"Tradition wird überschätzt"

Von SPOX
Das ehemalige Counter-Strike:Source-Team von hoorai spielt jetzt für die Wild Lions
© turtle entertainment

Der Clan Wild Lions hat es bereits ein halbes Jahr nach der Gründung geschafft, zu einer festen Größe im eSport zu werden. Mit mehreren Teams ist man in der internationalen ESL Pro Series (EPS) vertreten - auch die Vermarktung ist international ausgerichtet. Jetzt will man in der deutschen EPS angreifen - besonders in Counter-Strike:Source.

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Gründer und Clan-Vorstand Jürgen Klein spricht über den internationalen eSport-Markt, die weiteren Ziele seines Teams sowie die Finanzkrise und deren Auswirkungen im Bezug auf den eSport und den Clan hoorai, von dem man ein ganzes Team übernahm.

SPOX: Herr Klein, wie haben Sie den rasanten Aufstieg der Wild Lions erlebt?

Jürgen Klein: Schlaflos! Nein, mal im Ernst: Ich denke, es ist das Ziel jedes ernsthaften Projektes, über kurz oder lang national sowie international Erfolge zu sammeln. Für uns kam der Erfolg also nur teilweise überraschend. Dass unsere Teams dann allerdings so schnell in die ESL Pro Series (EPS) aufgestiegen sind, war im Vorfeld nicht wirklich abzusehen. Aber natürlich freuen wir uns sehr, dass sich die harte Arbeit schon jetzt auszahlt, und sind sehr stolz auf unsere Teams, ohne die wir nichts erreicht hätten.

SPOX: Seit der Gründung sind immerhin erst sechs Monate vergangen. Andere Clans gibt es seit Jahren. Können sich die Lions weiterhin so schnell entwickeln?

Klein: Das muss gar nicht sein. Unsere Ziele sind alle langfristig ausgelegt. Denn den schnellen Erfolg haben viele. Die Kunst ist es, nicht stehen zu bleiben und sich permanent weiterzuentwickeln. Wir wollen natürlich auch in Deutschland, sowohl in Counter-Strike als auch Counter-Strike:Source, in der EPS vertreten sein. Letztendlich muss das oberste Ziel aber ein anderes sein: Die meisten aufkommenden Projekte scheitern noch innerhalb ihres ersten Jahres an zu hohen Versprechungen, oder einfach der Anstellung von Teams, die von den Sponsorengeldern zu diesem Zeitpunkt noch nicht getragen werden können.

SPOX: Das heißt, das oberste Ziel lautet: überleben?

Klein: Genau. Wir wollen und müssen solche Fehler vermeiden, damit der Name Wild Lions auch in Zukunft mit ehrlichem und fairem eSport verbunden wird. Denn eines ist uns in diesem leider noch sehr undurchsichtigen Business wichtig: Wir wollen nicht der Clan sein, der einfach überall das größte Angebot abgibt, seine Versprechen dann aber nicht halten kann. Wir wollen ein Clan sein, auf deren Wort man sich zu jedem Zeitpunkt verlassen kann.

SPOX: Ihr seid besonders für die Verpflichtung ausländischer Teams und deren Einsatz in den internationalen Serien bekannt. Wie wirkt sich das auf die Vermarktung aus?

Klein: Als deutscher Clan, der sich Teams aus dem Ausland holt, ist es natürlich nicht einfach, Sponsoren zu finden, die sich für diese Teams interessieren. Die Community in diesen Ländern lässt sich nämlich nur sehr schwer mit der deutschen vergleichen. Die Anzahl der Spieler ist im europäischen Umland meist geringer als in Deutschland. Dementsprechend ist auch der Marketing-Effekt nur schwer zu messen.

SPOX: Bestimmt nicht der einfachste Weg, einen neuen Clan zu starten...

Klein: Mit Sicherheit. Aber für uns geht es um das große Ganze. Es geht nicht darum, eben den Weg zu gehen, den andere Clans oder Organisationen bereits gehen, sondern sich von diesen zu unterscheiden. Gerade im Ausland gibt es viele junge und talentierte Teams, die sich gerne einer deutschen Organisation anschließen möchten - allein schon, weil die Randbedingungen für die Professionalisierung unseres Hobbys hierzulande bereits deutlich weiter fortgeschritten sind. Wir sehen unser Engagement im Ausland als eine langfristig angelegte Investition - und auch möglichen Sponsoren bieten wir damit bereits jetzt eine größere Vermarktungsfläche.

