"Zwei Karten für Hartz IV bitte!"

Von Max-Jacob Ost
Der HSV verspielte in Köln eine 3:1-Führung. Hier: Marcell Jansen, der Ball, Adil Chihi (v.l.n.r.)
© Getty
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Selber reimen bringt Kalle zum Weinen

Sorgen muss man sich auch um die Spox-Community machen. Denn dort wütet gerade ein höchst bedenklicher Trend. Gedichte in Tradition von Annette Pfeiffer-Klärle beziehungsweise ihrem kongenialen Rezitator Karl-Heinz Rummenigge. Losgetreten hat die poetologische Lawine von den Ausmaßen eines Auffahrunfalls auf der A99 ein lyrisches Genie mit dem bezeichnenden Namen "zerstoerer79". Ein kleiner Leckerbissen aus dem Auftakt-Opus, eine Bitte an Franck Ribery:

"Drum setz´ Dein X unter den Vertrag,
nun hör´ auf uns, wenn ich's Dir sag.
CL Sieger Du sein wirst, junger Skywalker,
der Mann hinter Dir heißt Holger und ist kein Stalker.
Drum bleib´ bei uns das freut uns mehr.
Danke Frank, vielmals, danke sehr. "

Wer an dieser Stelle anders als Marcel Reich-Ranicki noch nicht in Ohnmacht gefallen ist, kann sich an den Folgewerken und den Repliken anderer User erfreuen. Dafür gibt es jetzt sogar eine eigene Gruppe (Club der toten LinienDichter) und bald auch ein Hörbuch, gelesen von Roger Willemsen und Thomas Brdaric.

Um Aufnahme in die Gruppe beworben haben sich auch einige Freiburgfans. Zumindest ist im Blog des Fotografen Kristoff Meller ein außerordentliches Kunstwerk dokumentiert: "Schwere Zeiten können nur verstreichen / durch den Willen das Ziel zu erreichen." Diagnose: Noch etwas glatt, aber schon auf dem richtigen Weg.
Zerstoerer79:
Versus Spoximus
München_Bayern:
Ein Gedicht über Fakeaccounts
Kristoff Meller:
Endlich wieder Bundesliga

 

Mit dem Buntstift ausgerutscht

Und noch ein Trend geistert zur Zeit durch die Blogosphäre: Infografiken. Für die einen das Galileo-Mystery der Blogosphäre, also unwissenschaftlich und überflüssig. Für die anderen ein angehimmeltes Spielzeug. Heraus kommen so herrliche Ratespielchen wie die Meisterkarte von "Spielbeobachter".

Nicht einmal Schalkefans können dagegen etwas haben. Bezieht ja auch die Zeit vor Gründung der Bundesliga ein. Die Blogschau empfielt: Mitraten. Fleißpunkte sammeln. Den Spielbeobachter in den Kommentaren loben, dem Trainer den Kopf streicheln. Jetzt!
Spielbeobachter:
Infografikmassaker
Catenaccio:
Infografikalarm I, II, III, IV, V
Trainer Baade:
Infografik-Alarm! Die tatsächlichen Proportionen

 

Schreib dich nicht ab. Lern Fußball.

Manchmal entbehrt der Streifzug durch die Blogs nicht einer gewissen Komik. Erst liest man bei "Hamburg Schwarz Gelb" Sätze wie: "Wenn ich mal ganz ehrlich bin verstehe ich von Fußball so gut wie nichts." Gefolgt von dem Bekenntnis: "Ich rede und diskutiere generell lieber über Fanthemen. (...) Hier fühl ich mich wohl, hier kenn ich mich aus und hier kann ich was machen. Aber was das Geschehen auf dem Feld angeht werden mir wohl immer die Feinheiten verborgen bleiben. Legendär die Geschichte, als ich nicht mitbekam, dass Tinga in einem Spiel Anfang der Saison nicht auf der 6, sondern in der Raute außen spielte. Das hat mir dann Lieblingslesbe erzählt. Wohlgemerkt NACH dem Spiel. Ich bin ein echter Fußball-Legastheniker."

Man nickt und denkt sich: "Schlimm, diese Fußball-Legasthenie! Aber irgendwie geht es doch denn meisten so." Man klickt den nächsten Beitrag an, landet bei "clubfans-united". Und was liest man dort? Eine fundierte taktische Analyse des Nürnberger Systems. "Warum ist eigentlich die 6er Position so wichtig? Kann das nicht ein solider Wasserträger wie Wimmer für Netzer übernehmen? Ganz klar: Nein. Im modernen Fußball ist die Position zentral vor der Abwehr vielleicht die wichtigste." - Wenn Legastheniker und Professor am gleichen Tisch sitzen und keiner von beiden alleine Recht hat, dann nennt man das: Blogosphäre. Toll.
Hamburg Schwarz Gelb:
Ich bin ein Fußball-Legastheniker
Clubfans-united:
Zwei Sechser im Lotto

 

Gegen den modernen Fußball...

