Olympia-Frust: Witt hält sich tapfer

SID
Katarina Witt hätte aus Durban gerne die "Goldmedaille mit nach Hause gebracht"
© Getty

Die eindeutige Niederlage von "München 2018" sorgte bei den Beteiligten für Fassungslosigkeit. Die allgemeine Erkenntnis: Wir hatten nie eine Chance. Eine erneute Olympiabewerbung für 2022 wird nicht ausgeschlossen, hat derzeit aber auch wenig Aussicht auf Erfolg.

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Katarina Witt hielt sich tapfer. Stunden, nachdem sie ob der deprimierenden Niederlage von "München 2018" noch in Tränen ausgebrochen war, griff sie im Deutschen Haus im südafrikanischen Durban zum Mikrofon und sagte: "Wir hätten gerne die Goldmedaille mit nach Hause gebracht."

Dann lobte sie die traurigen Mitarbeiter, die ganze Bewerbungsmannschaft, die in zwei Wochen auf der Straße stehen wird.

Doch ihre Fassungslosigkeit über das gnadenlose Urteil des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im Ringen um das Milliardenspiel Olympia konnte sie bei allem Bemühen nicht weglächeln. Das Herz einer leidenschaftlich kämpfenden Sportlerin war gebrochen.

Demütigung für die deutsche Bewerbung

"Die Enttäuschung ist schon sehr groß", bekannte Witt, ohne deren Einsatz während der vergangenen zehn Monate es womöglich noch viel schlimmer gekommen wäre als ohnehin schon. Pyeongchang 63 Stimmen, Annecy 7 - München nur 25, der erste Wahlgang entschied.

Das war schon eine Demütigung für die beste deutsche Bewerbung um Olympia seit den Sommerspielen in München 1972. Die Zurückweisung machte Witt nachdenklich.

"Vielleicht stimmt der Faktor tatsächlich, dass man über drei Bewerbungen nicht einfach hinweggeht", sagte sie, "wahrscheinlich ist die Entscheidung wirklich schon vorher gefallen." Der Verdacht liegt nahe.

Rogge: "Ausdauer wurde belohnt"

Pyeongchang hatte sich bereits für 2010 und 2014 beworben und jeweils im ersten Wahlgang vorne gelegen, um dann im entscheidenden knapp zu scheitern - erst an Vancouver um zwei Stimmen, dann an Sotschi um drei.

"Heute", stellte kurz nach der Bekanntgabe der Entscheidung am Mittwoch IOC-Präsident Jacques Rogge fest, "wurde Ausdauer belohnt." Diese Erkenntnis setzte sich bald auch im Deutschen Haus am Indischen Ozean durch.

Keiner wollte es so deutlich aussprechen, aber München hatte von Anfang an keine faire Chance. Die Entscheidung für Pyeongchang war bereits vor vier Jahren bei der fragwürdigen Vergabe an Sotschi gefallen.

Neue Märkte gegen Tradition

Am Abend spielte die Band im Deutschen Haus dann ziemlich bald "Waterloo". Das hatte etwas von Galgenhumor, und so verstanden es die meisten Anwesenden auch: Sie stürmten die Tanzfläche. Unter anderem Thomas Bach, der DOSB-Präsident und Vizepräsident im IOC.

Auch ihm hatte Fassungslosigkeit im Gesicht gestanden, er hatte aus der Entscheidung über Olympia 2018 eine Richtungswahl gemacht, die Stimmung bei seinen Kollegen im IOC aber wohl falsch eingeschätzt.

"Neue Märkte gegen traditionelle Wintersportorte, dazu noch ein gewisser Mitleidseffekt für Pyeongchang" seien einige der Gründe für die Niederlage gewesen, sagte er.

Südkorea zeigt Loyalität gegenüber dem IOC

Schon als am Mittag im Kongresszentrum von Durban die letzte Präsentation von Pyeongchang lief, dürfte es dem Lager von "München 2018" wohl langsam klar geworden sein: Das wird hier nichts mehr.

Die Südkoreaner machten noch einmal deutlich, dass sie jetzt zehn Jahre lang alles getan haben, was das IOC von ihnen verlangt hatte, sie seien bereit - und dann sprachen sie über Loyalität.

Sie hätten Loyalität gegenüber dem IOC gezeigt, und nun, das vermittelten sie recht deutlich, erwarteten sie eine Gegenleistung. Was sie nicht sagten: Ihr Sponsor Samsung ist einer der größten Geldgeber des IOC und im Sport.

Kandidatur für 2022 nicht realisierbar

Am Abend spielte die Band im Deutschen Haus auch "Let's twist again", sehr ausgelassen tanzte dabei Christian Ude, Oberbürgermeister von München, der die Niederlage mit Würde und wie üblich auch mit Humor nahm.

Ein Fass Bier hatte er anzustechen gedacht für die Mitglieder des IOC, jetzt trank er "aus Protest", wie er augenzwinkernd bemerkte, lieber Rotwein. "Let's twist again" - ob München noch mal antritt? Ude hielt sich bedeckt.

Bach ebenfalls. "Wir können erhobenen Hauptes aus der Bewerbung gehen", eine erneute aber "ist keine Entscheidung, die man über's Knie bricht", sagte er. Eine Kandidatur für 2022 - sie ist womöglich nicht zu realisieren und chancenlos.

IOC-Mitglieder wählen strategisch

Ein Teil der Mitglieder des IOC habe mit seinem Votum gegen "München 2018" wohl auch strategisch gewählt, um eigene Chancen bei den nächsten Vergaben der Spiele nicht zu schmälern, "das müssen wir akzeptieren", sagte Bach.

So gaben die vier italienischen IOC-Mitglieder mutmaßlich keine Stimme für die deutsche Bewerbung - Rom will sich um die Sommerspiele 2020 bemühen.

Und auch die vier abstimmenden Schweizer Mitglieder wollten mit München offenbar nichts zu tun haben, ihr Fokus liegt wohl schon auf den Winterspielen 2022, für die sie gerne eine eigene Kandidatur auf die Beine stellen möchten.

Friedrich: "München hatte die beste Bewerbung"

"München hatte das beste Konzept und die beste Bewerbung. Die Sache wäre einen zweiten Anlauf wert", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zu abendlicher Stunde.

Ein zweiter Anlauf? Christian Ude, treibende Kraft dieser Bewerbung, scheidet 2014 aus dem Amt - die Nachfolgekandidaten werden sich im Wahlkampf nicht noch Diskussionen über Olympia ans Bein binden wollen.

Eine Kandidatur müsste zudem spätestens im Herbst 2013 auf den Weg gebracht werden, gleich nach der Wahl des neuen IOC-Präsidenten, zu der sich womöglich auch Bach stellen will.

Zunächst wird in München ohnehin darüber diskutiert werden, dass 6,5 Millionen Euro der Bewerbungskosten von "München 2018" an der öffentlichen Hand hängen bleiben - auch wenn der aus Bayern stammenden Bundesinnenminister Friedrich sagt: "Die waren gut angelegt."

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