SPOX: Sie sehen das Ausland also als Chance, sich langfristig zu etablieren?

Klein: Es ist vielmehr eine Chance, sich schnell zu etablieren. Denn die Strukturen im deutschen eSport sind einfach schon deutlich weiter fortgeschritten, als dies beispielsweise in Spanien der Fall ist. In der vergangenen Saison konnte unser ­spanisches Counter-Strike:Source-Team in der dortigen ESL Pro Series den dritten Platz erreichen - um ein ähnliches Ergebnis in Deutschland erzielen zu können, hätten wir mit Sicherheit den 100-fachen Betrag investieren müssen. So haben beide Seiten etwas davon: die Teams aus dem europäischen Umland finden in uns eine finanzkräftige und vertrauenswürdige Organisation, die es so in ihrem Heimatland oft noch nicht gibt. Und wir können unser Angebot an Marketingreichweite erhöhen. Eine klassische Win-Win-Situation. Um diese Werbefläche möglichst gut ausnutzen zu können, haben wir außerdem dafür gesorgt, dass unsere Homepage zweisprachig verfügbar ist - sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Allein um unserer wachsenden Bedeutung im europäischen Ausland gerecht zu werden.

SPOX: Dennoch habt auch Ihr wegen der Wirtschaftskrise weniger Etat zur Verfügung. Wie trifft es Euch als neue Marke ohne lange Tradition und Fanbase?

Klein: Tradition wird überschätzt. Die letzten Monate haben gezeigt, dass es nur wenigen Traditionsclans gelingt, erneut den Sprung in den professionellen Sektor zu schaffen - weil sich diese Organisationen zu viel auf einen ehemals großen Namen verlassen.

SPOX: Aber Fans sind doch mit Sicherheit enorm wichtig. Auch wirtschaftlich gesehen.

Klein: Der Bedeutung einer gewissen Fanbase sind wir uns sehr wohl bewusst - versuchen allerdings, gerade in dieser Richtung ein Vorbild zu sein. Wir bieten unseren Fans die Möglichkeit, mit Activity-Points an Auktionen teilzunehmen, kostenlos Server der Firma Linemax zu leihen oder an Gewinnspielen teilzunehmen. Dank dieser, in der deutschen Clan-Welt zum Teil einzigartigen Features ist es uns nach kurzer Zeit gelungen, eine Community von weit über 400 aktiven Usern zu schaffen und somit das dauerhafte Interesse an unserer Homepage und vor allem unseren Teams hochzuhalten. Dies ist sowohl für Sponsoren interessant, weil wir uns dadurch von der grauen Masse abheben, als auch für unsere Teams wertvoll, die den großen Rückhalt der Community hinter sich wissen.

SPOX: Jüngstes Opfer der Krise ist die Marke hoorai, deren Counter-Strike:Source-Team Sie übernommen haben. Ein großer Name...

Klein: hoorai war eine der ganz großen Adressen im deutschen eSport und der Untergang der Marke ist bedauerlich. Allerdings wollen wir uns an keinerlei Spekulationen zu den Gründen dieser Schließung beteiligen. Hervorheben möchten wir allerdings, wie vorbildlich hoorai gehandelt hat, in dem sie ihre Teams freistellen, statt einfach den Zahlungsbetrieb einzustellen - wie es vermutlich viele andere Organisationen im eSport getan hätten. Diese Aktion hat Respekt verdient und ist vielleicht ein Zeichen dafür, dass wir uns auf dem Weg in die Professionalität befinden.

SPOX: In der deutschen ESL Pro Series stellen Sie aktuell drei Teams. Wird es bei diesen drei Teams bleiben - oder werden Sie zeitnah ihr Personal aufstocken?

Klein: Ich kann natürlich keine Details verraten. Aber wir werden die Schlagzahl erhöhen.

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