Andy Murray über britischen Verband – „Verschwende nur sehr ungern meine Zeit“

Davis-Cup-Held Andy Murray scheint von der Arbeit der „Lawn Tennis Association“ nicht viel zu halten.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 03.12.2015, 07:45 Uhr

Die britische Tennisszene ist seit vergangenem Wochenende verständlicherweise in Dauerentzückung. Andy Murray sorgte mehr oder weniger im Alleingang dafür,dass Großbritannien das erste Mal seit 79 Jahren den Davis Cup gewinnen konnte. Zwei Einzelerfolge und ein Doppelsieg mit seinem älteren BruderJamie– es ist wahrlich nicht schwer zu sehen, dass es eher ein Triumph des Weltranglisten-Zweiten war, denn eine Errungenschaft des gesamten britischen Tennissports. Deshalb kam es auch nicht überraschend, dass der 28-jährige Schotte bereits bei einer am Montag abgehaltenen Pressekonferenz kritische und klare Worte zur Arbeit des britischen Verbands LTA („Lawn Tennis Association“) fand. Unterstützt wurde er dabei von seinen treuen Mannschaftskollegen.

Suche nach der neuen Generation

„Es wird sowieso nie was zusammengebracht, und ich verschwende nur sehr ungerne meine Zeit“, adressierte Murray eine Verbalattacke an die britische Verbandsführung. Der Davis-Cup-Kapitän der Briten, Leon Smith, drängte nach dem großen Erfolg, die Begeisterung zu nutzen, um die nachfolgende heimische Tennis-Generation zu motivieren. Der Olympiasieger von 2012 wisse allerdings nicht „wo diese neue Generation eigentlich ist“. Gespräche, etwa mit dem Chef des britischen Tennisverbandes, Michael Downey, habe Murray nicht gesucht: „Ich spreche nicht mit den Leuten in höheren Positionen über diese Dinge. Ich habe eigentlich über gar nichts mit ihnen geredet. Es ist besorgniserregend, keinerlei Junioren bei den Grand-Slam-Turnieren zu haben. Das war immer etwas, wo wir gut darin waren. Das ist nicht ideal.“

Katie Swan allein auf weiter Flur

Außer der 16-jährigenKatie Swansieht es tatsächlich im britischen Jugendbereich mehr als düster aus. Die Schließung des nationalen Leistungszentrums in Roehampton für Elitespieler ist Murray verständlicherweise ebenfalls ein Dorn im Auge. Das Areal wird derzeit nur für lokale Schulen und gelegentliche Trainingscamps genutzt. Rückendeckung bekommt der zweifache Grand-Slam-Champion selbstverständlich auch von Bruder Jamie: „Andy hat in seiner Karriere so viele tolle Dinge für das Tennis in unserem Land erreicht. Und jetzt haben wir den Davis Cup gewonnen. Wir hätten jetzt eine großartige Chance, das Beste daraus zu machen. Aber leider sieht es so aus, als würde das nicht passieren.“ Ex-Verbandspräsident Roger Draper kritisierte Murray im Vorfeld des Länderkampfes, zu wenig für das britische Tennis zu tun.

Seit zehn Jahren kein Nachwuchskonzept

Draper und sein Nachfolger Downey müssen sich hingegen den Vorwurf gefallen lassen, innerhalb der letzten zehn Jahre kein funktionierendes Nachwuchskonzept auf die Beine gestellt zu haben. So wurden in den letzten Jahren mehrere lokale Stützpunkte geschlossen. „Nach dem Turnier in Shanghai war ich ein paar Tage im nationalen Leistungszentrum, um zu trainieren. Ich war Montag und Dienstag ab 15 Uhr dort, und außer mir war nicht eine Person da, die die Hallenplätze genutzt hätte. Das Gelände kostet 40 Millionen Pfund und dort sind keine Leute. Es müssen ja nicht zwingend Leistungssportler sein, aber dort tut sich wirklich gar nichts. Das ist eine echte Schande.“

Ob Murray daran glaubt, dass der Davis-Cup-Sieg dem britischen Tennis vielleicht doch einen Auftrieb verleiht? „Ich hoffe es, aber es muss jetzt gehandelt werden. Es bringt nichts, erst in 18 Monaten etwas zu tun. Am besten hätten sie gestern begonnen, aber wenn es heute starten sollte… Ja, es ist Zeit, positive Veränderungen herbeizuführen, damit die Dinge besser werden.“ Ob hinter den Worten auch wirklich wahre Hoffnung steckt, bleibt wohl ein Geheimnis des Schotten.(Text: sb)

von tennisnet.com

Donnerstag
03.12.2015, 07:45 Uhr