„Schlimm wäre, wenn keiner was erwartet“

Youngster Dominic Thiem blickt im tennisnet.com-Interview auf seinen so starken Saisonstart zurück und den Davis Cup voraus.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 26.03.2014, 11:45 Uhr

Dominic, Gratulation zu deinen jüngsten Erfolgen und willkommen zurück in der Heimat! Was ist die wichtigste Erkenntnis nach fünf Wochen Übersee?

Das Wichtigste ist, dass ich jetzt weiß, dass ich da oben dazu gehöre. Am Jahresanfang bin ich mir auf der ATP-Tour vorgekommen wie ein Gast. Jetzt bin ich dort angekommen. Auch wenn es sicher nicht immer so gut rennen wird und ich sicher wieder Challenger spielen werde müssen irgendwann.

Gab es da einen Knackpunkt? Eine Partie, die besonders wichtig war für dieses Gefühl, angekommen zu sein?

Der größte Knackpunkt war sicherlich in Wien die Partie gegen Tsonga. Das war für mein Selbstvertrauen das wichtigste Match. Der nächste große Schritt ist, mit diesen großen Turnieren auch besser umgehen zu lernen, sozusagen.

Was meinst du mit besser umgehen?

Es ist alles natürlich ganz neu auf diesem Niveau für mich, extrem aufregend, und ein Traum, dass ich dort überhaupt dabei sein darf. Aber die Ansprüche sind ganz andere als bei einem Challenger. Vor allem an die Konzentration. Beim Match musst du dauernd auf 100 Prozent sein, da darfst du dir keinen Aussetzer mehr erlauben. Und auch das Drumherum, das Angespanntsein. Du schaltest ja nie ganz ab bei einem Turnier, auch wenn du nicht spielst. Was mich schon auch ein bissl überrascht hat, dass Quali spielen so zehrt. Du musst zwei, drei harte Matches gewinnen, und dann geht's erst richtig los. Aber ich werde mich auch an das sicher gewöhnen. Ich kann mich erinnern, am Anfang bei den ersten Futures war's genauso, dass das alles unfassbar anstrengend für mich war.

Ihr habt nach den Australian Open die Entscheidung getroffen, nicht über Challenger zu gehen, sondern auf die ATP-Tour. Ein Top-100-Angriff durch die Vordertür, sozusagen, mit offenem Visier. Wie groß war das Risiko?

Über die Challenger wären wahrscheinlich leichtere und mehr Punkte zu holen gewesen. Natürlich war das ein Risiko, gleich auf die große Tour zu gehen. Ich hätte in Rotterdam gegen de Schepper verlieren können, dann gegen Nieminen. Und vorher schon Cecchinato in Doha und de Voest in Melbourne, das vergisst man so leicht, wie knapp das war. Gegen de Voest habe ich im dritten Satz das Rebreak mit einem Vorhand-Slice-Passierball gemacht. Der muss nicht immer gehen.(lacht)

Neu sind auf der Tour natürlich auch die Trainingspartner, zum Beispiel in Miami Roger Federer. Wie war's?

Es ist natürlich was Besonderes, allein von der Atmosphäre am Platz. Wenn du mit ihm trainierst, sind 500 Leute am Platz und schauen zu, das sind mehr als bei vielen Matches auf der Tour. Wir haben eine Stunde geschlagen, dann noch ein paar Games gespielt und geplaudert, über die nächsten Turniere, über den Davis Cup. Er ist einfach unglaublich nett.

Ist er dein größtes Idol?

Es ist ein Wahnsinn, was er alles erreicht hat und wie er sich jetzt wieder zurückgefightet hat und was er für den Sport alles geleistet hat. Aber Idol möchte ich nicht sagen. Ich kann ja nicht sagen, der ist mein Idol, und in drei Wochen spiele ich dann vielleicht gegen ihn. Nein, Idole gibt es keine mehr.

