"Man kann es auch übertreiben"

Von Interview: Jan-Hendrik Böhmer
Als Namjennsuhl ist Jens Uhlmann in World of Warcraft unterwegs
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Mehr als 11,5 Millionen Menschen spielen World of Warcraft (WoW). Sie generieren etwa eine Milliarde Dollar Umsatz pro Jahr - und machen WoW zum erfolgreichsten Massively Multiplayer Online Role-Playing Game (kurz MMORPG) aller Zeiten.

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Vom professionellen eSportler bis zum Gelegenheits-Zocker - es gibt unzählige Arten und Ansätze, WoW zu spielen. Doch was macht die Faszination des Spiels aus? "Bei mir ist es die soziale, gesellige und kommunikative Komponente", sagt Jens Uhlmann - in World of Warcraft besser bekannt als "Namjennsuhl". Ein Magier, Level 70.

Level 70. Mehr ging nicht, in der Erweiterung "Burning Crusade". Erst seit November 2008 ist durch die Expansion "Wrath of the Lich King" Level 80 möglich.

Sommerpause in der virtuellen Welt

Auch kein Problem für Jens. Und deshalb besitzt Uhlmann neben "Namjennsuhl" noch sieben weitere Charaktere - alleine fünf davon Level 65 aufwärts. Im Gegensatz zu vielen eSportlern, für die das so genannte Leveln der Charaktere eine lästige Notwendigkeit darstellt, ist es für Hobby-Gamer Uhlmann ein Spaß.

"Ich war schon immer ein leidenschaftlicher Gamer", sagt er. Wie viel Zeit er in den letzten dreieinhalb Jahren im Spiel verbracht hat? "In den Wintermonaten ist es mehr, in den Sommermonaten weniger", sagt Uhlmann diplomatisch.

Bubble Universe: Der Trailer mit Jens "Namjennsuhl" Uhlmann

"Es ist sehr schwierig"

Uhlmann ist einer von drei deutschen WoW-Anhängern, die in der neuen Reality-Web-Dokumentation "Bubble Universe" den Zuschauern einen Einblick in ihre Welt gewähren. Ist es eine Parallelwelt? Ein Hobby? eSport? Für Uhlmann ist die Antwort klar: "Ein Hobby. Und als das soll es auch bezeichnet werden."

Im Interview mit SPOX spricht er über sein Hobby, die Auseinandersetzung mit Kritikern und die Bewältigung von Klischees. "Die Faszination für ein in der Allgemeinheit eher unübliches und sehr zeitaufwändiges Hobby zu erklären, ist immer sehr schwierig", meint Uhlmann.

SPOX: Herr Uhlmann, wie sind Sie 2005 zu World of Warcraft gekommen?

Jens Uhlmann: Durch einen Freund. Dabei sah das Spiel beim Zuschauen eigentlich eher langweilig aus. Aber der Aspekt "Online-Rollenspiel" hat mich schon länger interessiert, und ich wollte es einfach mal ausprobieren. Ein leidenschaftlicher Gamer war ich schon immer.

SPOX: Was hat Sie dann so begeistert, dass Sie hängen geblieben sind?

Uhlmann: Das Spielen mit und gegen andere: Die soziale, gesellige und kommunikative Komponente. Das Spiel besteht ja hauptsächlich aus dem Miteinander. Teamfähigkeit, Kommunikation und soziale Kompetenz sind ein wichtiger Bestandteil, um in einem solchen Spiel erfolgreich zu sein, und damit ganz wichtig, daran Spaß zu haben.

SPOX: Um erfolgreich zu sein, muss man auch viel Zeit investieren. Wie viel spielen Sie?

Uhlmann: Das schwankt extrem. In den Sommermonaten weniger, in den Wintermonaten ist es dafür mehr.

SPOX: Diplomatisch ausgedrückt. Aber kommt es in den Wintermonaten nicht zu Konflikten zwischen Ihrem Job und dem Spiel? Oder lässt sich das vereinbaren?

Uhlmann (lacht): Ich arbeite in einem Game-Shop. Lässt sich sehr gut vereinbaren, oder?

SPOX: In der Tat. Aber wie groß ist der Einfluss des Spiels auf Ihren Alltag wirklich?

