Trifon Ivanov: Die Legende des bulgarischen Wolfs

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© getty

Trifon Ivanov ist vielleicht der einzige Spieler, dem Rapid-Fans einen Wechsel zur Austria nie übel nahmen. Vor sechs Jahren, am 13. Februar 2016, erlag der bulgarische Wolf einem Herzinfarkt. Sein ausschweifender Lebensstil wurde ihm zum Verhängnis. Selten bekam ein Todesfall im österreichischen Fußball ähnlich viel Aufmerksamkeit. Heute jährt sich ein Todestag. Die außergewöhnliche Geschichte einer heimischen Fußball-Legende.

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Andalusien statt Barcelona

1992. Für Betis Sevilla spielt Ivanov brillant. Der FC Barcelona sieht das und legt dem Libero einen Vertrag vor - doch der Präsident der Béticos blockt den Wechsel. Ivanov ärgert sich, aber Andalusien ist auch nicht schlecht. Fans aus England, Italien oder Deutschland kennen Ivanov seit der Weltmeisterschaft 1994 in den USA. Als Nobody erreicht Ivanov mit Bulgarien Rang vier, das Panini-Pickerl mit seinem einzigartigen Konterfei geht um die Welt.

Ein Jahr später ist Rapid-Trainer Ernst Dokupil auf der Suche nach einem Innenverteidiger. Er fragt bei Gilbert Gress nach, der unter anderem die Schweiz und Sturm Graz trainierte. Gress zeigt Dokupil den Vogel und sagt: "Finger weg! Das ist ein Narr! Der ist nicht zu biegen!" Doch Dokupil vertraut auf sein Bauchgefühl und holt Ivanov zu Rapid, wo er zum Kultlegionär avanciert. Auf europäischem Boden geigt Ivanov auf und wird mit der Nominierung für das "Team des Jahres" dekoriert.

Doch die Meisterschaft langweilt Ivanov. Spätestens als er Rapid das meisterschaftsentscheidende Duell mit Austria Salzburg kostet, gerät Dokupil an den Rande der Verzweiflung und stanzt seinen disziplinlosen Ausnahmekönner. Ivanov ist das wurscht. Auf die Vorwürfe, er sei mit dem Schlendrian verbandelt, sagt er: "Das kann nur ein Scherz sein. Von elf bis achtzehn hab' ich die Fußballschule in Veliko Tarnovo besucht - das hieß dreimal täglich Training. Ich habe sogar zu viel Kondition gemacht, deswegen habe ich jetzt keine Lust mehr darauf."

Die Sache mit dem Armeepanzer

Ivanov stellt sein Privatleben in den Vordergrund. Spricht man mit ihm, erwähnt er häufiger Business als Fußball. In seiner Heimat kauft er sich einen Armeepanzer und probiert ihn im Feld nebenan aus. Mit seinem Gewehr geht er auf die Jagd nach Hirschen, in seiner Garage stehen acht Autos. Er sammelt sie. Von Fiat bis Ferrari. Letzteren bekommt er von seinem Privatsponsor und Avanti-Chef Hannes Nouza. Seinen Zaster hat Ivanov derweilen gut angelegt. Mit Nationalteamkollegen gründet er die Bank "National" in Sofia. Er besitzt zwei Tankstellen, drei Wohnungen, ein Haus und fiedelt im Gastgewerbe mit.

Sein Körper ist ihm hingegen nicht wichtig, sein Verfall gut dokumentiert. "Er kam mit den Ausdauerwerten eines Schülerspielers und der höchsten Schadstoffkonzentration von allen", erinnert sich Ernst Dokupil. Ivanovs Leistungsschwankungen werden eklatant, seine Gehaltsforderungen an Rapid exorbitant. Im Sommer 1997 sieht die Austria eine Chance, den Nachbarn zu ärgern und nimmt Ivanov unter Vertrag. Nouza wird bis heute nachgesagt, die notwendige Finanzspritze gegeben zu haben. Denn Austria-Trainer Wolfgang Frank will eigentlich einen Stürmer. Stattdessen bekommt er Ivanov.

"Trifon war ein super Mensch"

Nur ein halbes Jahr bleibt der Bärtige ein Veilchen. Sportlich hilft er der Austria nicht. Doch die Fans lieben ihn bis heute - und nur das zählt. "Es war ein unglückliches Engagement", erinnert sich sein damaliger Mitspieler Herbert Gager. "Er war körperlich in einer schlechten Verfassung. Wenn wir Auslaufen mussten, hat er es geschafft, jede Runde abzuschneiden. Aber Trifon war ein super Mensch." Ivanov geht nach Sofia, kehrt aber ein halbes Jahr später nach Wien zurück. Zu sehr liebt er die lebenswerteste Stadt der Welt.

