Korkmaz: "Ich vermisse die Ü-Ü-Ü-Rufe"

Ümit Korkmaz wurde mit Rapid 2008 Meister
© GEPA

Mit seinen Dribblings verzauberte Ümit Korkmaz 2008 bei der Heim-Europameisterschaft eine ganze Nation. Acht Jahre später soll sich der Kreis nun schließen - der 31-Jährige möchte in Österreich einen Klub finden. Bei SPOX spricht er über die Vereinssuche und seine Kontakte zu Ex-Klub Rapid.

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"Ich habe eine Bitte", meint Ümit Korkmaz gleich zu Beginn unseres Treffens. "Schreib' im Titel nicht, dass ich zu Rapid zurück will." Dieser Satz sei ihm in den vergangenen Monaten viel zu oft in den Mund gelegt worden. Der mögliche Wechsel zu seinem Herzensklub war wenig später freilich dennoch großes Gesprächsthema.

Nach einem unliebsam zu Ende gegangenen Engagement beim türkischen Erstligisten Rizespor befindet sich der 31-Jährige momentan auf Vereinssuche. Den meisten Österreichern ist Ü-Ü-Ü-mit noch immer aufgrund seiner glanzvollen Auftritte bei der Heim-EURO 2008 in Erinnerung. Seitdem hat der Wiener bei Frankfurt, Bochum (Leihe), Ingolstadt und Rizespor wertvolle Erfahrungen gesammelt. Korkmaz ist reifer geworden, die Leidenschaft für den Fußball brennt aber noch immer in ihm. Das fühlt man, wenn er zu sprechen beginnt.

SPOX: Ümit, wie hältst du dich momentan fit?

Ümit Korkmaz: Ich trainiere zwei Mal täglich. Gemeinsam mit Veli Kavlak habe ich bei Karabakh Wien (Wiener Landesligist, Anm.) unter Coach Volkan Kahraman (Ex-Nationalspieler, Anm.) am Training teilgenommen. Auch mit Ante Gale (Besitzer einer Fußballschule in Wien, Anm.) absolviere ich Übungen. Natürlich ist das nicht mit einem Mannschaftstraining vergleichbar, aber ich fühle mich topfit und habe körperlich überhaupt keine Probleme.

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SPOX: Du hast deinen Vertrag bei Rizespor Anfang November aufgelöst. Erzähle uns, was in den letzten Monaten passiert ist?

Korkmaz: Die letzten Monate waren sehr hart. Mir wurde das Gehalt der letzten Saison nicht ausbezahlt. Daher kam es zu einem Streit. Rizespor gilt eigentlich als seriöse Adresse in der Türkei, aber wenn dich ein Trainer nicht haben will, werden alle üblen Register gezogen. Ich wurde aus dem Kader gestrichen, musste jeden Tag drei Mal trainieren - um 7:30, 11 und 17 Uhr. Dabei musste ich täglich 45 Minuten laufen - jetzt brauche ich drei Jahre lang kein Lauf-Trainingslager mehr (lacht). Es war hart. Ich habe gehofft, dass ich unter einem anderen Coach noch eine Chance bekomme, aber der Trainer (Hikmet Karaman, Anm.) sitzt trotz schlechter Ergebnisse fest im Sattel. Weil ich mein Gehalt weiterhin nicht bekommen habe, schaltete ich einen Anwalt ein. Schlussendlich konnten wir uns einigen.

SPOX: Mit Jakob Jantscher hattest du bei Rizespor einen österreichischen Teamkollegen. Habt ihr viel gemeinsam unternommen?

Korkmaz: Wir haben uns privat oft getroffen, aber unsere Umkleidekabinen waren getrennt. Ich musste mich in der Nachwuchsabteilung umziehen. Sie ziehen alle Register, wollen dich dazu bringen, selbst aufzugeben und freiwillig abzuhauen. Aber dank eines ordentlichen Anwaltes, der sich nicht einschüchtern hat lassen, haben wir eine Lösung gefunden.

