Ein lieber Hooligan

Von Interview: Florian Regelmann
Stefan Ustorf, Eisbären Berlin
© Getty

München - Das Vorgeplänkel "Pre-Playoffs" ist vorbei, die Viertelfinal-Playoffs haben begonnen.

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Eine der vier Partien lautet: Eisbären Berlin vs. Hamburg Freezers. Die Eisbären müssen dabei versuchen, die Aufgabe ohne Topscorer Steve Walker zu lösen. Der Kanadier hatte sich im letzten Vorrunden-Match gegen Mannheim einen Teilriss des vorderen Kreuzbands zugezogen.

So wird es bei den Eisbären umso mehr auf Stefan Ustorf (im Bild mit Tochter Kylie) ankommen. Der 34-Jährige spielt statistisch gesehen (20 Tore/33 Assists) seine beste DEL-Saison.

Warum er so gut drauf ist, was es mit seinem Spitznamen auf sich hat und was "Seehockey" ist, erklärt Ustorf im SPOX.com-Interview.

SPOX: Die Eisbären auf Platz zwei nach der regulären Runde, 53 Scorerpunkte für Sie persönlich. Ihr Zwischenfazit muss positiv ausfallen, oder?

Stefan Ustorf: Ja, wir haben bis zu diesem Zeitpunkt eine gute, vor allem konstante Saison gespielt und mit dem zweiten Rang etwas erreicht, was uns viele nicht zugetraut haben. Wir gehen gut gerüstet in die Playoffs.

SPOX: Aufgrund der Pre-Playoffs hatten die Top-6 jetzt eine lange Pause vor dem Viertelfinale. Eigentlich ein Unding - wie sehen Sie das?

Ustorf: Ich bin kein großer Fan vom Terminplan. Im günstigsten Fall würde ich die Situation als unglücklich bezeichnen. Jetzt ist es eben so, aber für die Zukunft sollte man sich da vielleicht Gedanken machen.

SPOX: Mit Steve Walker hat sich ausgerechnet kurz vor den Playoffs der beste Spieler der Eisbären verletzt. Wie bitter ist sein Ausfall?

Ustorf: Sein Ausfall ist ein herber Schlag für uns. Ein Spieler wie Steve Walker ist nicht zu ersetzen, das muss man klar sagen. Wir müssen es als Mannschaft versuchen aufzufangen. Es wird schwer werden, aber wenn wir Erfolg haben wollen, muss es uns gelingen. Und vielleicht gibt es noch die Möglichkeit, dass er im Verlauf der Playoffs zurückkehren kann. Das wäre natürlich wünschenswert.

SPOX: Was sind die Gründe dafür, dass es bei Ihnen persönlich offensiv so gut läuft?

Ustorf: Zum einen habe ich wieder als Mittelstürmer gespielt, was ich schon länger nicht mehr gemacht habe. Das ist die Position, die mir vom Naturell her vielleicht etwas besser liegt. Aber der Hauptgrund ist, dass es bei uns generell gut gelaufen ist. Wir spielen offensives Eishockey, haben viele Tore geschossen und dadurch haben alle bei uns auch viele Punkte gemacht. Ich lege darauf keinen großen Wert. Ich kann 100 Punkte in der Saison machen - wenn wir jetzt im Viertelfinale ausscheiden, ist die Saison für mich ein absoluter Misserfolg.

SPOX: Uwe Krupp will Sie ins Nationalteam zurückholen. Hatten Sie das Thema schon abgehakt?

Ustorf: Es kam schon ein bisschen überraschend für mich. Abgehakt hatte ich es nicht, weil ich immer gesagt habe, dass ich bereit stehe, wenn er mich braucht. Ich habe nach zwei Jahren Rücktritt nicht mehr damit gerechnet, aber jetzt hat Uwe Krupp mich angerufen und mit mir über die Situation gesprochen. Ich habe ihm gesagt, dass ich da bin, wenn er mich beruft, dabei haben wir es erst mal belassen. Nach den Playoffs werden wir sehen, was passiert.

SPOX: Einem Uwe Krupp sagt man auch nicht einfach so ab...