Beim Floridsdorfer AC lässt er seine Karriere ausklingen und kümmert sich im 21. Wiener Gemeindebezirk um einen gewissen Marko Arnautovic, der seine ersten ballesterischen Schritte setzt. In seinen letzten Lebensjahren ist Ivanov Regionalbeauftragter des bulgarischen Verbandes, in Weliko Tarnowo soll er eine Fußballschule aufbauen. Aber sein Lebensstil holt ihn ein. Zigaretten, Alkohol - ersteres auch gerne in der Pause eines Bundesliga-Spiels. Der Herzinfarkt streckt Ivanov am 13. Februar 2016 nieder. Der Wolf ist tot, aber nicht vergessen.

Im Gespräch mit SPOX erinnern sich Wegbegleiter an die Legende Trifon I.

Ernst Dokupil: Ich habe Trifon damals persönlich zu Rapid geholt. Ivanov hat eine Zeit lang in der Schweiz gespielt, also habe ich den ehemaligen Schweizer Teamchef nach ihm befragt. Der hat mich angeschrien und sagte: 'Finger weg! Das ist ein Narr! Der ist nicht zu biegen!' Und er hatte Recht. Trifon ist immer gleich geblieben. In der Halbzeit hat er geraucht wie ein Schlot, zum Training kam er zu spät. Da war selbst sein Ferrari nicht schnell genug. Aber wenn er einen guten Tag hatte, waren die Stürmer gegen ihn chancenlos. Er war ein fantastischer Verteidiger. Leider ist er aus finanziellen Gründen zur Austria gewechselt. Seither hatte ich keinen Kontakt mehr zu ihm.

Herbert Gager: Trifon war ein super Mensch, wir haben uns ausgezeichnet verstanden. Er war ein Fußballer mit enormer Qualität, aber ganz bestimmt nicht der ehrgeizigste. Wenn wir Auslaufen mussten, hat er es geschafft jede Runde abzuschneiden. Am Ende sind wir drei Runden gelaufen und er eine. So hat sein Spiel bei der Austria hauptsächlich von seinem Stellungsspiel gelebt - denn Athlet war er keiner mehr. Er hatte immer wieder kleine Verletzungen, war in keiner guten Verfassung - aber die Gegner hatten Respekt vor ihm. Er war immer wieder dafür gut, einmal dazwischen zu hauen. Dafür war er gefürchtet. Schlussendlich war sein Engagement am Ende etwas unglücklich, weil der Verein eigentlich dringend einen Stürmer brauchte. Unser Trainer Wolfgang Frank hat ihn zwar gut behandelt, aber Trifons körperliche Verfassung stand ihm oft im Weg.

Samuel Ipoua: Ach, ich bin noch immer extrem traurig, dass er so früh von uns gegangen ist. Er war eine Größe in Österreich und so hat er auch gespielt. In seiner Hochphase war er ein fantastischer Fußballer. Ich erinnere mich gerne daran zurück, als mir Trifon seinen Ferrari geborgt hat. Er war sein ein und alles - aber ein Tamtam hat er nicht gemacht. Das Einzige was er zu mir gesagt hat war: 'Bitte lass dich nicht von der Polizei erwischen, Sammy.' Trainiert hat er eigentlich nie viel, aber im Spiel war er top - und zumindest im Kopf zu 100 Prozent da.

Günter Kreissl: Ich habe mit Trifon ein dreiviertel Jahr in der Kampfmannschaft bei der Austria gespielt und habe ihn dort als wirklich lustigen Kerl und liebenswerten Typen kennengelernt, der immer für einen Schmäh gut war. Er war ein bisschen wie ein großes, verspieltes Kind. Bei Trifon war man sich auch nie sicher, ob er überhaupt die Vornamen seiner Teamkollegen kannte. Oft hat er einfach "Servus du" gesagt, ein "Servus Günter" habe ich von ihm nie gehört. Auf dem Platz hat er teilweise so gewirkt, als würde ihn das Ganze nichts angehen und dann hat er plötzlich einen Pass über 60, 70 Meter gespielt, der genau am Schuh gelandet ist. Er war am Ende seiner Karriere und da war er körperlich nicht mehr im besten Zustand, hat aber immer wieder aufblitzen lassen, dass er ein Weltklasse-Spieler war.

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