SPOX: In deiner Karriere wurdest du immer wieder von Verletzungen gestoppt, zum Beispiel den zwei Mittelfußbrüchen, als du bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag standest. Was wäre ohne diese Rückschläge möglich gewesen?

Korkmaz: (atmet tief durch) Der erste Mittelfußbruch kann passieren, das war ein Stressbruch. Ich hatte nur zwei Wochen Pause und bin davor innerhalb von drei Jahren vom Slovan-Platz in die deutsche Bundesliga gekommen. Der zweite Bruch ist durch Fremdeinwirkung passiert. Das war Pech. Es ist schwer, in der deutschen Liga etwas nachzuholen. Ich kann mich erinnern, als wir Mario Götze und Marco Reus bei den Amateuren zugesehen haben. Damals haben wir spekuliert, ob die beiden etwas erreichen könnten. Sobald du ein Jahr weg bist, sind die Jungen da und rücken nach. Ich habe mir oft weh getan, bin in jedes Loch hineingelaufen. Glücklicherweise waren es nie schwere Verletzungen, aber viele, kleinere Pausen haben mich aus der Bahn geworfen.

SPOX: Du befindest dich gerade auf Vereinssuche. Wie soll deine Zukunft aussehen?

Korkmaz: Seit fast zehn Jahren habe ich jetzt im Ausland gelebt und war von meiner Familie getrennt. Daher will ich jetzt in Österreich spielen. Ich liebe meinen Job und brenne darauf, endlich wieder Fußball zu spielen. Wenn es hier nicht klappt, muss ich mich anderweitig umsehen. Ich habe jetzt auch wieder ein paar Anrufe aus der Türkei bekommen.

SPOX: Kommen wir zu deinem Herzensklub. Es heißt, du führst mit Rapid bereits Vertragsgespräche.

Korkmaz: (lacht)Ich verhandle nicht mit Rapid, aber natürlich ist ein Kontakt da. Die Leute wissen, dass ich in Wien bin. Wir suchen eine Mannschaft, zu der ich passe. Ich kann nicht einfach zu Rapid, St. Pölten oder dem WAC gehen und sagen, die anderen sitzen jetzt draußen, weil ich da bin.

SPOX: Wie ernst ist es mit Rapid?

Korkmaz: In Österreich gibt es nichts Größeres als Rapid. Egal, ob Salzburg fünf Mal in Folge Meister wird oder die Austria drei Mal Cup-Sieger - Rapid ist etwas ganz anderes. Ich würde mich selbst anlügen, wenn ich sage, dass ich lieber bei einem anderen Klub spielen möchte. Aber Rapid muss mich auch brauchen. Im Kader muss ein Platz frei sein. Vielleicht passe ich auch gar nicht ins Konzept des neuen Trainers.

SPOX: Noch dazu nimmt bei Rapid mit Fredy Bickel im Jänner ein neuer Sportchef seine Arbeit auf.

Korkmaz: Genau. Nur weil ich bei dem Klub einmal Publikumsliebling war, ist es nicht selbstverständlich, dass ich zurückkommen kann. Das ist ein Fußballverein und kein Jugendzentrum. Wenn es klappt, bin ich überglücklich, aber ich wäre auch froh, bei einem anderen österreichischen Verein unterzukommen.

SPOX: Mit Torwartcoach Helge Payer hast du selbst noch zusammengespielt. Wie gut kennst du das neue Trainerteam bei Rapid?

Korkmaz: Bevor ich zu den Rapid Amateuren gewechselt bin, wäre ich fast bei Damir Canadi gelandet. Er trainierte damals Polizei/Feuerwehr - den heutigen FAC. Der Transfer war fast fix, doch dann kam der Anruf von Rapid-Sportdirektor Peter Schöttel. Ich habe mich damals mit Canadi unterhalten, aber seitdem hatten wir keinen persönlichen Kontakt mehr. Dafür kenne ich seinen Co-Trainer Goran Djuricin recht gut. Er hat mir meinen Manager Max Hagmayr vermittelt.

