"Werden über Killerspiel-Debatte lachen"

Von SPOX
1100 Zuschauer und die TV-Crew des Liga-Senders ESL-TV beim Intel Friday Night Game in Köln
© turtle entertainment

In der Formel 1 müssen Teams sparen, Bundeliga-Vereinen wie dem FC Schalke 04 geht das Geld aus. Die Finanzkrise macht vor dem Profi-Sport keinen Halt. Doch wie sehr schadet sie dem eSport? Und welchen Schaden richten die Killerspiel-Debatten an? Marketing- und eSport-Experte Dominic Multerer gibt Auskunft.

Cookie-Einstellungen

"Die ersten Auswirkungen machen sich zwar bemerkbar", sagt der "vermutlich jüngste Marketing-Chef Deutschlands (Handelsblatt)" im Gespräch mit SPOX. "Kleinere Teams verschwanden ganz und selbst große Clans erhielten ein niedrigeres Budget."

Doch die Krise sei auch eine Chance. "Die Szene wird professioneller. Das ist die Chance für den Markt, mehr Firmen klarzumachen, dass sie über den eSport eine junge Zielgruppe erreichen können und dort ein starker Absatzmarkt vorhanden ist." Im Interview erklärt der 17-Jährige außerdem, warum man schon bald über die Killerspiel-Debatte lachen wird.

SPOX: Überall im Sport ist von der Finanzkrise die Rede. Selbst Vereine wie der FC Schalke 04 haben plötzlich finanzielle Probleme. Macht der eSport da eine Ausnahme?

Dominic Multerer: Nein, die Branche wird nicht verschont. Zum Beispiel verlor der deutsche Traditions-Clan mTw seinen Hauptsponsor, den Computerchip-Hersteller AMD. Später kündigte die Firma auch ihre Partnerschaft mit SK, einem der weltbesten Clans. Und das ist keine Ausnahme: Kleinere Teams verschwanden sogar ganz und selbst größere Teams erhalten ein niedrigeres Budget für die kommende Saison.

SPOX: Von welchen Größenordnungen sprechen wir bei den Budgets überhaupt?

Multerer: Weltweit agierende Clans wie SK werden meist von internationalen Unternehmen aus der Computerindustrie - etwa Dell oder Intel - unterstützt. Hinzu kommen renommierte Partner wie Adidas oder Reebok. Da kommt ein mittlerer sechsstelliger Betrag zusammen.

SPOX: Das klingt doch erstmal viel.

Multerer: Ist es am Ende aber nicht. Die Spieler und Teams haben enorme Reisekosten, wenn sie an ausländischen Turnieren teilnehmen. Und das ist die Regel. Außerdem muss die Infrastruktur aufrechterhalten werden - Ausrüstung, Räume für Trainingssitzungen und vieles mehr. Außerdem erhalten Spieler und Angestellte der Clans ein festes Gehalt. Das verbraucht Ressourcen. Ein Clan ist ein Unternehmen, das wirtschaftet.

SPOX: Und der Wirtschaft geht es schlecht. Also auch dem eSport.

Multerer: Ja, aber das ist nur ein kurzfristiger Wachstumsstopp, kein Rückgang der Entwicklung insgesamt. eSport ist noch immer ein Wachstumsmarkt - er wurde nur gedrosselt. In drei bis fünf Jahren erwartet den eSport eine größere Entwicklung.

SPOX: Und wie genau wird diese aussehen?

Multerer: Die breite Masse wird angesprochen. Erste Schritte dazu sind bereits zu erkennen. Die Electronic Sports League (ESL), mit mehr als zwei Millionen Usern Europas größte eSport-Liga, bemüht sich, Aufklärung bei Eltern und Politikern zu betreiben und lässt sich Aktionen einfallen, die auch den allgemeinen Sport-Fan interessieren. Etwa die ESL Sports. Außerdem werden die Events professioneller und locken damit mehr Besucher an. Daraus folgt: Die Zielgruppe wird größer, das Engagement der Sponsoren steigt.

SPOX: Trotz Aufklärung und Professionalisierung gerät die Szene aber regelmäßig wegen sogenannter Killerspiele wie Counter-Strike unter Beschuss...

Multerer: Solche Debatten halten zum Glück nie allzu lange an. Auch jetzt ist die letzte Kontroverse wieder aus den Köpfen raus, zumindest halbwegs. Hätte die Killerspiel-Phase länger angehalten, hätte es für die Szene gefährlich werden können. PR-technisch sind die Diskussionen nach einem Amoklauf verheerend. Die Spiele müssen hier als Sündenbock herhalten. Früher waren es Rockmusik oder gewaltverherrlichende Filme, jetzt sind es die Games. In ein paar Jahren werden wir aber darüber lachen.

SPOX: Und kurzfristig: Wie wird sich eSport 2010 entwickeln?

Multerer: Positiv. Die Krise wird weiter abnehmen, die Clans bekommen wieder größere finanzielle Mittel und höhere Preisgelder werden ausgeschüttet. Wenn wir 2010 von der Killerspieldebatte verschont bleiben, werden die Medien positiv über den Sport berichten - und das ist die Chance für den Markt, mehr Firmen klarzumachen, dass sie über den eSport eine junge Zielgruppe erreichen können und dort ein starker Absatzmarkt vorhanden ist.

SPOX: Was können die Clans selbst dafür tun, um sich besser zu präsentieren?

Multerer: Ganz einfach: noch professioneller werden. Zwar haben sie das in den vergangenen fünf Jahren bereits gut gemacht, aber sie müssen sich weiterentwickeln und für Neuerungen offen sein. Wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre anschaut, merkt man, wie die Vermarktung immer professioneller wurde. Clans nutzen ihre Webpräsenz zur Vermarktung, das Advertising steigt. Aus den Gemeinschaften zum Zocken werden immer professionellere Unternehmen. Mit dem Wachstum entwickelt sich die Branche. Das muss weitergehen.

SPOX: Heißt das auch: eSport sollte sich den Mainstream-Medien öffnen?

Multerer: Natürlich. Aber für die Szene ist es schwer, sich außerhalb der Fachmedien zu etablieren. An einigen TV-Talkrunden nehmen eSportler bereits teil. Bisher allerdings vor allem bei Killerspieldebatten. Das ist zu wenig. eSport muss zum Alltag gehören.

IFNG in Köln: Rekordmeister gegen Tabellenführer