"Perfekt aufgestellt ist niemand"

Dominic Thiem und Günter Bresnik haben auch 2017 gemeinsam viel vor
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tennisnet.com: Dominic soll laut dir in der Off-Season große Sprünge gemacht haben.

Bresnik (unterbricht): Große Sprünge nicht mehr. Davon kann man bei ihm jetzt nicht mehr reden. Aber jede kleine Verbesserung ist mittlerweile wichtig und kann viel ausmachen, diese bekannt kleinen Schritte, wenn es näher zum Ziel geht. Diese sind mit einem hohen Aufwand verbunden. Aber er spult diese Einheiten so wie ein Musterschüler runter - das muss man ihm immer wieder hoch anrechnen. Die Dinge, die man nicht so gut macht, üben die meisten nicht sehr gern. Ihm merkt man das hingegen gar nicht an, da registriert man keinen Unterschied, er macht alles mit derselben Intensität. Wenn er etwas 100 Male wiederholt und es geht und geht nicht, und am Ende klappt es dann doch zwei, drei Mal, kann er so viel Energie daraus ziehen, dass er das noch eine halbe Stunde lang übt. Und am Ende eines Trainingsblocks sieht er dann die Verbesserung.

tennisnet.com: In welchen Bereichen hat er sich denn am meisten verbessert?

Bresnik: Seine Grundschläge müssen, um mit den ganz Großen mitzuspielen, noch stabiler werden. Die Spitzen sind teils schon sehr hoch, aber er hat dabei auch Fehleranfälligkeit und Durchschnittstempo meines Erachtens deutlich angehoben, vor allem auf der Rückhand-Seite. Und dann geht es vor allem noch um Aufschlag und Return. Beim Aufschlag muss er Tempo, Percentage und Variabilität weiter erhöhen, und er darf nicht so leicht lesbar sein, er muss da mehr Abwechslung reinbringen. Das ist ihm, denke ich, gelungen, und er kann das auch schon ganz bewusst beim Punkte spielen einbauen und einsetzen.

tennisnet.com: Vor etwas mehr als einem Jahr hat die Zusammenarbeit mit Alexander Stober begonnen. Wenn du auf diese Zeit zurückblickst: Wie wichtig war und ist das?

Bresnik: Ich habe es damals gesagt, es hat sich in dem Jahr bestätigt und ich hoffe, ich werde es noch lange sagen können: Er ist einer der besten Physiotherapeuten, die es im Tennis gibt. Die Bedeutung von ihm für Dominic ist auch dadurch mitgeprägt, dass er die gleiche Sprache spricht, was für einen Physio, der fürs körperliche Wohlbefinden sowie auch für medizinische Belange verantwortlich ist, von hoher Relevanz ist. Alexander ist in dem Alter, in dem er über extrem hohe Erfahrung verfügt - und er ist auch menschlich einfach wirklich toll. Wir mögen uns alle gegenseitig sehr, und so etwas findet man nicht so leicht, so eine Kombination. Auch deswegen ist er ein extrem wichtiges Bindeglied und ein Erfolgsfaktor. Das wird sich weniger jetzt zeigen als vielmehr dann, wenn man die Karriere rückblickend betrachtet.

tennisnet.com: Warum erst dann?

Bresnik: Weil seine Hauptaufgabe jetzt nicht nur die Leistungssteigerung umfasst, sondern auch den leistungserhaltenden Bereich. Er kann dafür sorgen, dass "Domi" hoffentlich in den nächsten fünf bis zehn Jahren in einer Verfassung ist, um weit oben mitzuspielen.

tennisnet.com: Siehst du Dominic, um das zu schaffen, mit der Verpflichtung von Stober nun in allen Bereichen perfekt aufgestellt? Oder könnte es noch Erweiterungsschritte geben?

Bresnik: Perfekt aufgestellt ist niemand. Ein wesentlicher Faktor wird immer das Körperliche bleiben. Und da mache ich keinen Hehl daraus, wer der beste Fitnesstrainer der Welt ist. Aber solange Roger Federer und Stan Wawrinka aktiv sind, werde ich da nicht querschießen. Doch wenn sich mal was ändern sollte, bin ich der Erste, der fragt.

tennisnet.com: Du redest also von Pierre Paganini.

Bresnik: Ja, und er ist auch einer der Gescheitesten, die auf der Tour herumrennen und besitzt rein menschlich tolle Qualitäten, nicht nur fachlich.

tennisnet.com: Und weißt du auch, ob eine Zusammenarbeit für alle Seiten vorstellbar wäre?

Bresnik: Ich will nicht dem vorgreifen, was er will. Solche Ausnahmekönner sind halt immer sehr respektiert. Er macht Dinge immer nur mit voller Überzeugung und mit entsprechendem Zeitaufwand. Sollte sich die Situation mal ergeben, würde ich auf jeden Fall abklären, ob alle Voraussetzungen vorhanden sind, so zu arbeiten, um Erfolg zu haben.

tennisnet.com: Dominic startet in Brisbane nach einem Freilos gegen Sam Groth oder Pierre-Hugues Herbert. Was sagst du zu seiner Auslosung?

