Wolfgang Kindl vor der Rodel-WM im Interview: "Man muss mit Schmerzen leben können“

Wolfgang Kindl ist zweifacher amtierender Rodel-Weltmeister.
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SPOX: Trotz angesprochener Wehwehchen läuft es im Gesamtweltcup gut. Das Rennen um den Gesamtsieg ist wenige Rennen vor Saisonende extrem eng. Wie schätzen Sie die Chancen auf Ihren ersten Triumph im Gesamtweltcup ein?

Kindl: Wir beginnen de facto wieder bei null. Es kämpfen noch acht Läufer um den Gesamtsieg, darunter sind mit David, Reini und mir auch drei Österreicher. Jeder hat dieselben Chancen, auch wenn die Deutschen sich auf zwei Heimrennen freuen können. Auch in Sotschi wird noch gefahren, was den Russen gefallen wird. Wir haben gezeigt, dass wir überall schnell sein können, daher gibt es ohnehin nur Vollgas.

SPOX: Beim Weltcuprennen in Lake Placid ist Ihnen ein folgenschwerer Fehler passiert, der Ihnen nicht nur zwei Läufe, sondern auch die Führung im Gesamtweltcup gekostet hat.

Kindl: Das war ein extremer Rückfall und kurzfristig sehr frustrierend. Ich verwendete im Rennen eine andere Schiene, die ein wenig schwerer war als die vorige. Das zulässige Gesamtgewicht hat gepasst. Beim Schlitten selbst gilt aber eine Höchstgrenze von 25 Kilo, die ich durch den Wechsel überschritt. Im Ziel musste ich zur Kontrolle (Die Athleten werden stichprobenartig per Zufallsgenerator zur Gewichtskontrolle geschickt, Anm.), wo der dumme Fehler aufflog. Normalerweise muss ich so etwas vor der Fahrt kontrollieren, dann wäre das nicht passiert. Der Ärger war groß, ich verlor bestimmt 170 Punkte für die Gesamtwertung. So ist aber immerhin für mehr Spannung im Saisonfinale gesorgt (lacht).

SPOX: Nach jahrelangen Verhandlungen wird in Bludenz in Vorarlberg eine neue Kunstrodelbahn gebaut. Welche Möglichkeiten ergeben sich dem ÖRV?

Kindl: Es handelt sich um eine Kurzbahn, Weltcuprennen werden dort also nicht gefahren. Im Juniorenbereich wird sie aber sehr wohl zum Einsatz kommen. Es entsteht ein neuer Stützpunkt nach dem Vorbild Deutschland: Dort kommen durch die vielen Bahnen immer wieder neue, starke Fahrer nach. Mit der Bahn in Vorarlberg wird die Qualität der österreichischen Fahrer, die sich nach oben entwickeln, mit Sicherheit auch besser. Uns gibt es zudem die Möglichkeit, Material zu testen.

Kindl: "Die Athleten haben nichts mitzureden"

SPOX: Wurden aktive Rodler zum Design der neuen Strecke befragt?

Kindl: Die Planung übernimmt eine Bahnbaukommission, die die korrekten Kurvenwinkel und technischen Details berechnet. Die Athleten haben dabei nichts mitzureden.

SPOX: Würde man sich aus der Sicht der Athleten nicht gewisse Kurvenkombinationen wünschen?

Kindl: Ich persönlich würde mir eine Strecke wünschen, die technisch anspruchsvoll ist, um mich dort weiterentwickeln zu können. Am Ende muss aber ohnehin jeder damit klarkommen. Interessant wird, welche Bahn in Peking für die Winterspiele gebaut wird.

SPOX: Ein weiteres Infrastrukturprojekt ist die Startbahn in Innsbruck, die als veraltet gilt. Es soll eine neue kommen. Warum wäre das wichtig?

Kindl: Wenn man über die Grenze blickt, sieht man, was in Deutschland an Trainingsmöglichkeiten geboten wird. Unsere Ressourcen sind zwar ausreichend, aber veraltet. Es wäre beispielsweise wünschenswert, einen weiteren Neigungswinkel trainieren zu können, um im Training flexibler zu sein und international mitzuziehen.

SPOX: Kommen wir zurück zum Weltcup. Mit der Team-Staffel und den Sprint-Bewerben (in diesem Format beginnt die Zeitmessung erst deutlich nach dem Start, Anm.) hat der Weltverband zwei Formate über die letzten Jahre etabliert. Was halten sie davon?

Kindl: Wir haben im Vergleich zu anderen Sportarten nur wenige Weltcup-Stationen im Kalender. Durch diese Disziplinen kommen mehrere Möglichkeiten hinzu, um sich international zu messen. Speziell der Sprint ist dabei ein gutes Format, wo der Startvorteil einiger Läufer relativiert wird.

SPOX: Das Format kommt Ihnen natürlich entgegen.

Kindl: Ich habe in den letzten Jahren gezeigt, dass ich dort zu den Favoriten gehöre. In der Bahn bin ich einer der Schnellsten, am Start fehlt mir einfach ein wenig die Hebelwirkung. Daher würde ich mir wünschen, wenn wir an jedem Weltcup-Ort das volle Repertoire an Disziplinen ausfahren würden, auch der Team-Bewerb.

SPOX: Finden Sie, dass sich der Rodelsport im Allgemeinen positiv entwickelt?

Kindl: Im Doppelsitzer gibt es Probleme, genügend Sportler zu finden. Nach Olympia gab es aber wie üblich einige Rücktritte. Was dort aber zu erkennen war: Der Stellenwert des Rodelns - gemessen am Medieninteresse - ist deutlich gestiegen. Unsere Aufgabe ist es, dieses Interesse durch Erfolge weiterhin zu wecken. Was den Spannungswert betrifft, stehen wir nämlich Skispringen oder Ski Alpin in nichts nach.

Wolfgang Kindl gewann in Innsbruck zwei Mal WM-Gold.
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Wolfgang Kindl gewann in Innsbruck zwei Mal WM-Gold.

Rodel-WM: "Werden es den Deutschen nicht leicht machen"

SPOX: Die WM findet am kommenden Wochenende in Winterberg statt. Sie gehen als zweifacher Titelverteidiger an den Start. Wie liegt Ihnen die Strecke?

Kindl: Sie ist ähnlich zu Igls, wo ich mich auch sehr wohl fühle. Es gibt viele Gleitpassagen, im unteren Bereich erreicht man Top-Geschwindigkeiten jenseits von 130 km/h. Dort spielt die Aerodynamik eine große Rolle, was mir entgegenkommt. In den letzten Jahren ist es -auch wetterbedingt - nicht nach Wunsch verlaufen. Winterberg heißt nicht ohne Grund so, der Ort liegt in einem "Loch", wo es schnell ungemütlich werden kann. Ich habe aber in Trainings gezeigt, dass ich dort schnell sein kann. Deshalb gehe ich mit einem guten Gefühl in die WM.

SPOX: Wer sind Ihre größten Konkurrenten?

Kindl: Da muss man zwei Mal Deutschland nennen: Hansi Ludwig und Felix Loch genießen Heimvorteil. Zudem sind die beiden Russen Roman Repilov und Semen Pavlichenko, und meine Teamkollegen Gleirscher und Egger die Top-Favoriten. Ein paar Amerikaner zeigen bei Großereignissen immer wieder auf, auch die Letten sind gut in Form.

SPOX: Sind sie zuversichtlich, die Deutschen auf Ihrer Heimbahn ärgern zu können?

Kindl: Die letzten Wochen haben gezeigt, dass ich das kann. Wir werden es ihnen bestimmt nicht leicht machen.

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