Wenn Sport die Seele krank macht: Depressionen

Von SPOX Österreich
Depressionen im Spitzenfußball
© pixabay.com © RyanMcGuire

Sport ist gesund, hält fit und jung, so sagt es zumindest der Volksmund. Allerdings birgt alles, was Menschen extrem ausüben, ein gewisses Risiko. Denn ein "Zuviel" an Training kann krank machen.

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So ist es kein Wunder, dass auch Spitzensportler unter Depressionen leiden. Welchen Risiken Spitzensportler ausgesetzt sind, welche Folgen der Leistungsdruck haben kann und welche Hilfen es gibt, ist jetzt Thema.

Warum sind Depressionen für Sportler ein Thema?

Johanna Rothmann, Mitglied der Geschäftsführung der Firma Bornemann migardo GmbH, hat die Notfall-App namens EnkeApp mit entwickelt, die sich in Anlehnung an den verstorbenen Nationaltorwart Robert Enke dem Thema Depressionen widmet. Sie sagt im Interview auf die Frage, warum Depressionen bei Sportlern häufig ein Tabuthema sind:

"Ich kann mir vorstellen, dass Sportler oftmals unter einem erhöhten Leistungs- und Erfolgsdruck stehen. Zusätzlich sind sie oftmals einer sehr direkten Bewertung ihrer eigenen Leistungen ausgesetzt. Dieser Umstand kann dazu führen Überforderungssituationen öfter eintreten, diese allerdings vielleicht nicht gleich oder nicht als ernst zu nehmend erkannt werden. Auch, weil sie nicht in den Leistungsgedanken oder den eigenen Anspruch passen, oder Versagensängste auslösen."

In diesem Zitat sind gleich mehrere Gesichtspunkte aufgeführt, die in ihrer Kombination zu Depression führen können:

  • Leistungsdruck
  • Erfolgsdruck
  • öffentliche Beobachtung/Beurteilung
  • Überforderung
  • übersteigertes Anspruchsdenken
  • Versagensängste

Leistungsdruck ist ein Aspekt, der große Durchschlagskraft besitzt und jeder Sportler geht unterschiedlich damit um. Manche Sportler erleben Leistungsdruck als ungesunde Kombination aus Liebesentzug und Wertschätzung, denn nur wenn die Leistung gut ist, erfahren Sie Anerkennung und Unterstützung - zumindest empfinden manche Sportler die Situation so.

Leistungsdruck drückt alles andere weg

Wenn sich der Leistungsdruck zuspitzt, spielen häufig

  • Kritik,
  • fehlende Anerkennung,
  • starkes Konkurrenzdenken und
  • die Doppelbelastung von Privatleben/Beruf und Sport

eine Rolle. Spitzensportler und jeder, der im Sport etwas erreichen will, schrauben ihre Erwartungen nach oben, manche neigen zu einem ungesunden Perfektionismus. Versagen sie, bestrafen sie sich selbst durch härteres Training, strengere Diät, kürzere Regenerationsphasen. Sie leben in einem ständigen Netz der Kontrolle, sei es durch fremde oder durch eigene Mechanismen. Das Ergebnis ist in vielen Fällen das Gefühl verminderter Selbstbestimmung.

Manchmal steigert sich der Leistungsdruck ins Unermessliche und der Körper signalisiert durch Verletzungen und Erkrankungen, dass seine Grenze schon weit überschritten ist.

Das Ganze geschieht bei Spitzensportlern zudem vor den Augen der Öffentlichkeit. Jeder Fehltritt wird dokumentiert, analysiert, kritisiert. Man denke nur an die Bundesliga, in der jede Regung von Fußballern bis ins kleinste Detail besprochen und aus diversen Kameraperspektiven gnadenlos beobachtet wird.

