SK-Rapid-Wien-Stürmer Giorgi Kvilitaia: "Ich würde mich auch kritisieren"

Giorgi Kvilitaia gewährt tiefe Einblicke in sein Seelenleben
© GEPA

Unermüdlich flankt Ivan Mocinic den Ball in den Strafraum. Giorgi Kvilitaia läuft erneut an, setzt den Ball über das Tor und flucht leise, aber hörbar. Der nächste Volley-Versuch kracht unter die Latte. Sparringpartner Tobias Knoflach ist geschlagen, der Stürmer ballt die Faust, als hätte er einen Pflichtspieltreffer erzielt. Während der Rest der Mannschaft breites unter der Dusche steht, absolviert der Rapid-Stürmer noch Extraeinheiten.

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"Zweimal pro Woche übe ich nach dem Training den Torabschluss", sagt Kvilitaia anschließend im Gespräch mit SPOX. Er spricht leise und macht nicht den allerbesten Eindruck. Kein Wunder. Am Wochenende in Altach war wieder eines dieser Spiele. Erst brachte der 24-Jährige eine Kopfballchance nicht im leeren Tor unter, dann scheiterte er aus acht Metern an Keeper Martin Kobras. Die Partie endete mit 0:0, die Schelte für Rapids Stürmer war wieder groß.

Irgendwie symbolisch für die laufende Saison. Rapids Chancenauswertung? Unterirdisch. Die Ausbeute des Georgiers: Drei Tore nach 22 Ligaspielen. Freilich deutlich zu wenig. "Vor meinem Wechsel zu Rapid habe ich in einer Saison 24 Tore erzielt. Dazu fünf im Cup. Alles war gut", erinnert sich Kvilitaia an seine Zeit bei Dinamo Tiflis. "Hier muss ich mich erst zurechtfinden. Ich dachte, mit Training würde alles sofort wieder zurückkommen."

"Ich war wütend auf mich"

Dem war nicht so. Eine Torflaute folgte der nächsten, nur selten streuten sich Entlastungstore ein. Woran es liegt? Kvilitaia wirkt ratlos. "Glück, Selbstvertrauen - da spielen viele Faktoren eine Rolle. Ich dachte, mit den Toren gegen Ried und LASK ist der Knoten geplatzt. In Altach war einfach Pech dabei. Ich versuche alles, um wieder in einen Tor-Rhythmus zu kommen. Darum stehe ich auch nach dem Training noch auf dem Platz."

Besonders die Partie in Vorarlberg nagt am Nervenkostüm des georgischen Nationalspielers. "Ich war wütend auf mich", sagt er. "Es hat mich böse gemacht, dass ich meine Leistung nicht mit einem Tor belohnt habe. Bei Stürmern redet niemand über die Leistung. Wenn du in der letzten Sekunde ein dreckiges Tor erzielst, interessiert es keinen, was du zuvor getan hast."

Ob dreckig oder schön - in Hütteldorf nimmt man jeden Treffer dankbar entgegen. Alleine 18 Stangenschüsse verzeichneten die Grün-Weißen und liegen damit im Ligavergleich einsam an der Spitze. Gefolgt von Sturm Graz mit zehn Aluminiumtreffern. In der Tabelle wuchs der Rückstand auf den Tabellenzweiten Sturm bereits auf elf Punkte an, aber der Blick ist sowieso in den Rückspiegel gerichtet. Underdog Admira hält bei gleich vielen Zählern wie Rapid, dem LASK fehlt lediglich einer auf die Wiener.

"Kommentare haben mich getroffen"

Ein Umstand, der auf die Fanseele drückt. Das Ventil: Unruhe im Stadion, Frust auf Social-Media-Plattformen. "Ich spüre das. Schon in den sechs Monaten vor dem Winter hatte ich eine ähnliche Phase. Ich habe im Internet Kommentare der Fans gelesen und manche haben mich getroffen", sagt Kvilitaia. "Mein Selbstvertrauen war im Keller." Aber keinesfalls will er falsch verstanden werden: "Ich kann die Kritik voll und ganz verstehen. Wenn ich ein Fan wäre, würde ich mich auch kritisieren."

Ganz generell denkt Kvilitaia zu viel nach. "Es fällt mir schwer, den Kopf freizukriegen, wenn ich von allen Seiten kritisiert werde. Alles geht vom Kopf aus - das Training, das Spiel, das Privatleben. Bekommt man den Kopf nicht frei, ist es unmöglich so zu spielen, wie man das gerne möchte", sagt er und fügt hinzu: "Seit dem Wintertrainingslager bin ich mental stärker."

Seinen Kollegen geht es dabei etwas besser. Auch Joelinton und Veton Berisha erzielten gemeinsam nur sechs Ligatore. "Sie sind aber deutlich relaxter. Jeder Mensch geht mit schweren Situationen anders um. Ich denke sehr viel nach, verkrampfe mich. Wenn es bei mir sportlich nicht läuft, geht es mir privat nicht gut", sagt Kvilitaia.

Nur ein Tor löst den Knoten

Den Ursprung dafür ortet er in seiner Kindheit. "Mein Vater war sehr streng, als ich zehn, elf Jahre alt war. Wenn ich drei Tore erzielte, sagte er: Warum machst du nicht fünf? Warum nicht mehr? Wenn ich nicht gut spielte, wurde er wütend", sagt er. " Das beschäftigt mich noch immer. Wenn ich auf dem Platz den Ball verliere, denke ich sofort: Was werden die Fans sagen? Erst wenn ich ein Tor erzielt habe, kann ich befreit aufspielen."

Seine Zeit bei Rapid will Kvilitaia aber nicht missen. Und an einen Abschied (Vertrag bis 2020) denkt er auch nicht: "Ich habe den Wechsel keine einzige Sekunde bereut. Ich bin beim größten Verein in Österreich. Das war ein großer Karriereschritt. Und ich bin jetzt ein besserer Spieler als zuvor."

Giorgi Kvilitaias Statistik

SaisonLiga-SpieleToreVorlagenMinuten pro TorEinsatzminuten
2017/20182231330989
2016/201726722221.554
2015/201629244842.020
2014/20151111385385
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