Ein Schatten auf dem ersten Titel

Von Republik Fussball
Der Grundstein für den ersten Titel: Oskar Rohr erzielt in der 36. Minute das 1:0 per "Staubelfmeter"
© Archiv FC Bayern

Der FC Bayern München gelang nicht erst in den 1960er Jahren zur sportlichen Blüte. Schon in der Weimarer Republik zelebrierte der Verein erfolgreichen Fußball: Der Gewinn der ersten Meisterschaft jährt sich dieses Jahr zum 80. Mal - damals hauptverantwortlich: Kurt Landauer. Doch die Erfolgsära nahm mit dem Beginn des Dritten Reiches ein jähes Ende.

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Der 12. Juni 1932 war in allen Belangen ein schweißtreibender Tag. In praller Sonne und bei über 30 Grad im Schatten fand in Nürnberg das Finale um die Deutsche Meisterschaft zwischen dem FC Bayern München und Eintracht Frankfurt statt. Die Bayern wurden ihrer Favoritenrolle voll und ganz gerecht. Schon während der Saison hatte ihr schnelles Kombinationsspiel für Begeisterung gesorgt. Die Eintracht konnte den Münchnern nur in den ersten 20 Minuten des Spiels Paroli bieten. Am Ende siegten die Bayern hochverdient mit 2:0.

Unter den 55.000 Zuschauern befand sich auch Kurt Landauer - ein Urbayer, der seit 1901 beim FC Bayern aktiv war. Für den Spross einer jüdischen Kaufmannsfamilie war der Verein sein Leben. Mit dem Gewinn der Meisterschaft erreichte eine Ära ihren Höhepunkt, die mit Landauers Wahl zum Bayern-Präsidenten im Jahr 1919 begonnen hatte.

Ein Club der Kosmopoliten

Seit seiner Gründung im Jahr 1900 hatte der im Bohème-haften Künstlerviertel Schwabing beheimatete Club als liberal und kosmopolitisch gegolten - im Gegensatz zu den proletarisch geprägten "Sechzgern" aber auch als etwas versnobbt und elitär.

Landauer entwickelte daraus eine ganz eigene Vereinskultur. Er orientierte sich an internationalen Fußballmaßstäben und setzte auf ausländische Trainer, die der Mannschaft eine neue spielerische Qualität verliehen. Unter dem Meistertrainer Richard "Little" Dombi erreichte diese ihre Blüte. Landauer erkannte zudem früh die Notwendigkeit einer eigenen Jugendarbeit und installierte mit Otto Albert Beer einen Koordinator für diesen Bereich.

Wie Landauer waren Beer und Dombi Juden. Es war damals nicht ungewöhnlich, dass jüdische Bürger sich als Aktive und Funktionäre in Fußballvereinen betätigten. An vielen Orten nahmen sie sogar Vorreiterrollen ein. Der wohl bekannteste und umtriebigste Fußballpionier war Walther Bensemann.

Deutschtümelnde Turner, offene Fußballer

Im Gegensatz zu den Turnvereinen, die ihrer Meinung nach "Undeutsches" vielfach schon vor 1933 per "Arierparagraphen" aus ihren Reihen auszuschließen suchten, verwehrten Fußballclubs Juden eine Vereinsmitgliedschaft in der Regel nicht. Fußball galt als moderne, weltoffene Sportart, in der allein der Leistungsgedanke zählte. Genau das war für jüdische Bürger attraktiv, da sie sich in den Vereinen gesellschaftlich integriert und vor allem anerkannt fühlen konnten.

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Damit war es nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 schnell vorbei. In vorauseilendem Gehorsam boten alle großen süddeutschen Vereine Anfang April 1933 den neuen Machthabern in einer gemeinsamen Erklärung "freudig" ihre Mitarbeit beim Ausschluss der Juden aus dem Vereinsleben an - auch der FC Bayern. Warum der bis dato so liberale Club sich zu dieser Zeit weit nazi-freundlicheren Vereinen wie dem VfB Stuttgart und TSV 1860 München angeschlossen hatte, ist heute leider nicht mehr zu erklären.