Du hast immerhin insgesamt 112 ATP-Punkte bei drei Turnieren erspielt, und doch wäre noch mehr drinnen gewesen. Wie sehr wurmen die durchaus auch vermeidbaren Niederlagen gegen David Goffin, Julien Benneteau und Tommy Robredo?

Am meisten hat die Niederlage gegen Goffin in Acapulco genervt. Die ist mir auch wirklich vier, fünf Tage total nachgehängt. Da war ich für nichts zu gebrauchen. Überhaupt, das ist was, was ich noch lernen muss, dass ich nach einer Niederlage nicht so von der Rolle bin. Ich bin da meistens drei Tage unbrauchbar. Ich muss das lernen, weil nur einer von 32 Tennisspielern in einer Woche kein Match verliert. Von dem her ist Tennisspieler kein schöner Beruf.(lacht)

Gegen Benneteau...

... hat mich meine schlechte Leistung geärgert. Gegen Robredo war das nicht so schlimm. Da hat meine Leistung gepasst. Der steht halt auch nicht zufällig auf Nummer 17, das ist schon ein super Spieler. Wenn ich jetzt als 20-Jähriger, der irgendwo bei 80 steht, sage, dass ich gegen den gewinnen muss, dann wäre das ein Blödsinn.

Du hast Robredo über weite Strecken dominiert und im zweiten Satz klar geführt, du hattest Tsonga und Murray in engen dritten Sätzen. Was fehlt da noch, dass du solche Partien gewinnst?

Also da mach ich mir keinen Stress. Ich werde sicher in meiner Karriere noch oft gegen Top-Ten- oder Top-20-Spieler verlieren. Aber ich werde sie auch schlagen. Das ist auch was, woran man sich gewöhnen muss, gegen diese absoluten Top-Leute spielen. Das hat weniger mit Respekt vor den Namen zu tun, sondern dass die halt einfach super Tennis spielen und du besser spielen musst als sie, um zu gewinnen.

Du hast das Jahr als Nummer 139 der Welt begonnen, nächsten Montag bist du erstmals Top 80. Überrascht dich selbst, wie schnell das gegangen ist? Hättest du dir so einen Saisonstart auch nur erträumen lassen?

Das war natürlich nicht zu erwarten. Bevor ich nach Doha gefahren bin zur Quali, habe ich mir gedacht, es kann passieren, dass ich jetzt dreimal in der Quali die Gurke kriege und mit leeren Händen dastehe. Wie eh schon gesagt, ein Risiko war dabei, aber dafür kann ich jetzt umso stolzer sein, dass es durch die Vordertür geklappt hat, auf dem harten Weg.

Die Top 80 spiegeln wohl noch nicht deinen derzeitigen Level wieder. Wo siehst du dich momentan von deinen Leistungen her?

Nein, nein, das passt schon. Ich habe die letzten drei Monate megakonstant gespielt, diese Konstanz hätte ich mir selber nie zugetraut. Ich habe alle Matches gewonnen, die ich vom Ranking her gewinnen hätte sollen, und auch nach oben viel gewonnen. Aber wie schon gesagt, das hätte mit ein bisschen Pech auch anders laufen können. Das darf man nie vergessen, dass die alle super Spieler sind, ein Baghdatis steht auf 140 zum Beispiel.

Deine drei Jahresziele waren, ohne Wildcard oder Qualifikation in den Hauptfeldern von Paris, Kitzbühel und Wien zu stehen. Das erste Ziel ist souverän erreicht, beim zweiten schaut es sehr gut aus. Wäre jetzt nicht Zeit, die Ziele neu zu definieren? Wo möchtest du am Jahresende zu stehen?

Ich mag dieses Angeben von Ranking-Zielen nicht. Mir sind Turniere wichtiger. Und da habe ich den Durchbruch noch nicht gehabt. Da habe ich nur aufgezeigt. Indian-Wells-Viertelfinale, das wäre so etwas gewesen zum Beispiel, aber so ein wirkliches tolles Ergebnis habe ich noch nicht gebracht, so eines wie einen Sieg bei einem 250er oder so.