Bresnik: Es ist ein extrem stark besetztes Turnier. Wenn Rafael Nadal als Nummer neun der Welt nicht vorgesetzt ist (die ersten vier Gesetzten erhalten ein Freilos, Nadal ist die Nummer fünf; Anmerkung), sagt es alles über den Raster aus. Groth und Herbert servieren beide extrem gut und sind daher immer unangenehme Gegner für Dominic. Aber das sind halt auch Sachen, die für ihn als die Nummer acht der Welt bei einem so stark besetzten ATP-World-Tour-250-Turnier normal sind. Es geht auch weniger um den Gegner als vielmehr um die Tatsache, dass er zu Jahresbeginn hineinfinden muss. Alle, die da mitspielen, können Tennis spielen, und ich mag es nicht, wenn höher gesetzte Spieler so tun, als wäre das ein Durchmarsch. "Domi" kann auch jederzeit von einem Herbert im Ranking überholt werden - das ist ein junger und extrem guter Spieler. Diese Matches sind alles andere als eine klare Sache.

tennisnet.com: Dominic hat hier das Halbfinale und bei den Australian Open die dritte Runde zu verteidigen, was verglichen mit seinen Ergebnissen danach noch Luft nach oben ließe. Gilt es sich in Australien ein Polster für den Rest des ersten Halbjahrs anzulegen?

Bresnik: Ich mag den Denkansatz nicht. Ein guter Tennisspieler hat Spaß am Wettkampf. Da legt man sich kein Punktepolster an, ein guter Spieler soll sich auf seinen nächsten Wettkampf freuen und dann Freude dabei empfinden, wenn er sein Leistungspotential abrufen kann und gewisse Dinge verbessert. Ob er dann auf Platz acht, 17 oder 23 steht, das ist zwar nicht egal, aber ich verbessere mich im Ranking automatisch, wenn ich gut spiele. Das Punkte zählen ist mir nicht fremd, das mache ich auch manchmal, aber es ist ein falscher Ansatz. Wichtiger ist: Wenn er gut spielt, dann kann Dominic inzwischen so viel, dass er, wenn er 80 bis 90 Prozent seines Potentials abruft, gegen 90 Prozent der Leute auf der Tour Favorit ist.

tennisnet.com: Schön, wenn man das von sich behaupten kann. Jedenfalls war Dominic 2016 körperlich vor allem in der zweiten Saisonhälfte wohl am Limit, was für dich aber nicht daran gelegen hat, dass er ein Vielspieler ist. Wenn es im Vorjahr also nicht zu viel war: Warum soll er 2017 deinen Aussagen zufolge nun doch auf 20 bis 24 Turniere zurückschrauben?

Bresnik: Mir geht es nicht um die Anzahl der Turniere, sondern um die Anzahl der Matches und Wechsel des Belags, des Kontinents und der Zeitzonen. Das sind Sachen, bei denen man aufpassen muss. Und ich bin auch ein Freund davon, an der spielerischen Weiterentwicklung zu arbeiten und sich dafür ein paar Wochen im Jahr freizuschaufeln, in denen er kein Turnier bestreitet, sondern dafür mehr auf dem Platz trainiert. Denn er muss, wenn er sich in gewissen Bereichen verbessern will, Raum für die Basisarbeit besitzen. 2017 möchten wir uns dafür ein paar Wochen mehr Zeit nehmen. Es kommen zudem auch viele andere Verpflichtungen dazu. Als Nummer acht der Welt hat man davon eine Vielzahl, und für diese muss auch Zeit sein.

tennisnet.com: Wenn es dir auch um die Zahl der Matches geht: Wird Dominic in Australien - außer in Brisbane mit Kei Nishikori - auch Doppel spielen?

Bresnik: Nein. Denn wenn er in Sydney im Einzel früh verlieren sollte, möchte er schnell wie möglich nach Melbourne. Und wenn er dort früh verlieren sollte, würde er dort nicht aufgrund des Doppels abhängen wollen. Daher wollen wir die Thematik gar nicht heraufbeschwören.

tennisnet.com: Kann man daraus eine Richtungsänderung ablesen? Dominic ist derzeit ja der einzige Top-20-Mann, der bei den Grand Slams auch recht regelmäßig Doppel spielt und dort wohl auch einiges an Kraft lässt. Wird er bei den weiteren Grand-Slam-Turnieren ebenso kein Doppel spielen?

Bresnik: Bei den French Open oder den US Open würde es mich nicht stören, wenn er auch Doppel spielt. Aber das wird man sehen, das ist jetzt noch zu weit weg. In Indian Wells und Miami wird er vermutlich Doppel spielen, sonst in diesem Jahr aber wohl wenig bis gar nicht.

tennisnet.com: Wodurch sich dann auch die Belastung durch die so hohe Matchanzahl etwas reduzieren würde. Gibt es ein bestimmtes Grand-Slam-Turnier, auf dem der Fokus 2017 ganz besonders liegen wird? Etliche Experten sehen in Dominic ja einen zukünftigen French-Open-Sieger, und dort ist er im Vorjahr bereits ins Halbfinale gekommen.

Bresnik: Wenn er einen unterschiedlichen Fokus auf die vier Grand Slams legen würde, dann wäre das verkehrt. Das sind einfach die vier Höhepunkte in dem Jahr. Und nachdem es da von so vielen verschiedenen Dingen abhängt, die man nicht immer alle beeinflussen kann, ist man gut beraten, bei allen vier top vorbereitet zu sein.

Editorial - Tennisnet und SPOX: We are One!