SA-Männer vs. Bayernspieler

Es erscheint naheliegend, dass es sich um taktisches Kalkül handelte, das weiteren Eingriffen ins Vereinsleben vorbeugen sollte. Schon im März 1933 hatte Kurt Landauer seinen Verzicht auf das Präsidentenamt erklärt, vielleicht in der Hoffnung, dass der braune Spuk bald wieder ein Ende haben würde.

Trainer Richard Dombi verließ Deutschland im Mai, und auch Otto Albert Beer zog sich, wie viele andere Juden, schockiert und enttäuscht aus dem Vereinsleben zurück.

Dennoch ließ sich der Verein in der Folgezeit nicht so reibungslos auf Linie bringen, wie es die Nationalsozialisten gerne gehabt hätten. Der neue Bayern-Präsident Siegfried Herrmann war ein Vertrauensmann Landauers. Die lokalen Nazigrößen diffamierten den Verein als "Judenclub" und strichen ihm jegliche Unterstützung. 1935 kam es zu einer Prügelei zwischen SA-Männern und Bayernspielern.

Nationalspieler Sigmund Haringer wurde wegen "despektierlichen Redens über die Regierung" von der Gestapo kurzzeitig verhaftet und flog deshalb aus der Nationalelf. Mit der Festigung der nationalsozialistischen Macht und der Eskalation der antisemitischen Politik verringerten sich die Handlungsspielräume immer mehr.

Kicker mit Zivilcourage

Kurt Landauer wurde in der Reichspogromnacht im November 1938 interniert und fast zwei Monate im KZ Dachau misshandelt. Wie durch ein Wunder überlebte er die Haft und floh danach in die Schweiz. Die Verbindung zu seinem ehemaligen Präsidenten ließ der FCB jedoch nie ganz abreißen: Nach einem Freundschaftsspiel in der Schweiz 1943 herzte die Bayernelf den anwesenden Landauer nach dem Spiel öffentlich.

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Als Reaktion darauf verzichtete Münchens Oberbürgermeister Karl Fiehler auf einen Empfang der Mannschaft, als sie 1944 die südbayerische Meisterschaft holte. Begründung: Weil "der FC Bayern vor der Machtübernahme von einem Juden geführt worden ist!" Fiehler war auch für die Deportationen der Münchner Juden verantwortlich. Otto Albert Beer wurde im November 1941 mit seiner Familie in das litauische Ghetto Kaunas verschleppt, wo er und alle Angehörigen ermordet wurden.

Gedenken an Kurt Landauer

Landauer kehrte nach dem Ende der Nazi-Herrschaft nach München zurück und wurde 1947 für vier Jahre ein letztes Mal Bayern-Präsident, ohne aber die Vergangenheit aufzuarbeiten. Erst in den 2000er Jahren würdigte Detlef Schulze-Marmeling mit seiner Publikation "Davidstern und Lederball" die jüdische Tradition der deutschen Fußballgeschichte.

Beim FC Bayern ist es vor allem die aktive Fanszene, die das Andenken an die erste Erfolgsära der Vereinsgeschichte wiederbelebt hat. Seit 2006 veranstaltet die Gruppe "Schickeria" unter dem Namen "Kurt-Landauer-Pokal" ein antirassistisches Fußballturnier.

Anlässlich des 125. Geburtstages Landauers gab 2009 es eine große Choreographie. Auf dem Banner stand: "Der FC Bayern war sein Leben - nichts und niemand konnte das ändern!"

Kurt Landauer hätte kaum widersprochen.

Der Artikel erschien zuerst in der "VIVA St. Pauli", der Stadionzeitung des FC St. Pauli, anlässlich des Heimspiels gegen den FC Bayern München in der letzten Saison. Bereitgestellt wurde SPOX der Artikel von Republik Fussball, dem bundesweiten Turnier für Freizeitkicker:

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