Der Sportler indes leidet oft im Verborgenen, frisst alles in sich hinein und entwickelt Existenzängste. Die deutsche Sportlerhilfe hat in einer Studie mit dem Titel "Dysfunktionen des Spitzensports" Alarmierendes festgestellt:

  • 9,3 % leiden unter depressiven Erkrankungen
  • 11,4 % leiden unter Burnout
  • 9,6 % leiden unter Essstörungen

Auf diese drei zentralen Fragen nach Depressionen, Burnout und Essstörungen blieben im Schnitt 40 % der Befragten eine Antwort schuldig. Wie hoch die Dunkelziffer derjenigen ist, die unter Depressionen, Burnout oder Essstörungen leiden, lässt sich nur erahnen.

Wie hilft eine App bei Depressionen?

Die eingangs erwähnte EnkeApp wurde von einer Firma entwickelt, die sich mit dem Thema Depressionen und Spitzensport hinlänglich auseinandergesetzt hat. Mit der App erhalten Sportler Unterstützung im Notfall, können sich aber auch rein vorsorglich über die Risiken und Gefahren von Depressionen Informieren. Doch wie genau hilft der SOS Bereich der Notfall-App? Die Funktionen lassen sich so erklären:

  • Die App verfügt über einen SOS-Bereich mit mehreren Hilfsangeboten im Akutfall. Zum einen ist dort eine professionelle Beratungshotline hinterlegt. Diese wird von der Robert-Enke-Stiftung zusammen mit der Uniklinik RWTH Aachen angeboten. Betroffene erhalten wertvolle Hilfe und haben einen Ansprechpartner, der sie in ihren Sorgen und Nöten begleitet.
  • Zudem gibt es einen individuellen Gruppenruf. Betätigen Nutzer den Button, wird eine automatische SMS an eine Gruppe von Menschen verschickt. Das können Partner, Freunde, Eltern und andere Ansprechpartner sein.
  • Zusätzlich gibt es einen Button, über den ein Notruf zur nächsten Notfallzentrale hergestellt werden kann.

Die Entwickler haben daran gedacht, dass die Nachricht gleichzeitig den aktuellen Standort und einen Notfallpass weiterleitet. In diesem Notfallpass befinden sich gegebenenfalls Informationen, die für die richtige ärztliche Behandlung nötig sind. Gleichzeitig wird der individuelle Notfallkontakt informiert.

Die EnkeApp baut Barrieren ab und sensibilisiert Angehörige und Freunde

Zehntausende Betroffene und Angehörige haben die App bislang heruntergeladen. Die Erfahrungen der Entwicklerfirma sind dahingehend, dass insbesondere der Gruppenruf rege Anerkennung findet. Sie hilft dabei, die Hemmschwelle abzubauen und das Thema Depressionen zu enttabuisieren. In jedem Fall hat die App schon erreicht, dass Betroffene viel leichter in Kommunikation mit ihrem Umfeld kommen, als es ohne die App der Fall ist. Damit wird ein ganz zentraler Aspekt von sich entwickelnden Depressionen ausgehebelt: Die Isolation.

Isolation verstärkt das Gefühl des Unvermögens und verengt die Perspektiv

Befindet sich ein Sportler erst einmal in der Abwärtsspirale der Depression, ist es schwer, diese zu bremsen. Der Aspekt der Isolation ist besonders fatal, denn er sorgt dafür, dass die Selbstaufgabe im Stillen vor sich geht. Im schlimmsten Fall führen Depressionen deshalb zum Suizid, wie beispielsweise bei Robert Enke.

Die EnkeApp ist ein Hilfsangebot, das Betroffene aktiv nutzen können. Daneben existieren online und offline viele weitere Möglichkeiten, den Teufelskreis zu durchbrechen. Je nach Schwere der Krankheit sind verschiedene Ansätze denkbar, die von der Nutzung eines Ratgebers in Eigenregie bis hin zur Kontaktaufnahme zur Deutschen Depressionshilfe oder zur Einweisung in eine Notfallklinik reichen.

Wichtig ist, Kontakt nach außen zu suchen. Depressionen gehören zu den häufigsten Krankheiten überhaupt und sie sollten keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden. Zu groß ist das Risiko, dass eine leichte Depression sich zu einem massiven Problem auswächst und die Lebensqualität so stark beeinträchtigt, dass an einen glücklichen, erfüllten Alltag nicht mehr zu denken ist.