"Ich wusste, dass ich aus Wien weg muss"

Von Jakob Reisinger
Darf Ismael Tajouri in Zukunft auch für Österreich jubeln?
© GEPA

Nach Lehrjahren in Altach startet Ismael Tajouri-Shradi bei der Wiener Austria durch. SPOX erklärt er seinen Weg, seine Träume und sein Erfolgsrezept.

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Im Jänner 2013 hat SPOX zum ersten Mal mit Ismael Tajouri-Shradi gesprochen. Damals hat der Youngster in der Regionalliga Ost für die Austria Amateure gespielt und ist nur Fußball-Insidern ein Begriff gewesen. Einzig ein Fernsehteam aus dem arabischen Raum interessierte sich für den Drittliga-Kicker in Österreich. Der Grund: Tajouri-Shradi absolvierte ein Trainingslager mit der libyschen U20-Nationalmannschaft, dem Land seiner Eltern. In der heimischen Berichterstattung war er damals nur eine Randerscheinung.

Seit dem damaligen Treffen hat sich beim Flügelspieler viel getan. Insgesamt zweieinhalb Jahre ist der mittlerweile 22-Jährige nach Vorarlberg ausgewandert, um seinem Können in Altach einen Feinschliff zu verpassen und sich für eine Rückkehr in die violette Kampfmannschaft zu rüsten. "Ich bin Altach sehr dankbar, der Klub war für meine Entwicklung einfach top", erklärt er SPOX. Zwischendurch hat sich aber schon Enttäuschung breit gemacht. "Ich war im Sommer 2015 sehr enttäuscht, weil ich mir sehr viel von meiner Rückkehr nach Wien erwartet habe und dann wieder verliehen wurde. Ich habe meine Chance wieder in Altach gesucht, weil ich wusste, dass ich aus Wien weg muss." Insgesamt brachte er es im Westen Österreichs auf 67 Bundesliga-Spiele, zehn Tore und 16 Vorlagen.

Explosion nach der Rückkehr zur Austria

Im vergangenen Sommer folgte schließlich doch noch die Rückkehr zu den Veilchen. "Ich habe beim Transfer-Thema im Sommer nicht mitreden dürfen, aber ich wollte wieder zur Austria und ich habe alles richtig gemacht." Angst vor der Heimkehr, weil ihm der Durchbruch in den Jahren zuvor verwehrt geblieben ist, hatte er nicht. "Ich habe vorher einfach nie die Chance bekommen, aber jetzt durfte ich endlich zeigen, was ich kann. Das ist aber noch lange nicht alles, weil es sind erst zehn Spiele gespielt."

Was er bisher gezeigt hat, war durchaus sehenswert: Fünf Tore in zehn Bundesliga-Spielen machen ihn zum besten Austria-Torschützen der laufenden Saison. Mit dieser Quote war so nicht zu rechnen. "Ich habe das nicht erwartet, aber man weiß nie was kommt. Ich weiß was ich kann und es läuft sehr gut." Eine Erklärung für die Leistungsexplosion hat er aber nicht parat. "Das kann man nicht erklären, aber ich habe immer an mich geglaubt."

Einen Grund für seine momentane Form verrät er dann aber doch: "Meine Familie. Sie bauen mich mit positiven Nachrichten auf und auch dadurch klappt es einfach so gut." Einen wichtigen Anteil hat auch Trainer Thorsten Fink. Der Deutsche spreche viel mit den Spielern und habe klare Erwartungen. "Er fordert Tore und gefährliche Aktionen. Das Vertrauen macht mich stärker." Die vorzeitige Vertragsverlängerung des Trainers bis 2019 ist für den Youngster zudem ein positives Zeichen. Auf den momentanen Erfolgen will sich der Techniker aber nicht ausruhen. "Ich will meinen rechten Fuß noch besser hinbekommen. Viele Fußballer haben nur einen Fuß, aber wenn man beide Beine verwendet, ist das noch besser."

