überhaupt nicht zurecht kommt. Von jemandem wie Johnson konnte man sich ebenfalls mehr erwarten. Wenn es jetzt nicht läuft, dann heißt es ganz schnell, man hat eine falsche Personalpolitik betrieben. Wenn jedoch jeder die Leistung gebracht hätte, die man von ihm auch erwarten konnte, dann wäre jetzt alles in Ordnung und keiner würde etwas sagen.

SPOX:  Während der Sasion wurde zweimal der Trainer entlassen, besser geworden ist die Situation jedoch nie. Waren diese Entscheidungen richtig?

Heiß: Die Entscheidung, Doug Mason zu entlassen, war auf alle Fälle richtig. Falsch war aber, dass man danach den Co-Trainer Clayton Beddoes hat weiterarbeiten lassen. Der Co-Trainer macht seine Arbeit meist nicht viel anders. Zudem hat die Mannschaft ihn immer als Adjutanten, als Zweiten gesehen. Wenn der dann plötzlich der erste Mann ist und die Mannschaft ihn als Chef anerkennen soll, ist das schwer. Das funktioniert vielleicht in einer intakten Mannschaft, wenn der Trainer aufhört und der Co-Trainer übernimmt. Wenn die Situation aber derart wie momentan in Köln ist, dann ist das die falsche Entscheidung.

SPOX: Auch Beddoes wurde ja später entlassen und nun ist der relativ unerfahrene Rupert Meister der aktuelle Mann hinter der Bande. Ist er der Richtige für die schwierige Situation?

Heiß: Ich denke, dass er ein sehr guter Trainer ist und genügend Erfahrung besitzt. Er hat das im Nachwuchs bewiesen. Ich denke, ihn für das nächstes Jahr zu halten und an einem Neuanfang zu beteiligen, wäre das Richtige.

SPOX: Wie erheblich ist der Schaden, den die verkorkste Saison in Köln anrichtet - sowohl am Image als auch finanziell?

Heiß: Der Image-Schaden wirkt sich natürlich direkt auf das Finanzielle aus. Der Verein muss Sponsoren für das nächste Jahr finden und sie haben diese Saison schon ein ganz großes Defizit. Das heißt, nächses Jahr wird es auch nicht leichter, ein neues gutes Team aufzustellen.

SPOX: Der Zuspruch in Köln ist mit durchschnittlich über 10.000 Zuschauern pro Heimspiel immer noch top in der Liga. Ist man es den Fans in Köln nicht schuldig, ihnen nächste Saison wieder ein Top-Team zu präsentieren?

Heiß: Klar ist man das den Fans schuldig, dass nächstes Jahr auch wieder eine gute Mannschaft auf dem Eis steht. Das Ganze hängt halt am Geld. Wenn der Verein Sponsoren und Geldgeber findet, sollte man auf jeden Fall versuchen, wieder ein Top-Team aufstellen. Wenn nicht, muss es eben ein günstiges Team sein, in dem wirklich viel gearbeitet wird. Ein junges Team und ein richtiger Neuanfang. Auf jeden Fall muss in der Mannschaft ausgemistet und umgebaut werden.

SPOX: Letzte Frage: Sind die Pre-Playoffs in Köln noch drin?

Heiß: Nein. Jetzt ist es vorbei. Sie hätten nach Neujahr alle Spiele gewinnen müssen, um den Anschluss zu halten. Ich glaube nicht an eine Wende.

Die aktuelle Tabelle der DEL