Du traust dir schon zu, ein ATP-World-Tour-250-Turnier zu gewinnen?

Ja. Aber ich kann dort genauso noch in der Quali verlieren.

Wie gehst du mit der doch sehr großen Popularität um, die du mittlerweile schon hast, und mit der internationalen Aufmerksamkeit?

Die Popularität hab ich noch nicht so mitgekriegt, eigentlich nur auf facebook. Da waren extrem viele Nachrichten und Postings und alle auch extrem nett. Das bedeutet mir schon sehr viel, diese Anerkennung.

Ist das nicht auch Druck? Die Fans erwarten jetzt mehr von dir.

Ich empfinde das nicht so als Druck. Ich finde das eigentlich gut. Natürlich werde ich nervös sein beim Davis Cup oder in Kitzbühel oder in Wien. Aber die Leute erwarten nur dann was von dir, wenn du gut spielst. Ich sehe das eher so. Ich habe, seit ich zehn war, dran gearbeitet, dass ich ein guter Tennisspieler werde. Jetzt fange ich an, einer zu sein. Also ist das doch super. Ich will mich da jetzt nicht beklagen, dass jemand was erwartet. Schlimm wäre, wenn keiner was erwartet!(lacht)

Hand aufs Herz: Wie nervös macht dich der Gedanke, in eineinhalb Wochen in Bratislava dein Davis-Cup-Debüt zu geben, und das gleich als Österreichs Nummer 1, von der Punkte erwartet werden?

Jetzt noch gar nicht. Jetzt freue ich mich richtig auf den Davis Cup, auf die Stimmung, da werden sicher viele Fans aus Österreich auch sein. Und ich freu mich auch auf das Spielen im Team. Normal spielst du ja immer nur für dich selbst. Ich werde sicher meganervös sein am Freitag, aber ich bin sicher, die österreichischen Fans werden uns da schon helfen, dass wir das gewinnen und im Herbst Relegation spielen können. So eine Begeisterung wie in der Stadthalle beim Tsonga-Match hätte ich gern auch einmal bei einem Davis Cup. Wir haben ja eigentlich ein super Team mit Jürgen und Andi und mir, mit Alex und den anderen Leuten in der Doppel-Weltklasse, und auch dahinter entwickeln sich manche Spieler super. Ich habe voll Bock, dass es wieder eine Tennis-Euphorie in Österreich gibt. Und die Chance dazu gibt es.

Die slowakischen Einzelspieler Martin Klizan und Lukas Lacko hast du beide schon geschlagen. Macht's das leichter für dich?

Das ist egal. Wenn ich gut spiele, kann ich beide schlagen. Wenn ich nicht gut spiele, habe ich keine Chance. Mal sehen, wie ich damit umgehe, auch mit Best-of-Five, das ist ja immer noch relativ neu für mich.

Was wird Dominic Thiem, glaubst du selbst, zu einem guten Davis-Cup-Spieler machen?

Ich weiß nicht, ob ich einer werde. Ich kann es nur versuchen. Das kann auch eine Zeit dauern, dass man dort gute Leistungen bringt. Beim Davis Cup spielt Erfahrung sicher eine große Rolle, und die kann ich noch nicht haben. Aber ich finde Davis Cup cool.

Zu guter Letzt, was sich viele Fans fragen: Was hat es eigentlich mit deiner Anfeuerung „Bamos" statt „Vamos" auf sich?

(lacht)Nichts Besonderes. „Vamos" sagen eh alle, da haben wir in der Südstadt also irgendwann mit „Bamos" angefangen. Und dann sind wir dabei geblieben. Ich habe gehört, jetzt fangen schon die Kids auf Jugendturnieren damit an, das taugt mir extrem.

Das Gespräch führte Manuel Wachta.

von tennisnet.com

Mittwoch
26.03.2014, 11:45 Uhr