"War dem Tod nicht mehr fern!"

Von Bärbel Mees
Miko Horn ist verheiratet und hat zwei Töchter (Jessica und Annika)
© Getty

Er schwamm von der Amazonas-Quelle zur Mündung, kämpfte in Angola und umrundete die Erde entlang des Äquators: Südafrikas Extremsportler Mike Horn. Momentan verbringt er vier Jahre auf einer Segelyacht. Das Ziel: Auf die Umweltprobleme der Erde aufmerksam zu machen.

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Vier Jahre auf einem Segelboot. Warum nicht, dachte sich Laureus-Academy-Mitglied Mike Horn und hisste 2008 die Segel der 35 Meter langen Yacht "Pangaea". Seitdem ist der 44-Jährige auf den Weltmeeren unterwegs und macht mit seiner globalen Expedition auf die Umweltprobleme der Erde aufmerksam.

Keine ungewöhnliche Aktion für den südafrikanischen Abenteurer, der zu diesem Zeitpunkt bereits auf einem Body-Board den Mont-Blanc-Gletscher hinabgesaust war und den Amazonas von der Quelle bis zur Mündung durchschwommen hatte.

1999 brach er vom afrikanische Libreville zu seiner bis dahin längsten Expedition auf, die ihm 2001 den Laureus World Sports Award in der Kategorie "Alternative Sportarten" einbrachte.

Innerhalb von 17 Monaten umrundete er die Erde entlang des Äquators. "Breitengrad Null" nannte er sein Vorhaben, das ihn in knapp eineinhalb Jahren durch Himmel und Hölle führte. Denn neben interessanten Begegnungen und unglaublichen Naturschauspielen erlebte Horn auch die Kehrseite der Medaille.

Horn: "Gelacht und geweint"

"Nach und nach hat sich das Unternehmen Breitengrad Null zu einem einzigen Augenblick verblüffender Intensität verdichtet, als hätte ich in einem Moment gleichzeitig fast alles erlebt, was ein Mensch nur erleben kann", erzählte Mike Horn.

"Ich habe Kinder auf die Welt kommen und Menschen sterben sehen. Ich habe auf dem Ozean absolute Flauten, Stürme und Orkane mitgemacht. Ich habe Wüsten, Seen, Sümpfe und Dschungel durchquert, Flüsse durchfahren und Berge erklommen, den Frieden genossen und mich vom Krieg terrorisieren lassen. Ich habe schallend gelacht und bitter geweint, habe Freude, Enttäuschung, Trauer und Todesangst, Begeisterung und Verzweiflung empfunden."

Auf einem Trimaran überquerte er den Atlantik, Pazifik und schließlich den Indischen Ozean. Mit einer Machete schlug er sich zu Fuß durch den brasilianischen Dschungel, überquerte mit dem Einbaum den Victoriasee und radelte durch Afrika. Hauptsache unmotorisiert. Abend für Abend spannte er seine Hängematte auf, entfachte ein Feuer und ernährte sich nicht selten von selbst gejagten Fischen, Affen und Schlangen.

Hier geht es zum Video: Mike Horn auf der Breitengrad-Null-Expedition

Angst vor "normalem" Leben

Doch nicht immer ging alles gut. Horn kenterte mit dem Einbaum, geriet mit seinem Trimaran in einen Wirbelsturm, wurde von einer Schlange gebissen, von Malariaanfällen geschüttelt, von kolumbianischen Drogenbaronen verfolgt und von afrikanischen Rebellen überfallen, ausgeplündert und beinahe erschossen.

"Wenn man 17 Monate lang der Natur, dem Menschen und Kriegern gegenüber stand, dann gibt es Situationen, in denen der Tod nicht mehr fern ist", resümierte Horn nach seiner letztendlich wohlbehaltenen Rückkehr. Die aber fiel ihm - das Ziel in Libreville vor Augen - plötzlich nicht mehr so leicht.

"Dieser Augenblick ist der glücklichste und zugleich der traurigste meiner gesamten Expedition. Plötzlich spüre ich eine Leere in mir. Was kommt nach Libreville? Wohin gehe ich? Wie verbringe ich meine Tage? Mein Ziel, von dem ich 17  Monate geträumt und das ich unter so großen Mühen erreicht habe, liegt jetzt zum Greifen nahe vor mir. Irgendwie ernüchternd. Ich habe fast Angst, mich wieder an ein 'normales' Leben zu gewöhnen", schreibt Horn am letzten Tag der Expedition in sein Tagebuch.

Expedition zum Nordpol - in der polaren Nacht

Ein normales Leben ist in der Tat nicht sein Ding - und wird es auch nicht werden: Denn nur zwei Jahre später macht sich der Südafrikaner alleine auf eine 24-monatige Expedition zum nördlichen Polarkreis. Eine Region, an der er Gefallen findet. 2006 wandern er und der norwegische Polarforscher Borge Ousland während der polaren Nacht zum Nordpol.

61 Tage in Schnee, Eis und völliger Dunkelheit. Bei minus 50 Grad schwimmen die beiden Abenteurer durch offene Stellen im Eis, ziehen bis zu zwölf Stunden pro Tag ihre 160 kg schweren Schlitten durch die Nacht und treffen auf zahlreiche Eisbären. Doch die Quälerei und die Gefahren lohnen sich.

"Es ist großartig, endlich am Nordpol zu stehen. Dieser mystische Ort erfüllt alle Erwartungen. Unglaublich hier draußen. Die Bedingungen waren extrem hart - aber wir haben es geschafft. Ich kann Euch gar nicht sagen, wie glücklich ich bin", vermeldete Horn vom 90. Breitengrad.

Horn: "Kein Abenteuer ist schwierig - solange ich überlebe"

Die zentrale Frage, die unausweichlich irgendwann aufkommt, lautet: Warum tut man sich so etwas an? "Eben weil es so schwierig ist. Denn so unglaublich es erscheinen mag, ich ziehe eine Befriedigung daraus, unter solchen Bedingungen zu bestehen. Das heißt keineswegs, dass ich masochistisch veranlagt bin, ganz im Gegenteil: Ich verabscheue Schmerzen", sagt Horn.

"Aber Unbekanntes erfahren, Unvorstellbares sehen, Dinge tun, die noch keiner getan hat, und dabei feststellen, dass man sie bewältigen kann - all das sind für mich Gründe genug, mich solchen Verhältnissen auszusetzen. Für mich ist kein Abenteuer wirklich schwierig, solange ich es überlebe."

Explore, learn, act

Und gestillt ist Horns Abenteuerlust noch lange nicht. Derzeit befindet sich der Wahlschweizer auf einer weiteren Expedition, die bis 2012 dauern wird: Pangaea, benannt nach dem letzten, globalen Superkontinent, der vor mehr als 250 Millionen Jahren existierte.

Begleitet wird Horn auf der vierjährigen Reise von insgesamt 144 jungen Forschern, die bereits in Projekten der Laureus Sport for Good Foundation mitgearbeitet haben und auf der Segelyacht nun gemäß dem Expeditions-Motto "Explore, learn, act" Forschungsarbeit leisten sollen. Unter andem geht es nach Indien, Pakistan, Russland, Brasilien, Ostafrika und in die Antarktis.

"Ich möchte mein Wissen mit jungen Menschen teilen und ökologische Lösungen für zukünftige Generationen initiieren", erklärt Horn das ungewöhnliche Projekt. "Ich glaube, wir müssen jetzt große Schritte machen, um sicherzustellen, dass unser Planet von den künftigen Generationen respektiert und wertgeschätzt wird."

Laureus-Academy-Mitglied Mike Horn im Steckbrief