Das Operettenderby

Von Max-Jacob Ost
Still könnte es in der Dortmunder Ecke beim Derby auf Schalke werden
© Getty

In den letzten Wochen haben BVB-Fans im Internet den Boykott des Derbys auf Schalke organisiert. Aus Protest gegen hohe Ticketpreise. Ausverkauft wird die Arena vermutlich dennoch sein. Aber die lauten Zuschauer sitzen zuhause.

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Es gibt sie immer wieder, diese Momente. Momente, in denen sich bevorzugt im Internet eine Gruppierung zusammenfindet, organisiert und damit so hohe Wellen schlägt, dass in den Geschäftsstellen einiger Vereine die Drucker heiß laufen. Weil man sich dort erst einmal dieses "Internet" ausdrucken will, um zu sehen, was da eigentlich passiert.

In den letzten Wochen war es wieder soweit. Wie inzwischen auch in den analogen Medien zu lesen ist, planen einige Dortmundfans einen Boykott des Derbys auf Schalke. Aus Protest gegen eine Erhöhung des Top-Zuschlags auf die Kartenpreise.

Es wäre zu einfach darüber Witze zu machen, dass man für ein Spiel gegen die Rumpeltruppe um Christoph Metzelder Topzuschlag zahlen sollte. Und was gesagt werden kann, wurde schon gesagt. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal ein Überblick dieser Initiative gegeben werden. Diskussionsstoff bietet das Thema genug, da braucht es keine Kalauer.

 

Stell' dir vor es ist Derby und keiner geht hin

Boykott-Homepage: Kein Zwanni für nen Steher!

The Unity: Liste der Unterstützer

Schwatzgelb: Die Ticketpreisspirale

Und das sagt Mats Hummels zum Boykott:

Tineff Blog: Wie sehen andere den Boykottaufruf? Teil 1

Web 0.4: Das Web0.4 ruft zum Boykott auf!

Stadioncheck: Der Zweck scheinheiligt die Mittel

Hamburg Schwarz Gelb: Der Zweck scheinheiligt nicht jedes Mittel

 

"Dumm ist der gespielte Opportunismus des Vereins deshalb, weil er die eh gereizte Stimmung vor, während und nach dem Derby, noch einmal besonders anheizt. Vor allem Sprüche wie "Wir finanzieren denen doch nicht den Huntelaar" (Klopp) zeigt, dass der Verein die Stimmung bewusst schürt und gleichzeitig unmissverständlich deutlich macht, dass er von der Aktion nix, aber auch gar nix, verstanden hat. Ein ganz anderes Problem wird am Derby-Sonntag die Polizei rund um die Arena bekommen.

Kaum einer glaubt, dass ganz Dortmund an diesem Tag in ihren Reihen bleiben und im Schatten des Wellblechdachs ne friedliche Fan-Party veranstalten wird. Dortmund-Fans werden vor der Arena zugegen sein und auch lautstark auf sich aufmerksam machen. Mit erheblichen Zwischenfällen ist zu rechnen, denn die 90 Minuten Fußball lenken bei diesem Derby ausnahmsweise nicht ab. Die Aktion ist draußen, der Fußball bleibt drinnen."

Blogundweiss: Der Fußball bleibt drinnen

 

"Ein gelungener, ehrlich gesagt, ein neidisch machender Coup! Ich wünschte, die Fanclubs meines Vereins hätte diese Idee gehabt. Mal auf Ärger über zerfledderte Wände verzichten, mal nicht pöbeln und bepöbelt werden. Stattdessen das Geld in ein Fanfest investieren, unter sich aber im großen Rahmen der Dinge harren die da kommen. Ein wenig albern ist lediglich der von den Organisatoren aufs Schild geschriebene Vorsatz, für alle Fans, gegen zu hohe Preise und "ausdrücklich nicht gegen Gelsenkirchen" zu handeln."
Königsblog: Zeckenboykott

 

"Vielleicht täte man in Fankreisen des FC Schalke gut daran, nicht hinter jeder Aktion von Fans aus Dortmund einen Angriff auf den eigenen Verein zu sehen. Das unsere Vereine sich gerade im Bereich der Ausbeutung von Fans nicht mal unähnlich sind und es nun an uns ist, auf diese Missstände hinzuweisen, dem muss man sich in Gelsenkirchen wohl erst noch bewusst werden- ohne das von Dortmunder Seite darauf aufmerksam gemacht wird. Stattdessen schluckt man lieber die horrenden Preise und versucht, den hilflos verschuldeten Verein irgendwie zu  konsolidieren. Seht ihr weiterhin, was ihr sehen wollt."

Boissere'scher Blog: Man sieht nur, was man sehen will

 

"Denn zutun gibt es noch eine ganze Menge. Auch bei uns, wo zwar auf der einen Seite immer wieder davon erzählt wird, dass man Retortenklubs scheiße findet und Traditionsvereine das Non plus Ultrà sind, aber auf der anderen Seite eben Traditionsvereinen wie Gladbach und Köln bzw. dessen Fans unter dem Deckmantel "Topspiel" mehr Kohle aus der Tasche gezogen wird. Und das nur deshalb, weil es eben Traditionsvereine mit vielen Fans sind und nicht etwa, weil sie jetzt bezaubernden Fussball spielen.

Hier wäre es eventuell wünschenswert, wenn die Gästefans generell von solchen Topspielzuschlägen befreit würden. Denn auch z.B. in Hamburg kostet der Stehplatz im Schnitt annehmbare 15€.  Allerdings für Fans des FC Bayern 19€, während die vom SC Freiburg nur 12€ zahlen müssen. Dieses ungleichgewicht bei der Behandlung der Gäste geht nicht klar, während es für die Heimfans durchaus vertretbar ist gegen den FCB mehr zu bezahlen als gegen den SCF..."