Uhlmann: Sagen wir es mal so: Wenn ich zum Beispiel für einen Abend zum gemeinsamen Spiel mit anderen Menschen in WoW verabredet bin, dann versuche ich das auch einzuhalten. Denn nur weil die Verabredung virtuell ist, heißt das ja nicht, dass man damit leichtfertiger umgehen sollte als mit einer Verabredung im wirklichen Leben. Auch in World of Warcraft stecken echte Menschen hinter den Charakteren - auch wenn sie am anderen Ende von Deutschland, Österreich, der Schweiz oder sonst wo sitzen.

SPOX: Aber...

Uhlmann: ... ich richte meinen Alltag sicher nicht nach dem Spiel aus.

SPOX: Sie denken während der Arbeit also nicht daran, was am Abend im Spiel ansteht, wen Sie treffen und was Sie an ihrer Spielweise verbessern könnten?

Uhlmann: Selten.

SPOX: Also kein verlorener Job oder eine zerbrochene Beziehung durch WoW?

Uhlmann: Gar nicht. Ich glaube, dass an diesen Geschichten nicht allzu viel dran ist. Das wird aufgebauscht. Wenn etwa eine Beziehung zerbricht, sollte man es sich nicht so einfach machen und es auf das Hobby, in diesem Fall ein Computerspiel, schieben.

SPOX: Dennoch gibt es Menschen, die sich über Spiele wie WoW definieren.

Uhlmann: Kann sein. Aber bei mir trifft das nicht zu. Wenn ich nicht World of Warcraft spielen würde, wäre ich kein anderer Mensch als ich jetzt bin. Da bin ich mir sicher.

SPOX: Dennoch werden auch Sie sicherlich häufig mit den Vorurteilen und negativen Klischees gegenüber Hardcore-Gamern konfrontiert. Was entgegnen Sie?

Uhlmann: Ich versuche aufzuklären. Die Faszination für ein in der Allgemeinheit eher unübliches und sehr zeitaufwändiges Hobby zu erklären, ist aber immer sehr schwierig.

SPOX: Also ist World of Warcraft für Sie ein Hobby. Nicht mehr, nicht weniger?

Uhlmann: Natürlich ist es ein Hobby. Und als das soll es auch bezeichnet werden.

SPOX: Und wie reagiert Ihr Umfeld auf das außergewöhnliche Hobby?

Uhlmann: Meine Freunde weisen mich darauf hin, wenn ich es mit dem Spielen mal überzogen habe. Und ich nehme das dankbar an. Denn für WoW gilt, was für jedes Hobby gilt: Man kann es auch übertreiben. Und dann ist es gut, wenn man von seinen Freunden auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird. Ich glaube, das kennen wir alle - wenn man von etwas begeistert ist, kann man leicht alles andere vergessen und sich darin verlieren.

SPOX: So gibt es auch Menschen, die mehrere tausend Euro in ihre Spiel-Charaktere investieren. Was würden Sie für das Spiel ausgeben?

Uhlmann: In WoW gibt es kaum etwas, bei dem man sich mit echtem Geld weiterbringen kann. Wie da mehrere tausend Euro zusammenkommen sollen, ist mir ein Rätsel.

SPOX: Für spezielle Ingame-Items und die Ingame-Währung werden auf Internet-Tauschbörsen enorme Beträge verlangt...

Uhlmann: Ich selber würde jedenfalls nicht mehr als die monatliche Gebühr und die Ausgaben für die kostenpflichtigen Addons aufwenden. WoW ist eine sehr günstige Freizeitbeschäftigung und das bleibt es auch.

SPOX: Nicht, wenn man seinen Avatar vorgefertigt auf eBay ersteigert. Eben für die oben genannten mehrere tausend Euro. Was halten Sie davon?

Uhlmann: Davon halte ich gar nichts. Diese Spieler haben keinerlei Erfahrung und spielen ihren Charakter entsprechend. Außerdem macht es doch überhaupt keinen Sinn. Das wäre, als würde man ein zusammengesetztes Puzzle kaufen oder ein fertig zusammengebautes Modellflugzeug. Das Interessante an WoW ist ja, seine Figur hochzuspielen.

SPOX: Was Sie bereits fünf Mal geschafft haben. Gibt es einen Zeitpunkt, an dem das für Sie unattraktiv wird? Sprich: Gibt es einen Grund, warum Sie mit dem Spielen aufhören würden?

Uhlmann: Sicher gibt es so einen Grund. Im Moment sehe ich aber keinen Anlass dazu. Pausen macht man immer wieder. In meinem Fall im Sommer. Da fehlt einfach die Zeit, weil man viel unterwegs ist. Sagen wir so, wenn es keinen Spaß mehr macht, höre ich auf.

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