...ist eigentlich ein blöder Spruch. Denn was ist schon "moderner Fußball". One-Touch-Kombinationen - oder das vom örtlichen Klärwerk präsentierte Eckballverhältnis? Gegen was man also genau ist, kann man gar nicht exakt sagen. Gegen Kommerzialisierung? Vertikalpässe? Verregnete Montage? Weiße Gummibärchen? - Aber das alles ist jetzt egal. Denn dank einem Schalker wissen wir jetzt, was damit gemeint sein könnte: Torkameras, Ballchips, Thermounterhosen, etc. Und dagegen muss man ja wohl sein. Meint zumindest Königsblog:

"Nein, rufen die Torkamera-Befürworter, das ist doch alles übertrieben, alles Quatsch. Es geht doch nur um die Torentscheidungen, alles andere soll doch so bleiben. Und ich antworte: Ich glaube Dir Deinen guten Willen, aber ich halte Dich für naiv. Erkläre Deine eingeschränkte Vision doch mal den Iren."

Ein wunderbarer Vertikalpass für jeden diskussionsfreudigen Fan. Egal ob man gegen oder für Vertikalpässe ist.
Königsblog:
Dagegen. Trotzdem.

 

...für den alten Fußball

Früher war alles besser. Die Steuererklärung einfacher, die Kreuzzüge kuscheliger und der Fußball härter. Denn damals waren Fußball und Rugby noch ein und dasselbe Spiel. Regeln gab es nicht, Schienbeinschoner erst recht nicht. Vielleicht habe ich den Spruch "Gegen den modernen Fußball" also einfach falsch verstanden. "Gegen den modernen Fußball" heißt nichts anderes als "Für Rugby!". So wie Fußball einst war. Männlich. Hart. Zahnarztfreundlich. Deshalb wird sich Torsten Wieland vom Königsblog bestimmt genau so freuen wie seine Kollegen, dass das Six Nation-Turnier beginnt. Und so sind wieder mal alle glücklich. Schön.
Alles außer Sport:
Six Nations 2010 starten
Rodnox:
Rugby - Echter Männersport

 

Tweets vom Abfahrtshügel

@Kevmaster: "Bin jetzt aus dem Stadion, zweite Halbzeit sehe ich zuhause. Da hab ich noch nen volles Nutella-Glas. #em08 #i'mcoming"
@MCLutscher: "Dem Argentinier ordentlich eine gebatscht. Hat mich "Maria" genannt. Freu mich auf Italien."
@Germanysnexttopmodel: "Mit Angela Freundschaft getrunken. Rote Karte hat sich gelohnt. Ösis haben eh keine Chance."
@Bundesjogi: "Leistungsprinzip heißt bei mir: Manche können sich einfach alles leisten."
@GoldenGolli: "@loddar Nochmal danke fürs Rüberschicken von deinem alten Vertrag. Hab ihn gleich weitergefaxt. Läuft. #dfb"

Hach, wie schön wäre es, wenn sich schon mehr Fußballprofis (und solche, die sich dafür halten) bei Twitter tummeln würden. So manches von den obigen Tweets wäre bestimmt über den virtuellen Äther gegangen. In anderen Sportarten ist man da schon weiter. Die amerikanische Schneefräse Lindsay Vonn zum Beispiel greift gerne zwischen den Wettkämpfen auf den direkten Kontakt zum Fan zurück. Im Olympischen Kommittee von Vancouver sieht man das allerdings gar nicht gerne. Deshalb hat man lieber Richtlinien verfasst, an die sich bloggende und twitternde Sportler halten müssen. Wie aussichtsreich dieses Vorhaben ist, hat der Journalist Jens Weinreich in seinem Blog diskutiert.

Jens Weinreich: Vancouver 2010: die ersten Olympischen Social-Media-Spiele

 

Was man außerdem unbedingt lesen sollte

Warum Bailey bald den Designerpulli von Hitzlsperger aufträgt (Baileys Blog), man Wayne Rooney nie eine scheuern und weglaufen sollte (101greatgoals) und in Dortmund vielleicht ein leiser Abschied stattfindet (Any Given Weekend). Außerdem: Ein lässiges 70 Meter-Weitschusstor (Fritten, Fußball & Bier), die noch unbekannte Zukunft des DFB (Donalds Blog) und St.Pauli in 3D (Fabulous Sankt Pauli). In diesem Sinne, dreidimensionale Grüße!

 

Die nächste Blogschau gibt es am Mittwoch, den 17. Februar. Alle früheren Ausgaben finden Sie im Blogschau-Archiv oder unter https://www.spox.com/blogschau

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