SPOX: Gehen dir die Ü-Ü-Ü-Rufe eigentlich ab?

Korkmaz: Ja, die vermisse ich schon. Es war das Größte für mich, damals 2008 im Nationalteam spielen zu dürfen. Stefan Ebner, der Sportmanager des SK Rapid, hat mir einmal erzählt, dass für internationale Spiele eine Genehmigung der UEFA nötig war, weil die Rufe den Affenlauten ähnelten, mit denen schwarze Spieler rassistisch beleidigt werden.

SPOX: Aufgrund deiner Verletzungen meinen manche Leute, du hättest an Schnelligkeit eingebüßt und damit deine größte Stärke verloren. Was hältst du dem entgegen?

Korkmaz: Ich bin noch immer schnell. Man kann das gar nicht vergleichen. Ich habe sechs Jahre in Deutschland gespielt. Das ist ein anderes Niveau. Es macht einen Unterschied, ob Guy Demel (ehemals HSV) oder Hannes Eder (ehemals Rapid) vor dir steht. Die Dribblings, die ich damals in Österreich gemacht habe, hätte ich dort gar nicht durchziehen können. Dazu kommt die Erfahrung - ich achte beispielsweise nun viel mehr auf die Stärken meiner Gegner.

SPOX: Du hast in Deutschland und der Türkei vermutlich nicht schlecht verdient. Ist ein kleiner Klub der Tipico-Bundesliga überhaupt in der Lage, deine Gehaltsvorstellungen erfüllen?

Korkmaz: Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie sehr ich Österreich vermisst habe? Das Gehalt ist mir nicht so wichtig. Natürlich gehört Geld dazu, aber man kann Abstriche machen, wenn der Wohlfühlfaktor passt. Ich habe damals bei meiner Leihe in Bochum auch auf Gehalt verzichtet und wir waren in diesem halben Jahr sehr erfolgreich.

SPOX: Wie lautet deine Meinung zur aktuellen Situation bei Rapid: War es ein Fehler, Barisic zu entlassen?


Korkmaz: Ich bin mit ihm als Co-Trainer Meister geworden, ich kenne seine Schule. Ob es ein Fehler war, weiß ich nicht. Rapid hat eine gute Mannschaft, aber wenn ich an unser Team von 2008 denke, gibt es heute viel mehr junge Spieler.

SPOX: Fehlt es dem aktuellen Rapid-Team also an Erfahrung?

Korkmaz: Kann sein. Aber es war mehr als nur Erfahrung, es gab eine klare Hierarchie. Veli Kavlak, Andreas Dober, Jimmy Hoffer oder ich wurden damals von den Älteren eingeteilt. Wir mussten die Bälle aufpumpen, die Wasserflaschen tragen. Diese harte Schule ist wichtig. Steffen Hofmann, Mario Tokic, Branko Boskovic, Mario Bazina. Es gab viele routinierte Spieler. Ich habe von Boskovic nicht oft einen Sprint gesehen, aber er hat wichtige Tore gemacht. Genauso wie Bazina.

SPOX: Abschließend zu einem anderen Thema: Als Rizespor-Profi hast du die politischen Veränderungen und zahlreiche Anschläge in der Türkei hautnah miterlebt. Fühltest du dich dort sicher?

Korkmaz: In meiner Stadt Rize schon. Durch den Putschversuch sind die Menschen misstrauisch geworden. Es gibt zwei Gruppen. Die Leute fragen: Bist du für die AKP oder für Fethullah Gülen? Die vielen Toten sind unnötig. Was kann man sich denn nicht teilen? Leute gehen Brot kaufen und sterben dabei, weil sich ein Volltrottel in die Luft sprengt. Warum macht man so etwas? Das ist traurig.

Der Kader des SK Rapid

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