AS Rom als einmaliges Erlebnis

Mit der Austria warten spannende Wochen auf Tajouri-Shradi und seine Kollegen. Nach der Reise nach Mattersburg am Wochenende geht es zum Kräftemessen mit AS Rom in der Europa League. "Das wird ein ganz besonderes Spiel gegen sehr bekannte Spieler. Wir werden hoch motiviert sein und im besten Fall werden wir ihnen sogar drei Punkte wegnehmen", erstarrt er nicht in Ehrfurcht. Ein Kampf um das Trikot von Francesco Totti ist in der Austria-Kabine trotzdem noch nicht ausgebrochen. "Darüber haben wir noch nicht nachgedacht, weil wir lieber Punkte als Trikots nach Wien mitnehmen. Wir werden dort sehen, wer welches Shirt bekommt."

Mit vier Punkten aus zwei Spielen sind die Veilchen in der Europa League auf Kurs und somit werden die kommenden beiden Duelle mit der Roma richtungsweisend. Auf das Duell in Rom folgt bereits am 3. November das zweite Kräftemessen mit den Italienern in Wien. Für das Top-Spiel wurden bereits 20.000 Karten verkauft. "Wir hätten auch gegen Pilsen gewinnen können, aber das ist kein Problem. Es ist sehr viel möglich und das motiviert uns." Die neun Punkte Rückstand auf Sturm Graz in der Meisterschaft will er zudem nicht überbewerten. "Am Ende wollen wir im Rennen um Platz eins bis drei dabei sein. Es geht schnell und auch die Konkurrenz wird noch verlieren."

In einem Team mit dem besten Freund

Einer, der die Karriere von "Isi", wie Tajouri-Shradi bei der Austria gerufen wird, aus nächster Nähe verfolgt ist Teamkollege Tarkan Serbest. Die beiden spielen bereits seit der U11 in einem Team. "Es ist überragend, wenn man mit einem besten Freund in der Mannschaft spielen kann. Wir erleben die tollsten Spiele zusammen. Wir können uns immer aufeinander verlassen und das macht uns stark."

Vom besten Freund, der eher in der Defensive zuhause ist, kann sich der Offensivspieler auch einige Dinge abschauen. "Er ist sehr diszipliniert und hat ein überragendes Passspiel. Zuletzt hat er sein erstes Tor erzielt. Das freut mich besonders, weil es schon Zeit wurde." Die Duelle im Käfig mussten zuletzt aber ausgelassen werden. "Werden wir sicher wieder machen, aber die englischen Wochen lassen keine Zeit für Spiele im Park." In diesem Zusammenhang muss "Isi" aber etwas klarstellen: "Er hat aber sowieso keine Chance." Auf der Playstation sieht die Sache dafür umgekehrt aus. "Da habe ich keine Chance, weil ich gar kein FIFA-Spieler bin. Ich habe nicht einmal eine Playstation."
"Ich will ins Nationalteam"

In den kommenden Wochen könnten sich die Wege der beiden Freunde aber nicht nur bei der Austria, im Park und auf der Playstation kreuzen, denn Tajouri-Shradi wartet sehnsüchtig auf eine Einberufung in die U21-Nationalmannschaft. Seit einigen Monaten besitzt er die österreichische Staatsbürgerschaft (geboren wurde er in Bern, aufgewachsen ist er in Libyen, 2004 kam er nach Österreich). Bisher scheiterte eine Einberufung ins ÖFB-Team nur an einem fehlenden FIFA-Dokument. Bei den entscheidenden Duellen im Play-off für die Europameisterschaft (Gegner wird am Freitag ausgelost) könnte er, wie wohl auch Kumpel Serbest, im Team von Werner Gregoritsch dabei sein. "Ich will für die U21 spielen und natürlich später auch für die A-Nationalmannschaft." Man wird ja träumen dürfen.

Und Träume hat jeder Fußballer, erklärt der Österreicher mit libyschen Wurzeln. "Man muss aber auch hart arbeiten, das steht im Vordergrund. Aber mein Traum ist irgendwann die spanische Liga, weil mir der Fußball dort liegt. Flaches und technisches Spiel, das passt genau zu mir." In Spanien spielte einst auch einst sein großes Vorbild: Robinho. Vom Brasilianer schaut er sich heute noch regelmäßig Videos an, auch wenn der feine Techniker seine Karriere mittlerweile in Brasilien ausklingen lässt. Von Ausklingen ist bei Tajouri-Shradi im Moment allerdings nichts zu sehen. Er startet gerade erst durch. In Altach kannte ihn auf der Straße bereits jedes Kind und nun erobert er mit der Austria die internationale Bühne. Sein Name ist mittlerweile auch über das violette Fan-Lager hinaus bekannt.