"Werden angefeuert, wie die Stars beim Fußball"

Von SPOX
Der LeiSuRe-Clan auf der EPS-Relegation im Dezember 2009
© turtle entertainment

Sascha Schmücker ist Projektleiter des LeiSuRe-Clans. Außerdem betreibt er mit der Netzwerkhalle ein öffentliches eSport-Bootcamp - ein Trainingslager für den elektronischen Sport. Ein boomender Markt. Im SPOX-Interview spricht er über Traditionen und Emotionen im eSport, den Vergleich zum Fußball und darüber, warum er trotz diverser Angebote besserer Teams an seinem Clan hängt.

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SPOX: Herr Schmücker, Sie haben 2007 mit einem Geschäftspartner ein eSport-Bootcamp in Koblenz eröffnet. Wie erklären Sie die steigende Zahl an Buchungen?

Sascha Schmücker: Man merkt jeden Tag, dass der eSport mehr Anklang und Anhänger findet. Was früher noch ein Daddeln im Keller war, hat heute professionelle Formen angenommen. Da hat der Keller ausgedient. Immer mehr Teams haben das erkannt. Deshalb haben die Buchungen auch so drastisch zugenommen. Ein Bootcamp kann der Weg zu einem erfolgreichen Team sein.

SPOX: Wo genau liegen die Vorteile ihres Bootcamps?

Schmücker: Den Spielern wird die Möglichkeit geboten, sich ausschließlich auf eSport zu konzentrieren. Sie verfolgen ihre selbst gesteckten Ziele, wie etwa das Erreichen bestimmter Platzierungen oder das Kennenlernen von den Leuten, die sie sonst nur über das Internet kennen. Und das, ohne von äußeren Einflüssen abgelenkt zu werden. Wie in einem Fußball-Trainingslager. Allein dadurch kann man erkennen, dass der eSport auf eine professionelle Ebene hinarbeitet.

SPOX: Vor Kurzem startete mit dem "LeiSuRe Pre Season Cup" auch ihr eigener eSport-Pokal - allerdings ohne die bekannten Top-Teams. Planungsfehler oder tiefgründiger Sinn?

Schmücker: Wir haben bewusst nur Amateurteams eingeladen. Die beiden Ausnahmen waren snook und LowLandLions, die beide häufig Trainingspartner unseres Counter-Strike-Teams sind. Ansonsten wurden bewusst Anmeldungen von EPS-Teams wie den Frankfurt 69ers abgelehnt, um ein ausgeglichenes Turnier zu gewährleisten. Dadurch können endlich auch Teams, die sonst nicht bei großen Turnieren teilnehmen dürfen, gute Preise und etwas Prestige gewinnen. Das Konzept war ein erster Versuch, den Amateur-Bereich zu stärken ist auf gute Resonanz getroffen. Wir waren auf den größten Szene-Seiten vertreten - und die Playoffs wurden auf Gamecast übertragen.

SPOX: Ihr eigener Clan,  LeiSuRe eSports, spielt in "Call of Duty" und "FIFA 2010" in der ESL-Pro-Series mit.  In welchen Punkten fehlt es dennoch zur Spitze des professionellen eSports?

Schmücker: So makaber es klingt: wir sind zu nett. Wir setzen auf Menschlichkeit und Zusammenhalt und haben dadurch schon oft die Bewerbung eines möglicherweise besseren Teams abgelehnt und uns für ein namentlich schlechteres Team entschieden, weil es menschlich gepasst hat. Klarer Vorteil hiervon ist, dass wir Teams haben, die darauf brennen, für uns zu spielen und alles für uns zu geben.

SPOX: Und was hat das bisher gebracht?

Schmücker: Unsere Arbeit ist langfristig angelegt. In den vergangenen sechs Monaten haben wir große Schritte nach vorne gemacht. Angefangen bei unserer neuen Website, die momentan bei guten 1000 Besuchern pro Tag liegt, bis hin zu sportlichen Erfolgen auf Offline-Events und den gängigen Online-Turnieren konnten wir Schritt für Schritt unser Projekt verbessern. Vielleicht wären wir längst viel weiter, wenn wir nach dem Motto "der Schwächste fliegt" handeln würden. Aber das würde sich mit unserem Motto "together we made it" beißen.

SPOX: Werden im Management personelle Veränderungen angestrebt, um den Clan weiterzuentwickeln?