Ustorf: Ich habe natürlich sehr, sehr viel Respekt vor ihm. Er hat viel geleistet im Eishockey, aber ich will es nicht nur an der Person Uwe Krupp festmachen. Es ist für mich immer noch eine große Ehre, für Deutschland spielen zu dürfen. Ich hatte meinen Rücktritt nicht erklärt, weil ich keine Lust mehr hatte. Es waren private Gründe. Das hat sich jetzt zum Positiven geändert, ich habe die Zeit wieder und deshalb mache ich es sehr gerne. Ich kenne Uwe schon sehr lange, wir verstehen uns sehr gut und er macht einen hervorragenden Job mit der Nationalmannschaft.

SPOX: Mit der Heim-WM 2010 und Olympia in Vancouver bieten sich durch eine Rückkehr in die DEB-Auswahl auch wieder ganz neue Ziele. Wie lange will Stefan Ustorf noch Eishockey spielen?

Ustorf: Ich habe schon noch vor, einige Zeit lang Eishockey zu spielen. Ich bin 34, das ist heute kein Alter, mit dem man ans Aufhören denken muss. Die Zeiten haben sich da ein bisschen geändert. Ich habe früher auch hart gearbeitet, aber durch die Wissenschaft gibt es heute viel mehr Möglichkeiten, eishockeytechnisch zu trainieren, so dass ich mich körperlich hundertprozentig fit fühle und noch keine Gedanken ans Karriere-Ende verschwendet habe.

SPOX: In der NHL (54 Spiele für Washington) haben Sie zwar nie ganz den Durchbruch geschafft, aber was viele vergessen, immerhin waren Sie der erste deutsche Stürmer, der in Amerika gespielt hat.

Ustorf: Das stimmt, vor mir gab es keine deutschen Stürmer, die es geschafft haben, in der NHL zu spielen, darauf bin ich schon stolz. Aber auf der anderen Seite bin ich natürlich nicht zufrieden, dass es nur so eine relativ kurze NHL-Karriere war. Ich kann da niemandem einen Vorwurf machen außer mir selbst. Ich hatte meine Chance und wenn ich in den eineinhalb Jahren besser gespielt hätte, wäre ich vielleicht auch länger in der NHL geblieben. Insgesamt kann ich der Zeit aber nur Positives abgewinnen. Ich habe meine Frau kennengelernt und lebe mittlerweile seit über zehn Jahren in Amerika. Ich würde den Schritt immer wieder machen.

SPOX: Sie mussten auch immer wieder in den Farmteams spielen, für Klubs wie die Portland Pirates, Cincinnati Cyclones oder die Las Vegas Thunder.

Ustorf: Es war eine sehr harte, aber auch sehr schöne Zeit. Ich habe sehr viel über Eishockey gelernt und bin ein besserer, kompletterer Spieler geworden. Sicher ist es hart, Freitag, Samstag, Sonntag zu spielen und mit dem Bus quer durch Amerika zu fahren, aber auch das hat Spaß gemacht. Ich möchte die Zeit auf keinen Fall missen.

SPOX: Sie haben den ungewöhnlich liebevollen Spitznamen "Hooligan". Wie kam es dazu?

Ustorf: Der Spitzname kommt von meinem Vater, der zu seiner Zeit bei den Berlin Capitals ein Feindbild war und von den Eisbären-Fans "Hooligan" genannt wurde. Bei ihm war es nicht unbedingt positiv gemeint, aber bei mir meinen es die Leute jetzt auf eine gute Art und Weise.

SPOX: Im Wellblech-Palast herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Wie groß ist die Vorfreude auf die neue O2-Arena?

Ustorf: Die Vorfreude auf die wunderschöne neue Halle ist auf jeden Fall da, aber wir werden den Wellblechpalast sicher auch vermissen. Die Atmosphäre ist einzigartig. Die Halle ist immer voll. Es macht viel Spaß dort zu spielen, das kriegt man so schnell nicht wieder. Aber man muss auch realistisch sein und wissen, dass Eishockey auf hohem Niveau viel Geld kostet und deshalb der Umzug eine Notwendigkeit ist.

SPOX: Sie haben den Ausdruck "Seehockey" geprägt. Was genau ist die Definition von "Seehockey"?

Ustorf: Seehockey ist Eishockey, in dem man nur nach Lust und Laune spielt, jeder nach vorne rennt und sich keiner um die Defensive kümmert. Alle versuchen nur schön zu spielen. Die Spiele gehen dann 8:7 oder so aus. Es gewinnt der, der das letzte Tor schießt. So wie es früher war, wenn man bei schönem Wetter auf dem See gespielt hat und eine Gaudi hatte.