Zone09: Bringt doch eh nichts... Am Arsch!

 

Deutschland-Aserbaidschan

"Ein weiterer Bubi zeigte, wo das Problem der neuen, superduper ausgebildeten Generation liegt: Diese vermaledeite Konzentrationsschwäche, zurückzuführen auf die selbständig geführten Facebook- und Twitter-Accounts, die man nun schon direkt vom Spielfeld aus füttert. 90 Minuten Topleistung, das kriegen weder Podolski noch Manuel Neuer im Tor hin, der eins der schönsten Eigentore der jüngeren deutschen Fußballgeschichte produzierte.

Wie er auch schon gegen England nicht ganz unschuldig war, auch gegen Serbien nicht völlig machtlos wirkte. Komischerweise äußert trotzdem kaum jemand Zweifel an ihm. Offensichtlich hat man resigniert bei der Hoffnung, aus dieser Generation noch jemanden ohne ADS zu finden."

Trainer Baade: Geister - Dersierief 6:1

 

Hertha: Der Trend geht zur schwarzen Kurzhaarfrisur

"Es wird sicherlich noch eine Weile dauern bis ich in der zweiten Liga angekommen bin. Meine Reise nach Tansania katapultierte mich so weit von Deutschland weg wie es sich anhört. Bis auf ein paar Besuche in Internetcafés und Handytelefonate bekam ich also nicht besonders viel von Herthas Vorbereitung und dem Saisonstart mit. So fiel es mir beim Spiel gegen Fortuna unglaublich schwer all die neuen Spieler auseinander zu halten.

Wie peinlich! Perdedaj, Mijatovic, Djuricin, Rukavytsya und der große Friend sehen sich aber auch wirklich zum verwechseln ähnlich. Schwarze Kurzhaarfrisuren sind wieder "In" bei Hertha."
Hertha BSC Blog: Erste Eindrücke in Liga 2

 

Schalke: Der neue FC Hollywood?

Schalke, Schalke, Schalke. Scheint derzeit mit weitem Abstand der interessanteste Verein der Liga zu sein. Denn auch abseits von Boykottaufrufen waren die Königsblauen ein wichtiges Thema in den Blogs:

"Interessanterweise hatte der Haushalt der Stadt Gelsenkirchen 2010 einen Fehlbetrag von 18,9 Mio. €, bei einer Arbeitslosenquote von über 15%. Mit Sicherheit stehen die Anteile am Verein in der Bilanz der Stadt, ob diese jedoch noch 20 Mio. € wert sind, sollte Schalke die Champions League verpassen, ist anzuzweifeln. Früher hatte ich einmal grundsätzliche Sympathien oder zumindest Respekt für diesen großen Traditionsverein und seine gigantische Fanbasis.

Inzwischen haben sich diese jedoch beinahe in Verachtung verwandelt. "Mein" Verein hat aus den Sünden der Vergangenheit gelernt und wird darunter noch auf Jahre hinweg leiden, während Schalke ungehindert damit weitermachen kann. Die stillose Abservierung des verdienten Fanbeauftragten Rolf Rojek passte dabei ebenfalls ins Bild eines Vereins, der von einem erfolgsbessenen Technokraten in eine ungewisse Zukunft geführt wird."
5 Freunde im Abseits: Verloren gegangene Sympathien

 

Manchmal sind die Kommentare in Blogs die eigentlichen Highlights. Aktuelles Beispiel: Ein Kommentar von "Liza" im Blog von Breitnigge:

"Du bist reich! Also bald. Davon überzeugst du dann deinen Herrn Papa - nennen wir ihn mal Herrn Vorstand -, der dir nach kurzem Bedenken erlaubt, deinen (zukünftigen) Reichtum präventiv schon mal auszugeben. Also kaufst du dir ein bisschen Krempel vom Trödelmarkt - unter anderem eine edle spanische Stehlampe, um die dich deine Nachbarn beneiden werden. Und noch ein bisschen mehr Krempel von den vertrauenswürdigen griechischen, rumänischen und japanischen 1€-Händlern um die Ecke.

Zugegeben: Deine Nachbarn sagen manchmal, du wärst ein Messie. Aber das hat dich noch nie gestört. Immerhin wohnst du meistens nicht lange in einer Stadt und wirst schon irgendwelche neue Nachbarn finden, denen du deinen Edeltrödel wirst vorführen können. Aufräumen müssen halt die Nachmieter."

Breitnigge: Ich will ja nix sagen und habe ja auch keine Ahnung

 

Was man außerdem unbedingt lesen sollte

Stellt euch vor, eine Ultra-Gruppierung pöbelt im Internet gegen alles, was Rang und/oder Namen hat - doch in Wirklichkeit sind sie gar nicht Fan des Vereins, für den sie stehen. Hört sich merkwürdig an. Ist es auch.

Der Rotebrauseblogger berichtet in seinem Text Kommunikationsguerilla ausführlicher davon. Das schönste Tor aller Zeiten kann man dagegen im Eishockey-Blog bestaunen. Aber eindeutig das Video der Woche ist das hier: Die Angst des Mehmet Scholl.

 

Die nächste Blogschau erscheint am nächsten Mittwoch, den 15. September. Alle früheren Ausgaben finden Sie im Blogschau-Archiv oder unter https://www.spox.com/blogschau

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