Schmücker: In der vergangen Zeit haben wir stets versucht, unser Management-Team zu vergrößern. Leider ist es schwer, kompetente Leute zu finden, die sich durchsetzen können und dennoch zum Team passen. Doch auch so sind bei uns die Aufgabengebiete gut verteilt. Meine Kollegen Christian "Ravana" Döring, Roman "roman" Mies und ich haben unsere Kompetenzen den jeweiligen Teilbereichen zugeordnet. Roman übernimmt vor allem das Marketing und betreut unsere Sponsoren. Christian ist der Ansprechpartner für sämtliche Teams und für das grafische Design zuständig. Ich bin ebenfalls für die Teams und das sogenannte Tagesgeschäft zuständig.

SPOX: Ihr Team ist ein ewiger Teilnehmer der Auf- und Abstiegsrunde. Gerade bei FIFA hatten Sie in der Vergangenheit häufig die Chance, sich in der Relegation zu behaupten. Ist das schon Tradition?

Schmücker: Bei FIFA ist eine EPS-Relegation ohne LeiSuRe keine richtige Relegation. Könnte man sagen. Gott sei Dank gilt dieser Satz seit letztem Jahr nicht mehr. Nachdem wir uns davor auf der gefühlten hundertsten Relegation für die ESL-Pro-Series qualifizieren konnten, haben wir die letzte Saison mit einem neunten Platz abgeschlossen und damit den Klassenerhalt geschafft. Für die Zukunft sehen wir uns eindeutig weiter oben in der Tabelle. Nicht zuletzt mit unserem neuen FIFA-Team haben wir die Ambitionen, nach den Sternen zu greifen. Vielleicht findet man uns ja im Juni in Köln auf der Bühne, wenn es heißt "ESL Pro Series Finals FIFA 2010".

SPOX: Wie viel Tradition steckt hinter LeiSuRe? Nach elf Jahren im elektronischen Sport ist der Verein fester Bestandteil der Szene. Könnten Sie sich vorstellen, LeiSuRe zu verlassen?

Schmücker: Wir zählen zu den ältesten Clans im deutschen eSport - man kann uns wirklich schon fast als Traditions-Clan bezeichnen. Ich habe sehr viele Anfragen von anderen Projekten bekommen. Manche sind um einiges besser oder stärker als LeiSuRe, viele wollten mich aber auch einfach nur in ihre Organisation bekommen, um kostenlos an Bootcamps zu kommen. Zugegeben: Bei manchen Angeboten musste ich lange überlegen, ob ich den Schritt weg von LeiSuRe wage. Aber mein Herz schlägt nur für diesen Clan. LeiSuRe wächst wie ein Kind. Ich habe ihm so viele schöne Momente und Emotionen zu verdanken, dass die Frage nach einem Wechsel immer mit "Nein" endete.

SPOX: Das war sicher nicht immer einfach...

Schmücker: In den letzten Jahren gab es Momente, wo der Clan kurz vor dem Aus stand. Aber dank des treuen Management-Kerns und die Spieler, die den Clan nach außen repräsentieren, konnten wir alle Hürden überwinden. Vor zwei Jahren kam dann die Wende vom Fun-Clan zu einem professionellen eSport-Team. Seitdem entwickeln wir uns täglich weiter und versuchen, mit unserem Konzept ganz oben mitzumischen. Das Ziel ist aber noch lange nicht erreicht. Wir haben noch einige Hürden zu überwinden - aber eSport ohne LeiSuRe kann ich mir nicht mehr vorstellen, nein.

SPOX: Die Geschichte des eSports ist kurz. Welche Kultur hat sich hier gebildet?

Schmücker: Auch wenn der eSport erst eine kurze Geschichte hat, so haben wir damit doch eine Kultur erschaffen, die rasant wächst. Die eSport-Kultur hat binnen kurzer Zeit einiges erreicht, was auch andere Kulturen ausmacht. So haben wir etwa eine eigene Sprache entwickelt, die teilweise von anderen Bereichen in der "realen Welt" übernommen wird.

SPOX: Und die Emotionen? Immerhin ein klassisches Sport-Merkmal...

Schmücker: Von den Emotionen, die ich in dieser Kultur erlebt habe, kann ich bald ein Buch schreiben. Das beste Beispiel ist das Mitfiebern, wenn das eigene Team auf der Relegation um den Sieg spielt. Da herrscht immer ein Gefühlschaos der ganz besonderen Sorte. Oder man sieht in die Fan-Reihen eines Intel Friday Night Games. Die spielenden Teams werden genauso angefeuert, wie die großen Stars beim Fußball. Zwar in kleinerem Maßstab - aber schon daran sieht man, welche Emotionen schon jetzt in diesem elektronischen Sport stecken.

247.000 Euro für die eSport-Elite